Ihre Verbreitung belegt es: Sie sind Symphatieträger, die universell einsetzbaren Jagdgebrauchshunde mit dem energischen Gesichtsausdruck und der rauhen Jacke.
Henning Bergmann
Deutsch-Drahthaar – eine Idee stand zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Anfang dieser vielseitigen Jagdgebrauchshundrasse. Es war die Idee von einem jagdlichen Universalhund, unempfindlich gegen Witterung, passioniert, pflegeleicht und anhänglich. Obwohl sich vor
allem durch Gründung der Deligierten-Commission im Jahr 1879, die einen Kennzeichen-Katalog für die einzelnen Rassen aufgestellt hatte, die Reinzucht durchzusetzen begann, war das äußere Erscheinungsbild nicht der Ausgangspunkt der Drahthaar-Bewegung. Stattdessen wurde mit Hunden gezüchtet, die sich im praktischen Jagdbetrieb besonders bewährt hatten. Jagdhunde mit rauhem Haar gab es zu dieser Zeit bereits unter verschiedenen Rasse-Bezeichnungen wie Griffon, Pudelpointer und Stichelhaar. Sie alle haben genau wie ihre Verwandten in anderen Ländern Europas wohl ihren Ursprung in den
rauhhaarigen Hütehunden des Mittelalters, deren Blut sich in Schafpudel und Wasserhund wiederfindet und deren Vorkommen ab dem 16. Jahrhundert in Wort und Bild bezeugt ist:
„Bei den Hunde-Racen ist eine vorzügliche Neigung zu Schwimmen und Waden im Wasser
oder Sumpf angeboren, die dichte Haarkleidung neben der sie umgebenen Fetthaut machen sie unempfindlich gegen Nässe und Kälte. Bemerkenswerth ist: daß Blendlinge vom Pudel und dem Hühnerhunde vortrefflich einschlagen indem sie die Tugenden beider Gattungen zu vereinen pflegen.“ (W. F. Freiherr v. d. Borch, Sylvan, Jahrbuch für Forstmänner, Jäger und Jagdfreunde, 1825/26) Da ist er bereits, der Ansatz, die Leistung
im Jagdbetrieb zur Maxime der Zucht zu machen. Mit der zunehmenden Bedeutung
des Bürgertums in der Jägerschaft Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch der Ruf nach
einer vielseitigen Leistungsfähigkeit der Jagdgebrauchshunde lauter. Waren an den Fürsten- und Jägerhöfen bisher noch für jede jagdliche Aufgabe Spezialisten gehalten
worden, so waren diese Möglichkeiten nach der Revolution von 1848 häufig nicht
mehr gegeben, und das Interesse an vielseitigen Jagdhunden für sämtliche Arbeiten
sowohl vor als auch nach dem Schuss wuchs. „Eine andere, wie es mir scheint, von den
Jägern zu wenig beachtete und gewürdigte Race ist der rauh- oder stachelhaarige Hühnerhund, den Döbel Barbet nennt, in Frankreich unter dem Namen Griffon bekannt und von den Engländern the russian pointer genannt. Auch er kommt bei uns nur selten in reinen Exemplaren vor und ist nicht schön, hat aber die vortrefflichsten Eigenschaften.
Er ist im höchsten Grade unverdrossen, derb und ausdauernd, stets vergnügt und muthig,
apportiert gern und arbeitet im Wasser mit einer merkwürdigen Passion; daher ist er vorzüglich solchen Jägern, welche große Wasserjagden haben, eine willkommene Erscheinung, und vielleicht die brauchbarste Race für den Küchenjäger. Da seine Nase indessen nicht so fein ist, wie die der Setter, so ließen sich gewiß durch Paarung einer stachelhaarigen Hündin mit einem Setter außerordentlich gute Hunde erzielen“ (Ziegler in: „Federwildjagd“, Anfang des 19. Jahrhunderts). Hegewald – wie sich der Freiherr v.Zedlitz und Neukirch als Jagdschriftsteller und Rüdemann nannte – kreuzte Pudel und Pointer, um den gewünschten vielseitigen Jagdhund mit rauhem Haar zu züchten. „Die Idee, den intelligenten, gelehrigen, dressurfähigen, frühreifen, apportierfrohen Pudel im Interesse der praktischen Jägerei für Gebrauchszwecke züchterisch auszunutzen, ist keineswegs von mir ausgegangen. In Italien waren es lange vor mir die Italiener bei erfolgreicher Züchtung der Spinone, in Frankreich die Franzosen bei Züchtung ihrer verschiedenen Barbets und Griffons und im eigenen Vaterland unsere hirschgerechten Altmeister – an erster Stelle die beiden Klassiker Flemming und Döbel. Diesen Autoritäten und ihren Zeitgenossen gebührt allein das Verdienst, zuerst aus Pudelblut den berühmten polnischen Wasserhund
geschaffen zu haben.“ Mit diesen Worten versuchte Hegewald 1887 seinen Einfluss auf die Züchtung drahthaariger Jagdgebrauchshunde zu relativieren. Aber der Keim der Idee, die bis heute die Zucht des Deutsch-Drahthaar und deren Leitsatz „durch Leistung zum
Typ“ bestimmt, geht zweifelsohne auf den Altmeister zurück: „Ich ließ die Pudelpointer-
Idee nicht nur nicht fallen, sondern stehe im Gegensatz derselben, welche diese durch den Verein Drahthaar erfahren hat, sympathisch gegenüber.“ 1902 finden sich im „Verein Drahthaar“ einige wenige Gleichgesinnte zusammen und formulieren ihr Ziel, der Jägerschaft genügend brauchbare Jagdhunde mit harter, wetterfester Behaarung an die Hand zu geben. Und nun sind wir endlich am Beginn der Rasse Deutsch-Drahthaar (DD)
angelangt, die gerade dieses zuerst nicht sein wollte, eine neue Rasse! Vielmehr sollte
„die zerfahrene Rauhhaarzucht in einheitliche Bahnen“ (Mitteilungen des Vereins
Deutsch-Drahthaar, 1905) gelenkt werden. Im Lauf der Zeit ergab sich dann allerdings durch den großen Erfolg des auf Leistung basierenden Konzepts die Rasse Deutsch-Drahthaar. Außer Hunden aus den bereits erwähnten älteren, rauhhaarigen Rassen wurde vor allem zur Verbesserung der Leistung im Feld auch Blut von Deutsch-Kurzhaar zugeführt. Getreu der Idee, der die Rasse ihre Entstehung verdankt, ist der DD ein universell einsetzbarer Vorstehhund: Im Feld sucht er weiträumig das Wild und zeigt es seinem Führer durch Vorstehen an. Krankes Wild sucht er nach und apportiert es. In Wald
und Wasser treibt er dem Jäger durch Stöbern das Wild zu oder macht es hoch. Insbesondere seine Fähigkeiten als Verlorenbringer zeichnen ihn aus: Er verfolgt krankes
Wild ausdauernd und kompromisslos. Er erlöst es von unnötigen Qualen und ermöglicht
damit eine tierschutzkonforme, waidgerechte Jagdausübung. Schon in der Zucht wird auf diese Eigenschaft besonderer Wert gelegt, Folgedrang und Spursicherheit gehören zu den wichtigen genetischen Merkmalen, die den DD als Hund der Folge auszeichnen. Deshalb kann er bei entsprechender Einarbeitung auch auf der Schweißfährte beachtliches vollbringen und so manches „Waidmannsheil“, das dem Jäger am gestreckten Wild überbracht wird, gilt auch seinem vierläufigen, drahthaarigen Jagdhelfer. Der vielseitige Arbeitseinsatz erfordert einen intelligenten, geistig beweglichen Hund, der sich schnell auf wechselnde Anforderungen einstellen kann. Neben der ausgeprägten Jagdpassion ist ein ausgeglichenes, ruhiges Wesen erforderlich, das den Hund befähigt, bei schwierigen Aufgaben mit Ruhe und Konzentration zu arbeiten. Nach „Dienstschluss“ ist es sein
angenehmer Charakter, der den DD zum anspruchslosen Hausgenossen macht, der
auch im Zwinger gut zu halten ist. Er ist wachsam, aber frei von Aggression gegen
Artgenossen und Menschen; schnell wird er zum Liebling der Kinder und deren treuer
Freund. Aber auch wenn ihn die ganze Familie bald ins Herz schließt, darf man nicht vergessen, der DD wird vom Jäger für den Jäger gezüchtet! Der Einsatz im Jagdbetrieb
ist Bestandteil seiner artgerechten Haltung und wie jeder echte Arbeitshund braucht er eine fachgerechte Ausbildung und konsequente Führung. Dann arbeitet er gern mit seinem Herrn zusammen und zeigt sich ausgesprochen führig. Für seine Aufgaben im Jagdbetrieb muss der DD robust und gesund sein. Er ist mittelgroß und muskulös, seine Anatomie soll
kraftvolles und ausdauerndes Arbeiten ermöglichen; körperliche Ermüdung würde
die Leistungsfähigkeit mindern. Die „drahtige“, eng anliegende Behaarung bietet Schutz vor äußeren Einflüssen, wie Witterung, Schilf und Dornen. Das äußere Erscheinungsbild, der
„Typ“, der sich im Gefolge der Leistungszucht herausgebildet hat, wird neben dem
quadratischen Körperbau vor allem durch den ausdrucksstarken Kopf mit deutlichen
Augenbrauen und ausgeprägtem Bart bestimmt. Er verleiht dem DD einen energischen
Gesichtausdruck. Die Fellfarbe des Deutsch-Drahthaar soll, wie es für den jagdlichen Gebrauch zweckmäßig ist, unauffällig sein. Die meisten DD werden als Braunschimmel gezüchtet. Aber auch der Zucht von einfarbig braunen Hunden, die es mit und ohne
Brustfleck gibt, und von Schwarzschimmeln hat sich ein fester Züchterstamm verschrieben. Die Elterntiere vererben die Fellfarbe an die Welpen, allerdings heißt das
nicht, dass die Farbe von Eltern und Welpen gleich sein muss. Zwei Faktoren spielen
bei der Vererbung eine Rolle: die Farben braun oder schwarz und die Zeichnung
Schimmel oder einfarbig. Zu diesen Faktoren bekommen die Welpen von Vater und Mutter jeweils eine Erbinformation, ein Allel. Braun kann ein DD nur sein, wenn er von beiden Eltern das Farballel „braun“ erhält, ebenso müssen Schimmel zwei gleiche Allele besitzen. Die Erbinformationen „schwarz“ und „einfarbig“ überlagern die anderen Allele. Folglich
können einfarbig braune DD neben zwei Allelen für „braun“ eins für „einfarbig“ und
eins für „Schimmel“ besitzen. Die Dominanz der Einfarbigkeit bestimmt das Aussehen. Ähnlich ist es bei Schwarzschimmeln, die immer einer Paarung eines Braunschimmels
mit einem Schwarzschimmel entspringen: Das Allel mit der Information „schwarz“ überdeckt die Information „braun“. Also nicht wundern, wenn aus zwei einfarbig braunen Hunden Braunschimmelwelpen hervorgehen. In ihnen haben sich die beiden überdeckten
Schimmelallele der Eltern zusammengefunden. Jeder kann sich den DD in der Farbe aussuchen, die ihm am besten gefällt. Er bekommt unabhängig von der Farbe einen
Jagdhund mit schützender und wetterfester Behaarung. Der „Verein Deutsch-Drahthaar e.V.“ (VDD) ist für die Zucht des DD verantwortlich. Gegliedert in 34 regionale Gruppen
berät und unterstützt er die Züchter vor Ort, betreut die Welpenkäufer und veranstaltet
die für die Zuchtauswahl wichtigen Zuchtprüfungen. Einmal jährlich findet die „Hegewald-Zuchtprüfung“ als zentrale Zuchtausleseprüfung des gesamten Vereins statt. Es handelt sich um eine Herbstzuchtprüfung (HZP), die – dem Zuchtziel als Hund der Folge entsprechend – auf der Hasenspur abgehalten wird. Alljährlich werden auf der Hegewald etwa 200 ausgewählte Hunde geprüft, was fünf bis sieben Prozent der im vorangegangenen Jahr gewölften Welpen entspricht. Im Deutsch-Drahthaar-Weltverband haben sich die Drahthaar-Klubs und -Vereine zusammengeschlossen, die die Rasse aufgrund der im
Mutterland gewonnenen Erfahrungen fördern. Damit wird verhindert, dass das jagdliche
Potenzial eingeschränkt oder gar einer auf Schönheit ausgerichteten Zucht geopfert
wird. So gehen von der deutschen DD-Zucht weltweite Impulse zur Leistungsüberprüfung
und Zuchtauswahl aus. Es ist erstaunlich, dass dieses Konzept hervorragende Ergebnisse
in der Jagdpraxis der einzelnen Länder bringt – auch wenn diese von deutschen Jagdbedingungen stark abweichen.