Hegegemeinschaften:
Unser Schalenwild beansprucht in der Regel große Lebensräume, es kennt nicht die Grenzen der immer kleiner werdenden Reviere. Um vor allem diese Wildarten, aber auch das Niederwild großflächig und artgerecht zu bewirtschaften, sind größere Hegeeinheiten gefordert – Hegegemeinschaften!
Die Schaffung von Ruhezonen gehört ebenso zu den vordringlichen Aufgaben einer Hegegemeinschaft wie die Anlage von Wildäsungsflächen im Walde zur Vermeidung überhöhter Wildschäden |
Von Dr. Kurt Menzel
Hegegemeinschaften (HG) sind Voraussetzung und Schlüssel für eine großräumige Wildbewirtschaftung. Ihre Bedeutung ist um so größer, je mehr der Trend anhält, große Jagdbezirke – eines besseren Pachterlöses wegen – in immer kleinere Jagdreviere aufzuteilen. Es ist sicher unbestritten, dass eine Vielzahl der heutigen Jagdreviere nach Größe und Abgrenzung nicht den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wildhege entspricht. Das gilt übrigens nicht nur für bestimmte Schalenwildarten, sondern kann auch für das Niederwild Gültigkeit erlangen. Während jedoch speziell für das Rot-, Dam- und Muffelwild auf breiter Basis Hegegemeinschaften gebildet wurden, ja man den Begriff der Hegegemeinschaft mit der Vorstellung der Hege und Bejagung der großen Schalenwildarten (Rehwild ausgenommen!) in Verbindung bringt, ist das Niederwild in dieser Hinsicht bislang recht stiefmütterlich behandelt worden. Dabei beziehen sich doch die meisten Anwürfe von außen gegen Jagd und Jäger auf das angeblich zu starke Eingreifen in die Niederwildbesätze, während beim Hochwild stets höhere Abschüsse gefordert werden.
HG sind in der Regel nicht an politische Grenzen gebunden
Die Bildung von Hegegemeinschaften ist in § 10a des Bundesjagdgesetzes (BJG) gesetzlich verankert. Darüber hinaus haben die einzelnen Bundesländer (die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen können hier unberücksichtigt bleiben) in ihren Landesjagdgesetzen mehr oder weniger ausführlich die Entstehung von HG geregelt. Häufig sind zu dem entsprechenden Paragraphen zusätzlich noch ministerielle Verordnungen ergangen. Grundsätzlich fällt auf, dass ein Landesjagdgesetz (LJG) sich um so ausführlicher mit der Bildung von HG befasst, je neueren Datums es ist. Einzige Ausnahme ist das LJG des Saarlandes, bei dessen Novellierung 1998 die Passagen über die Bildung von Hegegemeinschaften ersatzlos gestrichen wurden. Offensichtlich ist das auf die politische Absicht zurückzuführen, den Begriff „Hege“ in jeder Form aus dem Gesetz verschwinden zu lassen. Als „Ausrede“ wurde jedoch öffentlich erklärt, dass die Revierinhaber jetzt nach § 10a des BJG private Gemeinschaften bilden können.
Übereinstimmend ist in allen LJG festgelegt, dass die Jagdausübungsberechtigten von zusammenhängenden Jagdbezirken, die ein geschlossenes Wildeinstandsgebiet beziehungsweise einen Bewirtschaftungsbezirk umfassen, eine HG bilden können. HG sind in der Regel nicht an politische Grenzen, zum Beispiel Landkreisgrenzen, gebunden. Die HG entsteht durchweg mit der Genehmigung der Satzung durch die Untere Jagdbehörde. Die Zusammenschlüsse erfolgen freiwillig auf privatrechtlicher Basis, wobei die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über Vereine entsprechende Anwendung finden. Üblicherweise ist es Aufgabe der örtlichen Kreisgruppen der Landesjägerschaft, die Gründung von HG zu organisieren. Ist eine HG gegründet, sollte diese auch mit der örtlichen Jägerschaft eng zusammen- und nicht etwa gegen sie arbeiten. Wenn jedoch die Bildung von HG aus Gründen einer wildtiergerechten Bewirtschaftung erforderlich und eine an alle Revierinhaber gerichtete Aufforderung ohne Erfolg geblieben ist, können in den Ländern Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz HG von Amts wegen durch die Landkreise gebildet werden. Es entstehen somit zwangsweise Körperschaften des öffentlichen Rechts. Diese so genannten Hegeverbände haben aber kaum praktische Bedeutung erlangt.
Einem gewissen Individualismus ist ein Riegel vorgeschoben
Der Vorstand einer Hegegemeinschaft sollte unbedingt darauf achten, welche privatrechtliche Form bei der Bildung der HG gewählt wurde, ob als eingetragener (e.V.) oder nicht in das Vereinsregister eingetragener Verein. Das hat entscheidenden Einfluss auf die Frage, in welchem Umfang im Falle von Regressansprüchen Dritter das Vereinsvermögen in Anspruch genommen werden kann oder der Vorstand persönlich haftet. Aus diesem Grunde wird unbedingt die Rechtsform „e.V.“ vorzuziehen sein. Die Frage der persönlichen Haftung der Vorstände ist bisher viel zu wenig beachtet worden, da den HG in der Regel gerichtliche Auseinandersetzungen erspart blieben. Es dürfte jedoch zur Fürsorgepflicht der Landesjagdverbände gegenüber den HG-Vorsitzenden gehören, sie über die Frage der persönlichen Haftung zu informieren. So ist nicht auszuschließen, dass zum Beispiel ein einzelner Waldbesitzer dagegen klagen kann, wenn ihm aufgrund eines nach seiner Meinung zu niedrig festgesetzten Abschuss-Solls erhebliche Wildschäden entstanden sind. Verklagt auf Schadensersatz wird letztlich die HG, da sie der Jagdbehörde die Vorschläge für den jährlichen Abschuss macht.
Auch wenn manchmal der Egoismus auch vor Jagdgrenzen nicht Halt macht und mancher Revierinhaber gerade beim Abschussplan glaubt, seine eigenen Vorstellungen und Wünsche durchsetzen zu müssen, ist im Bereich von anerkannten HG solchem Individualismus ein gewisser Riegel vorgeschoben. In einigen LJG (Bayern, Brandenburg, Sachsen) ist ausdrücklich vorgesehen, dass für Reviere, die sich nicht an einer bestehenden HG beteiligen, der Vorsitzende der HG für das betreffende Revier eine Empfehlung zur Abschussplanung abgibt, an die sich bei der Abschussfestsetzung in der Regel die Jagdbehörde hält.
Weiterbildung soll gefördert werden
Zweck der Hegegemeinschaft ist es, in ihrem räumlichen Wirkungsbereich den Ausgleich zwischen Lebensraum und Wildbestand zu schaffen und eine einheitliche, großräumige Bejagungsregelung nach den jeweiligen jagdrechtlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Darüber hinaus sollten eigene, revierübergreifende Bejagungskonzepte erarbeitet werden. Die Aufgaben einer HG sind äußerst vielgestaltig. Zu ihnen gehört nicht nur das Abstimmen der Abschusspläne der einzelnen Revierinhaber und das Erstellen eines gemeinsamen Vorschlages, sondern darüber hinaus die Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Wildes wie die Ausweisung von Ruhezonen, die Anlage von Wildäsungsflächen, die Einrichtung von zentralen Futterstellen oder die Mitwirkung bei der Wildstandsermittlung. Die HG haben auf die Erfüllung der Abschusspläne hinzuwirken und müssen die Jagdstrecke nach Wildart, Anzahl, Alter und Geschlecht erfassen und auswerten. Sie sollen die Weiterbildung der Jäger, das Jagdhundewesen, das Schießwesen und den Arten-, Natur- und Umweltschutze fördern. HG können ganz wesentlich den persönlichen Umgang der Jäger untereinander positiv beeinflussen. Ferner sind sie gehalten, in Zusammenarbeit mit den Jagdbehörden die alljährlichen Hegeschauen mitzugestalten und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.
Wenn die HG über die erforderlichen finanziellen Mittel oder über ausreichend qualifizierte Mitglieder verfügt, kann sie sich zum Beispiel einer großräumigen Lebensraumverbesserung mit Situationsanalyse und Entwicklungsplanung widmen.
Vertreter werden gewählt
Die Mitgliedschaft in einer Hegegemeinschaft ist in den einzelnen Bundesländern etwas unterschiedlich geregelt. Durchweg bilden in erster Linie die Revierinhaber von zusammenhängenden Jagdrevieren einschließlich der zuständigen Forstamtsleiter der staatlichen Eigenjagdbezirke eines bestimmten Bewirtschaftungsgebietes eine HG. An den Beratungen können je nach Landesjagdgesetz und Satzung die Jagdvorstände der beteiligten Jagdgenossenschaften, die Eigentümer der verpachteten Eigenjagdbezirke, Berufsjäger und Vertreter der zuständigen Forstbehörden ohne Stimmrecht teilnehmen. Aus dem Kreis der einer HG angehörenden Jagdausübungsberechtigten wird für eine bestimmte Zeit ein Vorsitzender und ein (oder mehrere) Vertreter gewählt.
Verantwortung mittragen
Persönliches Engagement, Kompetenz, Unabhängigkeit und Durchsetzungsvermögen des Vorsitzenden sind nach allgemeiner Erfahrung maßgebend für ein effektives Funktionieren einer HG. Jedes Mitglied einer HG kann nur dann sinnvoll dem Ganzen dienen, wenn es über die nötigen Revierkenntnisse verfügt und sich auch hinsichtlich der Biologie der in seiner HG zu bejagenden Wildtiere auf dem Laufenden hält. Daher ist die ständige Fortbildung der Jäger eine vordringliche Aufgabe jeder HG. Wesentliche Voraussetzung für das effektive Wirken ist darüber hinaus eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Mitglieder. Wenn eine HG eine bestimmte Fläche (zirka 10 000 Hektar) und/oder eine Anzahl von ungefähr 30 Mitgliedern übersteigt, ist es sicher sinnvoll, rechtlich unselbstständige, aber wirkungsvoll arbeitende Untergruppen zu bilden, deren Teilergebnisse im Vorstand zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.
Hinsichtlich der Zusammensetzung will die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) einen neuen Weg beschreiten und über zu erwartende Ausführungsbestimmungen zum neuen, im Jahre 2001 in Kraft getretenen LJG die Vertreter des Grundeigentums nicht nur als beratende, sondern stimmberechtigte Mitglieder „mit ins Boot nehmen“. Das hätte den großen Vorteil, dass nicht nur die Pächter, sondern auch die Verpächter selbst die Verantwortung über die in der HG erarbeiteten Abschusspläne mittragen. Diesem Zweck dient unser Entwurf einer „Mustersatzung für Hegegemeinschaften“ der LJN, der auch bundesweit zu einer Vereinheitlichung der Satzungen der HG beitragen könnte, denn HG sollen nicht nur Kreis- und Bezirks-, sondern auch Ländergrenzen überschreiten, wenn das einer wildbiologisch sinnvollen Abgrenzung der Bewirtschaftungsgebiete dient.
Interessenausgleich zwischen Land- und Forstwirtschaft und der Jagd
Viele HG haben sich im Laufe der vergangenen Jahre bewährt. Besonders hervorgehoben werden sollte in diesem Zusammenhang der „Hochwildring Süsing“ in der Lüneburger Heide, der im vergangenen Jahr sein fünfzigjähriges (!) Bestehen feierte. Hier hat man seit langem einen Interessenausgleich zwischen Land- und Forstwirtschaft und der Jagd gefunden und das Ziel, dem Wild eine sichere und dauernde Heimstatt zu erhalten, nie aus den Augen verloren. Und das muss ja der eigentliche Sinn gleich welcher Hegegemeinschaft sein.
Hegegemeinschafts-versammlung: Der Vorsitzende leitet die Veranstaltung und teilt den Mitgliedern die Jahresergebnisse mit |