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Auf Linie bringen – richtig kirren

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RICHTIG KIRREN
Um dauerhaft Erfolg bei der Einzeljagd an der Kirrung zu haben, müssen viele Dinge beachtet werden. Revierjäger Martin Becker zeigt, worauf es ankommt.

Der leuchtende Wintermond steht direkt über der Schneise, die sich durch das raume Fichtenaltholz zieht. Der Reif funkelt als würden tausende Diamanten angeleuchtet. Ein leises Knacken im Bestand lässt den Jäger hellhörig werden. Gespannt schält er sich aus seinem Ansitzsack. Fünf dunkle Wildkörper lösen sich aus dem Schatten und ziehen direkt
auf die Kirrung. Wie eine Ziehharmonika zieht sich die Rotte auseinander. Breit steht eine Sau neben der anderen. Sofort spricht der Waidmann die Stücke als Bache mit vier Frischlingen an. Der Schuss peitscht durch die Nacht. Mit sauberem Treffer liegt einer der Frischlinge auf der Schneise. In manchen Revieren werden mehr Sauen per Einzelabschuss an den Kirrungen erlegt als bei Ernte- oder Drückjagden. Sicherlich liegt das an den verschiedenen jagdlichen Vorlieben der Pächter und ihrer Mitjäger sowie an den unterschiedlichen Revierverhältnissen. Fest steht aber: Gekirrt wird fast überall. Untersuchungen zeigen, dass der Anteil der an Kirrungen erlegten Sauen in den unterschiedlichen Bundesländern zwischen 35 und 50 Prozent von der Gesamtstrecke liegt (ELLIGER 2001, KEULING/STIER 2009, KEULING 2012). Im Jagdjahr 2010/11 wurden laut Abschussstatistik des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) 585 244 Wildsauen
in Deutschland erlegt. Nimmt man den rechnerischen Mittelwert von 42,5 Prozent, dann wären etwa 248 729 Stück an der Kirrung gestreckt worden. Sicherlich ist dieser hohe Abschussanteil in den vielen Vorteile der Kirrjagd gegenüber anderer auf Schwarzwild
angelegten Jagdmethoden begründet, wie beispielsweise Drückjagden: Der Kirrungsansitz kann bei ausreichendem Licht ganzjährig durchgeführt werden – Bewegungsjagden  müssen sich auf den Herbst und Winter beschränken. Selektives Jagen steht bei der Kirrjagd im Vordergrund. Das Wild wechselt den Schützen vertraut an, und der Jäger hat viel Zeit zum Ansprechen. Erfahrungsgemäß werden dadurch mehr passende Stücke erlegt. Zudem verendet das Wild des Öfteren im Knall oder nach kurzer Todesflucht, da nur auf verhoffende und breitstehende Stücke geschossen wird. Das garantiert ein Maximum an Wildbretqualität. In Waldrevieren, in denen das Schwarzwild Standwild ist, erreicht die Strecke einer gut organisierten Intervalljagd mit drei oder vier erfahrenen Sauen-
Jägern und richtiger Kirr-Strategie in einer Woche eine ähnlich hohe Gesamtstrecke
pro Revier wie an einem Drückjagdtag. Aber genau da liegen auch die Nachteile der Kirrjagd. Sie ist zeitintensiver, teurer, und das Wild wird häufiger im Jahr beunruhigt. Denn ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Jede Kirrrunde, jede An- und Abfahrt, jeder Ansitz stellt eine Störung für das Wild dar.

Anlegen und gestalten
Die Kirrung sollte in etwa 50 Metern Entfernung zum Hochsitz angelegt werden. Viele Jäger kirren viel zu nah und machen sich dadurch das Leben unnötig schwer. Einer der Gründe liegt darin, dass der Schütze einen moderaten Schusswinkel nach unten braucht. Je näher die Kirrung vor dem Hochsitz liegt, geht man von einer durchschnittlich hohen Kanzel aus,
desto spitzer wird der Schusswinkel. Bei niedrigen Ansitzeinrichtungen erhöht sich die Gefahr, von misstrauischen Sauen eräugt oder vernommen zu werden. Steht der Hochsitz auf Schrotschussentfernung zur Kirrung, muss beim Zielen von fast allen Hochsitzen der Hintern angehoben werden. Diese Position ist eine körperlich sehr anstrengende Haltung. Schon nach kurzer Zeit fangen die Muskeln an zu zittern. Die Stabilität geht verloren, vor allem wenn bis zur Schussabgabe etwas Zeit vergeht. Ein sicheres Abkommen wird  dadurch unnötig erschwert. Durch den spitzen Winkel wird zusätzlich die Trefferfläche
verkleinert und das Geschoss bekommt einen anderen Schusskanal im Wildkörper.
Für einen tödlichen Treffer muss also der Haltepunkt nach oben korrigiert werden. Daran denken weniger erfahrene Jäger in der Regel nicht. Ein weiterer Grund, die Kirrung
nicht zu nah am Ansitz anzulegen: Steht beim Eintreffen schon eine Rotte auf der Kirrung, ist es dennoch möglich, unbemerkt zu Schuss zu kommen. Der Bodenbewuchs muss niedrig sein oder gegebenenfalls gemäht werden, damit auch kleine Frischlinge und die Striche führender Bachen sofort erkannt werden. Ist der Untergrund – beispielsweise durch
ständiges Brechen der Sauen – sehr dunkel, kann man ihn mit Sand oder Sägemehl
aufhellen. Dadurch wird ein deutlicher Kontrast zwischen den dunklen Schwarzkitteln
und dem hellen Untergrund erreicht. Malbäume, Suhlen und Salzlecken in der Nähe der Kirrung erhöhen deren Attraktivität. Auch wenn der Mais auf der Kirrung wochenlang völlig ignoriert wird, zum Beispiel in ausgeprägten Mastjahren, bleibt sie dadurch weiterhin ein fester Ansteuerungspunkt im Streifgebiet der Sauen. Zusätzlich kann der Jäger anhand der Pirschzeichen an Suhlen und Malbäumen erkennen, mit welchen Stücken er es zu tun hat. So geben Suhlen mit den zurückgelassenen Fährten einen guten Überblick über die  Rottenzusammensetzung und Stärke der einzelnen Stücke. Mithilfe einer Harke wird die Suhle bei Bedarf gesäubert und die alten Fährten einfach weggeharkt, um sich ein neues
Bild von den nächsten Sauen zu machen. Zu den Suhlen gehören immer automatisch
Malbäume. Durch die unterschiedlichen Höhen der verschiedenen Schubberstellen,
Rindenbeschädigungen durch das Gewaff von Keilern und klebengebliebenen Borsten geben die Wildsauen ihre „Visitenkarte“ an den Bäumen ab. Buchenholzteer an den Malbäumen erhöht bekanntlich deren Anziehungskraft. Zusätzlich werden Kirrungen mit einer
Salzlecke aufgewertet. Dafür wird ein etwa 15 Zentimeter starkes Bäumchen in entsprechender Höhe gekappt. Andere Salzlecken drücken die Sauen oft einfach um
oder buddeln sie aus. Auf langen Schneisen, Wildäckern oder Waldrändern lohnt es sich, die Salzlecken immer auf 100 Meter aufzustellen. Dadurch hilft man Gastjägern beim Schätzen der Entfernung.

Kirrungsrunden
Es hat sich bewährt, feste Kirrungsrunden zur gleichen Uhrzeit mit dem gleichen Fahrzeug zu fahren, damit ein Gewöhnungseffekt beim Wild eintritt. Dabei sollte vermieden werden, an oder durch die Ruheplätze der Schwarzkittel zu fahren oder zu laufen. Umwege sichern die Beute, denn Ruhezonen bringen den Jagderfolg, nicht die Kirrungen! Ruhezonen ermöglichen, dass Sauen nach dem Schuss auf der Kirrung nicht dauerhaft vergrämt werden. Sie werden nur auf einer Kirrung gestört, nicht aber an oder in ihrem Ruhebereich. In der Regel flüchten die Sauen nach dem Schuss erst einmal zurück in ihren ungestörten
Einstand und fühlen sich dort wieder völlig sicher. Von dort aus starten sie am nächsten Abend einen neuen Ausflug zur nächsten Kirrung. Deshalb dürfen die Schwarzkittel nicht – auch nicht bei den Kirrrunden – in ihren Einständen gestört werden. Beim Kirren selbst wird das Auto in einiger Entfernung immer an derselben Stelle abgestellt. Der Motor sollte dabei
weiterlaufen. Das Wild kann den Jäger dadurch stets orten und wird nicht von ihm überrascht, was eine Flucht zur Folge hätte. Trotzdem werden keine Autotüren zugeknallt oder anderer unnötiger Radau veranstaltet. Kommt bei der Kirrfahrt Wild in Anblick, darf niemals mit dem Auto angehalten werden, um es zu beobachten, anzusprechen oder aus der Nähe des Fahrzeugs zu schießen. Verbindet es nur einmal Auto – Mensch – Gefahr, werden die Kirrungen für lange Zeit gemieden. Bei Wildbegegnungen also immer mit
derselben Geschwindigkeit, gleichmäßig und ruhig weiterfahren. Steht ein kalter
Ansitz bevor, kann die Kirrfahrt dafür genutzt werden, sperrige Ausrüstung, wie Decken oder Ansitzsack, vorzeitig auf dem Hochsitz zu deponieren.

Kirren in einer Linie
Wo es gesetzlich erlaubt ist, nutzen viele Jäger Pendeltonnen oder Kirrtrommeln zum Anlocken der Schwarzkittel. Allerdings haben diese Einrichtungen entscheidende Nachteile: Bei schlechtem Wetter klumpt der Mais schnell zusammen und schimmelt. Ebenso kann auch anderes Schalenwild die Trommeln leeren. Aber der wohl wichtigste Grund, weshalb diese Geräte nur an unbejagten Zentralkirrungen, um Wildschaden vorzubeugen, eingesetzt werden sollten:

Die Sauen stehen immer auf einem Haufen, und in der Regel besteht nur selten Gelegenheit zu einem waidgerechten Schuss, da kein Stück freisteht. Abhilfe bringt das „Linienkirren“. Dazu wird das Kirrgut – entweder in Kisten oder mit Steinplatten abgedeckt – in mehreren Stationen in einer Reihe im rechten Winkel zum Hochsitz ausgebracht.
Die einzelnen Kirrpunkte sollten den gleichen Abstand zueinander haben. Je mehr Kirrstellen nebeneinander liegen, desto besser. Stattet eine Rotte der Kirrung einen Besuch ab, zieht sie sich in der Regel sofort auseinander. Die Sauen stehen immer in einer Ebene nebeneinander. Das gewährleistet ein sicheres Erkennen der Rottenstruktur, weil
durch die gleichen Abstände der Kirrpunkte ein perfekter Größenvergleich möglich ist.
Zudem erleichtert das Kirren in einer Linie das Schießen. Die ausgesuchte Sau steht fast immer breit, da sie nur von rechts nach links oder von links nach rechts zieht, eben auf einer Linie von Kirrplatte zu Kirrplatte – immer rechtwinklig und „zweidimensional“ vor dem
Hochsitz her. Bei der Schussabgabe werden in der Regel keine Rottenmitglieder durch Geschosssplitter gefährdet. Dem Jagderfolg steht also im Wortsinne „nichts im Wege“.

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