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Bodenjagd auf Dachse – Springt er?

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Die deutliche Zunahme des Dachses stellt für manche Bodenjäger ein Problem dar – für andere wiederum eine Herausforderung. Was ist nun dran am „Dachssprengen“ und „Einschlagen“? – Markus Wörmann

Wie bekomme ich meinen Hund dachsrein?“, war früher eine der häufigsten Fragen von Teckel- und Terrierbesitzern, wenn sie vor der Einarbeitung ihres Erdhundes standen. Viele „Hausmittelchen“ sollten helfen, dass der kleine Racker auch nur den Fuchs annahm und Grimbart am besten ganz verschmähte. Das Wort „Dachs“ wird scheinbar unausweichlich mit Verletzungen oder sogar dem Verlust des Hundes gleichgesetzt. Glaubt man in letzter Zeit so manch veröffentlichten Meinungen in der Fachpresse, ist das „Sprengen“ des nachtaktiven Räubers eigentlich gar kein Problem.

Teckel mit Dachs
Foto: Karl-Heinz Volkmar

„Vergessen Sie es“, hält Frank Joisten, Teckelführer aus Mecklenburg-Vorpommern, dagegen. Der Berufssoldat ist mit bis zu fünf Hunden in der Bodenjagdsaison zwischen Rostock und der polnischen Grenze sowie auf Rügen und Usedom unterwegs. Dabei hat er nach eigenem Bekunden eines gelernt: „Füchse springen, Marderhunde und Dachse eigentlich nie!“ Jährlich erbeutet der 45-Jährige etwa acht bis zehn Grimbärte bei der Bodenjagd. Sein Fazit ist ernüchternd: „Wenn ein Dachs einmal wirklich vom Teckel gesprengt wird, muss es erstens ein guter Hund sein, und zweitens der Dachs aus Versehen die falsche Abzweigung genommen haben.“

Dass der Burgherr in voller Absicht seine sichere Festungverlässt, um dem lästigen Teckel oder Terrier zu entgehen, hält er für ein Märchen. Diese Ansicht vertrat auch schon Almeister Rudolf Frieß: „Der Dachs aber ist ein Steher, und auch der auf Dachs brauchbare Hund muss Steher sein.“ Sein Buch „Bodenjagd“ (Jagd- und Kulturverlagsanstalt) gewinnt heute, mehr als 60 Jahre nach seinem Erscheinen, wieder an praktischer Aktualität. Grund sind die steigenden Besätze Schmalzmanns im gesamten Bundesgebiet, die sich zumindest teilweise in den Jahresstrecken widerspiegeln: Wurden im Jagdjahr 1993/94 noch knapp unter 20 000 erlegte Dachse registriert,

Beim Abspüren des sandigen Bodens vor einem Bau lässt sich erahnen, ob Fuchs, Dachs oderMarderhund zu Hause sind. Letzte Gewissheit bringt nur der Einsatz des Erdhundes. Foto: Werner Nagel

so waren es zehn Jahre später schon fast 53 000. Der wirkliche Besatz dürfte dagegen proportional höher gestiegen sein, als die Bemühungen der Jägerschaft es erkennen lassen. Denn sein „natürlicher“ Feind, die Tollwut, stellt nach Impfaktionen und intensiver Fuchsbejagung für Grimbart keine nennenswerte Gefahr mehr dar. Der Verkehr hat der tödlichen Krankheit den Rangabgelaufen – wenn auch längst nicht solche Verluste auf der Straße zu verzeichnen sind, wie durch die Tollwut-Epidemien Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre. Die vorwiegend nachtaktiven Räuber erobern Regionen zurück, in denen sie lange Zeit als ausgerottet galten.

Dabei kennen die Revierinhaber oft nicht einmal die Anzahl der vorhandenen Grimbärte. Diese im Bau anzutreffen, wird immer wahrscheinlicher. Jetzt wäre es doch ein Einfaches, nur die Baue zu bejagen, in denen der Fuchs sitzt, und die Dachsburgen in Ruhe zu lassen. „Das ist absolute Theorie“, erklärt Frank Joisten. Selbst in einer sandigen Region wie Mecklenburg-Vorpommern würden sich zwar Trittsiegel gut in den Bodeneindrücken, was am Baujagdtag aber tatsächlich steckt, lässt sich erst am Abendsagen. Hundertprozentige Sicherheit würde das Abspüren rund um die Bauanlage nicht bringen. Anhand der Größe der Einfahrten auf die eine oder andere Art zu schließen, sei ebenso unpräzise, da Dachs und Marderhund sowie Dachs und Fuchs sich unter Umständen größere unterirdische Behausungen teilten.

Fuchs und Marderhundstecken dagegen normalerweise nicht in ei-nem Bau. Überlegungen, den Dachs zu schonen, würden außerdem an der jagdlichen Praxis vorbeigehen. „Wenn wir jeden Bau, in dem auch nur annähernd ein Dachs sein könnte, auslassen, würden wir viele Chancenvergeben“, erläutert der passionierte Bodenjäger. Joisten und seine Teckelkollegen leben also damit, dass sie bei mehr als der Hälfte der Baue einen Einschlag machen müssen, sei es wegen Grimbart oder Marderhund. Er warnt deshalb davor, Bodenjagd zu betreiben,

wenn man körperlich nicht in der Lage ist, ein tiefes Loch auszuheben. „Werden Hund ansetzt, sollte die Sache auch zu Ende bringen“, stellt der 45-Jährige klar. Etwa eine Viertelstunde nach dem Einschliefen beginnt der Bodenjäger, den Hund anzupeilen. Bis dahin hat ein eventuell steckender Fuchs die Möglichkeit zuspringen. Moderne Telemetriegeräte zeigen den exakten Standort des Erdhundes an. Sie orten bis zu 50 Meter ins Erdreich hinein. „So tief ist natürlich kein Bau“, gibt der Bodenjäger zu verstehen.

Teckel und Terrier treffen in Bauen immer häufiger auf Grimbart. Dabei ist keine Rasse der anderen vorzuziehen. Auf den einzelnen Hund und sein Eigenschaften kommt es an. Foto: Werner Nagel

Es wird immer nur ein Teckel angesetzt, da sich zwei Hunde unter Umständen in der Enge der Röhre gegenseitig behindern oder sogar gefährden. Der Einschlag wird direkt über dem Hund oder kurz dahintergesetzt. „In Feldbauen ist es manchmal nur ein halber Meter bis zum Teckel“, erklärt der Berufssoldat. Er habe sich aber auch schon mal mehr als zwei Meter auf den Hund gegraben. Da er nie genau weiß, wie tief es geht, schafft Joisten sich von Anfang an genügend Platz, um sich später im Einschlag auch bewegen zu können. Ist die Röhre geöffnet, schiebt er mit einem Spaten den Dachs von seinem vorliegenden Teckel ab und nimmt ihn aus dem Bau. Grimbart verharrt meist in seiner (End-)Röhre, bevor der Teckelführer ihm mit der Kurzwaffe den Fangschuss anträgt. Im Gegensatz zu Bodenjägern in anderen Regionen, baut Frank Joisten die Röhren nicht wieder auf, indem er sie mit Ästen oder sonstigem Material überbrückt. Nach seiner Einschätzung könnte eine solche Konstruktion zusammenbrechen und der leichte, aufgefüllte Sand immer wieder nachrutschen. Stattdessen verfestigt er den Erdaushub im Einschlag soweit dies möglich ist. „Dachs und Fuchs graben die Röhren meist in ein paar Tagen wieder auf“, ist seine Erfahrung. Es sei dann ein ganz natürlicher Bau mit „einsturzsicheren“ Gängen, in der man getrost wiederden Hund einschliefen lassen könnte. Dadurch den Einschlag nicht der gesamteBau, sondern nur eine Röhre „zerstört“werde, nimmt das Wild die Höhlen auch recht schnell wieder an.

„Vor zwei Jahren habe ich aus einem Bau innerhalb von sechs Wochen und im Abstand von jeweils 14 Tagen zuerst zwei Dachse, dann zwei Marderhunde und später noch einen weiteren Dachs gegraben“, erzählt Frank Joisten. Das Ganze hört sich nicht nur aufwändig an, es kostet in der Praxis auch viel Zeit. „Die Bejagung des Dachses in seiner natürlichen Behausung ist nicht zu vergleichen mit dem Kontrollieren von Kunstbauen, in denen größtenteils Füchse stecken“, gibt der Wahl-Mecklenburger zu bedenken. In einer Region mit hohen Dachs- und Marderhundbesätzen lebe man einfach mit der Gewissheit, dass in den meisten Fällen gegraben werden muss.

Frank Joisten beim Dachsgraben: Eine anstrengende, aber zugleich befriedigende Arbeit, wenn Grimbart zur Strecke kommt. Foto: Frank Josten

Dann schaffe man an einem Wintertag eben „nur“ einen Bau, und hat meist einen Dachs oder zwei Marderhunde liegen. Seine jährlichen Streckenfallen daher nicht so üppig aus wie bei so manchem Bodenjäger in einem reinen„Fuchsrevier“. Durchschnittlich 30 Kreaturen verbucht er in einer Saison, im letzten Winter waren es sogar 40, mit einem wachsenden Anteil an Marderhunden. Vorher bildeten Fuchs, Dachs und besagter Zuwanderer zu je einem Drittel die Strecke. Dabei dürfen sich die Jäger in Mecklenburg-Vorpommern glücklich schätzen, dass dort die drei großen Raubwildarten ganzjährig bejagt werden können – unter Beachtung der Elterntierregelung.

In allen anderen Bundesländern wird der Dachs zum Beginn der Bodenjagd saison im November bereits wieder geschont. Die „Graberei“ tut Joistens Bodenjagdpassion keinen Abbruch. Der gebürtige Rheinländer hat sich Anfang der 90er Jahre als Bundeswehrsoldat in die Region versetzen lassen – gerade wegen der Möglichkeit, mit seinen Teckeln zu arbeiten. Inzwischen sind es fünf, die er für die Jagd, aber auch zur Zucht einsetzt. Mit „Fliege vom Gesselner Feld“ besitzen Frank Joisten und seine Frau Ulrike in ihrem Zwinger „vom Oderhaff“ einen Zwergrauhaarteckel, der den Titel „Internationaler Arbeitschampion“ tragen darf – eine der höchsten Auszeichnungen unter Teckelleuten, und bei „Zwergen“ obendrein eine Seltenheit. Gute Erdhunde sind das A und O bei der Bodenjagd. Dass solche aus einer jagdlichen Leistungszucht stammen müssen, ist für Frank Joisten als Vorsitzender der Gruppe Torgelow im Deutschen Teckelklub (DTK) überhaupt keine Frage. Die Eigenschaften eines Teckels für die Dachsbejagung lassen sich vielleicht mit dem Ausdruck „angemessene Wildschärfe“ umschreiben, meint er. Die Hunde dürften nicht so rabiat sein, dass sie ständig den Kontakt mit Grimbart suchen.

Im Gegensatz dazu sollte der Höhlenbewohner auch nie das Gefühl haben, dass vor ihm nur ein Kläffer liegt, von dem keine Gefahr ausgeht. Er muss Schmalzmann also auch schon mal zwicken, um seine Entschlossenheit zu demonstrieren. Dabei sollte der Erdhund immer wissen, wo das „ungefährliche Ende“ beim Raubwild ist. Das Vorliegen und anhaltende Verbellen des Dachses erfordern eine Menge Kondition von den mutigen Kerlen, weiß der Teckelführer. Springer-Typen sind also weniger gefragt. Der Hund muss seinen Kontrahenten solange binden, bis der Einschlag zu ihm durchgedrungen ist – und das kann schon mal zwei Stunden dauern.

Lässt der Erdhund vorher ab, stellt sich der Dachs in den unterirdischen Gängen sofort um und verklüftet sich. Hier besteht eigentlich die größte Gefahr bei der Bodenjagd, wenn der Hund versucht, dem Dachs hinterher zugraben. Dann kann es passieren, dass er selbst die Röhre hinter sich verschließt, während der Dachs vor dem Hund alles dicht macht, da dieser vielschneller gräbt. Irgendwann geht dem Hund dann die Luft aus. Man vernimmt keinen Laut mehr, und ohne einen Bauhundsender ist das Schicksal des Hundes vielleicht besiegelt, weil man nicht zielgerichtet genug einschlagen kann.

Frank Joisten erklärt, woran man merken kann, dass der Dachs sich verklüftet,und was zu tun ist: „Mit dem Sender ist immer noch festzustellen, dass der Hund vorliegt. Aber er gibt keinen oder nur noch gelegentlich Laut. Wenn man nun die Röhre öffnet, ist dort nur der Hund vorhanden, der hoffentlich durch sein Graben anzeigt,in welche Richtung Grimbart geflüchtet ist. Wenn der Hund dieses nicht macht, nimmt man ihn ab und säubert den Einschlag. Nun steche ich mit einem trockenen Ast in die Wände des Einschlages, bis ich eine weichere Stelle ausmachen kann. Hier sitzt dann der Dachs – häufig nur hinter einem Erdverschluss von 50 Zentimetern.“

Dass gleich zwei Schmalzmänner an einem Bodenjagdtag erbeutet werden, ist für Joistenund seine Rauhaarteckel eher eine Ausnahme – meistens ist es nur ein Exemplar. Foto: Frank Joisten

Der Teckelführer weiß aus der Praxis, dass unerfahrene Bodenjäger ihre stummen Hunde in den Einschlägen abnehmen, weil sie meinen der Dachs sei weg. „Dabei sitzt er häufig viel näher, als die meisten glauben“, verrät er. In Durchlässen unter den Ackereinfahrten beobachtete Frank Joisten, wie die Gegner sich beharken. „Etwa auf einer Distanz von einem halben bis einem Meter lagen sie hintereinander. Immer, wenn der Dachs versucht hat, sich zu entfernen, hat der Teckel ihn kurz in die Schwarte gegriffen, worauf sich der Dachs wieder umdrehte und einen Scheinangriff startete“, schildert der Bodenjäger. Dieses Schauspiel habe sich mehrfach wiederholt. Der Teckelzwang Grimbart dazu, ihm den Fang entgegenzuhalten. So hätte der Dachs im Naturbau keine Chance gehabt, Sand zwischen sich und den Teckel zu schaufeln. Von den Schauermärchen, dass der Erdmarder die Hunde böse zurichte, hält er gar nichts. Dachse seien gegenüber Hunden nicht aggressiv. „Wenn überhaupt, holen sich die Teckel ihre Verletzungen zu 99 Prozent beim Fuchs“, berichtet Joisten. Reineke würde, da er den Drang habe, aus dem Bau zu flüchten, offensiv den Hundattackieren. Was auch dafür spricht, warum der Fuchs leichter zu sprengen ist. „Dadurch kommen hin und wieder die Fang-in-Fang-Situationen zustande, die natürlich am Kopf des Hundes ihre Spuren hinterlassen, was immer gleich spektakulär aussieht“, berichtet der Teckelführer. Der Dachs dagegen – als echter Höhlenbewohner – versucht, dem Gegner im Bauzu entkommen. Der nachtaktive Räuber weiß , dass er am Tage außerhalb seiner Behausung dem Gegner unterlegen ist, denn Frank Joisten glaubt, dass Dachse den Hunden nur dann Verletzungen beibringen, wenn letztere aufgrund eines zugroßen Brustumfangs nicht zurückweichen können oder zu scharf rangingen. Dabei sei dies vollkommen unnötig, denn halten könnte selbst ein zehn Kilogrammschwerer Terrier einen ausgewachsenen Dachsrüden von beispielsweise 16 Kilogramm Lebendgewicht nur wenige Minuten. Spätestens danach hätte sich der „Schwergewichtsringer Dachs“ aus dem Griff des Hundes befreit. Und auch das ändere nichts an der Tatsache, dass man einen Einschlag machen müsste. Deshalb ist Frank Joisten ein Erdhund mit geringem Brustumfang, der mit ausdauerndem Mut Grimbart in der Endröhre beschäftigt, lieber, als ein forscher Bursche, der mehr beim Tierarzt ist als auf der Jagd. Auch wenn Teckelführer Joisten es schon selbst erlebthat, dass Dachse „springen“, hält er es weiterhin für eine absolute Ausnahme. „Man sollte nur dort auf Dachs gehen, wo man auch graben kann“, gibt der Mecklenburger zu verstehen. Und allen Bodenjägern außerhalb desnordöstlichen Bundeslandes kann man nur einen Teckel wünschen, der den Dachs verschmäht. So etwas ist aber kaum einzuüben, sondern mehr ein Glücksfall, mit nicht hoch genug einzuschätzenden Vorteilen: Man spart an den kurzen Wintertagen viel Zeit und kommt nicht mit der Schonzeitenverordnung in Konflikt.


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