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Abnorm

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Abnorme Böcke sind auch in Obertiefenbach selten. Nachdem
WuH-Marketingleiter Johannes Ruttmann bereits vergangenes Jahr einen streckte, suchte er auch in der Blattzeit 2019 Dianas Gunst.

Auch in diesem Jahr konnte Marketingleiter Johannes Ruttmann einen abnormen Bock im WuH-Testrevier strecken.
Foto: Johannes Ruttmann

Der Bock zeichnet deutlich, doch die 5,6 x 52R aus dem Bergstutzen bannt ihn nicht an den Platz. In hoher Flucht nimmt er das mit dichtem Schwarzdorn durchsetzte Gehölz an, aus dem er ­Sekunden zuvor wie aus dem Nichts erschienen war. Hätte ich doch besser die große Kugel nehmen sollen? Das Herz rast. Das ging alles viel zu schnell!

Es ist Samstag, der 9. August, ein herrlicher Sommertag. Keine Wolke zeigt sich am Himmel, und nahezu windstill ist es auch. Es ist einer dieser Abende, an denen man sich einfach darauf freut, draußen zu sein und in die Natur abzutauchen. Mir steht der Sinn nach Entschleunigung, einer Auszeit vom Alltag. Um ca. 19.45 Uhr sitze ich auf der Kanzel an der Langen Linie.

Der Hochsitz steht an einer ca. 250 m­ langen und 60 m breiten Wiese, die linker Hand von einem kleinen Wäldchen und rechts von einer Blühfläche eingerahmt ist. In meinem Rücken befinden sich zudem zwei große Maisschläge, die zum Leidwesen der Revierkasse geradezu magnetisch auf Sauen wirken. Unweit der Kanzel liegt frontal ein großer Naturbau, der auch dieses Jahr wieder von Dachsen bewohnt wird. Die Blattzeit neigt sich langsam ihrem Ende zu, doch in den vergangenen Tagen herrschte noch ­reger Betrieb. Kurzum – der Platz ist gut gewählt, hier kann alles passieren.

Ich richte mich auf der Kanzel ein, lade die Waffe und bereite ganz in Ruhe die mitgebrachte Zigarre vor. Wenig später brennt sie, und ich lehne mich zurück – ein paar Momente Entspannung, genau das war der Plan. Dieses Jahr soll es im Testrevier bis dato mit der Bockjagd nicht so richtig klappen. Auch wenn es sicherlich nicht an reifen Böcken mangelt, wurde bisher erst einer erlegt. Nach dem Sommerurlaub ist heute meine erste Chance, mich aktiv in die Blattjagd einzuschalten.

Ich erinnere mich. Redakteur ­Michael Woisetschläger hatte im ­April im Rahmen der jährlichen Rehwildzählung von diesem Sitz aus ­einem abnormen Bock bestätigt. „Sah fast so aus, als hätte der Bock drei Stangen“, erzählte er im Kreis der Kollegen. Der Abnorme kam vereinzelt auch im Mai und Juni in Anblick, doch danach machte er sich rar.

Der „Drei-Stangen-Bock“ entpuppt sich auch rechtsseitig als Gabler. Auf beiden Seiten sitzt die Vordersprosse sehr tief, ähnlich einer Augsprosse.
Foto: Johannes Ruttmann

Die vermeintliche Gegenwart des Bocks im Hinterkopf, greife ich dann doch zum Blatter – früher als ich wollte, die Versuchung ist einfach zu groß. Ob der Abnorme hier noch immer seinen Einstand hat? Der erste zaghafte Fiep­laut ertönt. Im Gehölz kracht es verheißungsvoll. Beim zweiten Fiep steht er plötzlich mitten auf der Wiese. Auf 60 Meter ist das Stangengewirr fast schon ohne Glas zu erkennen. Etwas ungläubig greife ich zur Waffe. Die Situation wirkt surreal. Sollte der erste Versuch der diesjährigen Blattjagdbemühungen mir tatsächlich gleich eine solche Beute bescheren?

Das Absehen steht auf dem Blatt, die Waffe ist gespannt, doch der Bock wirft auf. Irgendetwas passt ihm nicht, und er wird zunehmend unruhig. Sichtlich empört springt er ab, um Deckung in der nahen Blühfläche zu suchen. Zu meinem großen Glück verhofft er und äugt argwöhnisch in meine Richtung.

Im Knall reißt es den Bock von den Läufen. Aber er wird wieder hoch und verschwindet in dem kleinen Wäldchen hangabwärts. Äste krachen. „Der Bock muss liegen“, denke ich. Sauber abgekommen bin ich, daran besteht eigentlich kein Zweifel. Eigentlich. Ein paar Minuten später stehe ich am Anschuss und finde trotz gründlicher Suche keinerlei Pirschzeichen. Ich gehe zu der Stelle, an der der Bock im Gehölz verschwand. Hier ist Lungenschweiß – Gott sei Dank! Ein paar Meter weiter entdecke ich dann auch schon meine Beute – rot schimmert die Decke im Gegenlicht. Als ich an den Bock herantrete, ist die Freude groß. Der Schuss sitzt gut, und die Stangen des Gehörns wirken genauso verdreht und verkorkst wie die Äste des Schwarzdorns, in dem er seinen Einstand hatte. Einen derartigen Bock habe ich in meinem Leben bisher nicht gesehen, geschweige denn erlegen dürfen. Die rechte Stange ist tief gegabelt. Die linke scheint zurückgesetzt bzw. verkümmert, doch bildet sie nach vorn ein weiteres kurzes, markantes Ende ähnlich einer Augsprosse beim ­Rothirsch.

Wie sich im Nachgang herausstellt, brachte Chefredakteur Heiko Hornung auch Jubiläumsgewinner Carsten Ising einige Tage zuvor an diesen Bock. Doch für einen sicheren Schuss war es da bereits zu dunkel. Film-Redakteur Ingo Tesch gelang es gerade noch, ein paar Filmaufnahmen zu machen (Den kompletten Blattjagd-Film sehen Sie auf PareyGo, pareygo.de). So wurde der Bock also verschiedentlich gesichtet, und ich hatte an diesem Abend das große Glück, ihn zu erlegen – ein wirklich besonderes Jagderlebnis.

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