Zum 125. Jubiläum von WILD UND HUND verloste die Redaktion einen Bockabschuss im Testrevier. Anfang August reiste der Gewinner Carsten Ising an. Alles begann hoffnungsfroh, doch wehe dem, der sein Glück herausfordert.
Heiko Hornung
Glücklicher Erleger eines alten Bockes: Carsten Ising
Foto: Tobias Thimm
Kaum hatten zwei Fiep-Serien den Blatter von Markus Deutsch verlassen, als es in der Buchenverjüngung des Himmelswaldes rauschte. Keine 30 Schritt vom Drückjagdbock entfernt, auf dem sich der frisch angereiste Jagdgast mit Jagdführer Deutsch und Filmer Lukas Braunroth postiert hatten, fegte ein braver Sechser. Er rollte mit den Lichtern und wechselte nach seiner eifrigen Reviermarkierung direkt auf den Blattjagdstand zu. Zwei Meter davor schwante ihm der Schwindel, und schreckend sprang er ab. Zuvor hätte die Zeit mehr als einmal gereicht, den Sechser mit den guten Rosen, der später in der ausgehenden Blattzeit auch noch fiel, zu erlegen. Der Gewinner des Bockabschusses im WILD UND HUND-Testrevier schien trotzdem glücklich: „Was für ein Erlebnis“, sagte Ising. „Wenn auch jetzt nichts mehr kommt, so etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Wie wahr dieser Satz wurde, zeigten die nächsten Tage. Am Morgen sollte ich den Gast führen. Dazu wählte ich im ersten Licht einen Stand im Feld, am Ortsausgang. Dort, zwischen Hecken und Maisschlägen, hatte Tage zuvor ein interessanter, abnormer Bock eine Geiß getrieben. Ihn sollte mein Blatter verführen. Doch die Bühne blieb leer. Nur ein Fuchs schnürte am Maisrand außerhalb der Schussweite.
Als es richtig hell war, wechselte die Blattjagd-Truppe den Platz. Am Grenzholz dann die Überraschung: In den Weizenstoppeln dort saß, von der Brunft ermattet, ein gut aufhabender Sechser. Schnell gewendet, das Auto versteckt und mit halben Wind ran an den Bock. Er war 250 m entfernt. Der Blatter sollte ihn näherbringen. Auf meine Töne hin flemte der Bock und wechselte an. Doch kurz bevor er nahe genug für einen sicheren Schuss war, drehte der Wind. Der Bock warf auf und sprang ab. Weiteres Blatten sinnlos.
Am Abend suchten wir an heimlichen Stellen auf der Weiseler Höhe das Jagdglück. Ich platzierte Gast und Kameramann Ingo Tesch auf einem Drückjagdbock am Rande einer Pflanzung mit Hochwald im Rücken und blattete am Fuß des Drückjagdbockes. Nach einer Dreiviertelstunde schob sich von hinten ein braver Sechser klammheimlich gedeckt durch einige umgefallene Buchen an den Blattstand heran. Eine falsche Bewegung des Gastes oben, und schreckend sprang er ab.
Das gleiche Spiel wiederholte sich am nächsten Stand. Der Verzweiflung nah, fuhr ich aus dem Revier und passiert dabei die Stelle, an der am Morgen der Versuch stattgefunden hatte, den abnormen Drei-Stangen-Bock zu betören. Wer stand natürlich pritschelbreit auf 60 Meter vor dem Schirm? Der Drei-Stangen-Bock. Zwar gelang es dem Jagdgast noch, über einen Straßengraben in Schussposition zu kommen. Aber der Bock stand von dort wie ein Scherenschnitt gegen den Himmel.
Auch der nächste Morgen bot noch eine Überraschung. Über Nacht hatte der Wind von Süd und Süd-West auf Ost gedreht. Die Truppe versuchte es zunächst im Hasenbach-Grund. Dort wechselte auch heimlich ein Stück an, aber es traute dem Frieden nicht und blieb in Deckung. Ein zweiter Versuch auf der Weiseler Höhe sollte dann Erfolg bringen. Pirschend hatten wir drei schon fast den Blattjagdstand in einer Gasse zwischen den Einständen eines bestätigten älteren Bockes erreicht, als es mich zusammenriss. Direkt vor dem Stand äste ein Reh. Ein Bock, wie in jeder gerne erlegen würde. Links trug er eine Sechser-Stange, rechts einen abnorm verdrehten Spieß. Ich flüsterte: „Fertig machen und schießen!“ Der Bock hatte noch nichts von den Schleichenden bemerkt.
Doch noch während der Gast die Büchse von der Schulter gleiten ließ und den Pirschstock richtete, blies der Wind uns Jägern kurz kühl ins Genick. Der Bock mit dem breiten Haupt warf auf. Noch bevor er ins Absehen geriet, sprang er schreckend ab. Wer Dianas Becher nicht nimmt, wird bestraft, so viel schien bis zu diesem Zeitpunkt sicher.
In der Redaktion wurde Kriegsrat gehalten. Es war sinnlos, bei dem ständig drehenden Wind weiter in den Einständen zu schleichen und zu blatten. Zudem hatte ich über Nacht heftige Zahnschmerzen bekommen und fiel aus. Der dritte Pirschführer Tobias Thimm sollte vor der Abreise des Gastes noch einmal sein Jagdglück mit ihm versuchen. Er sollte es auf einer großen Wiese, der Heide, probieren, die von verschiedenen Waldstücken eingerahmt wird.
Am Abend verfinsterte sich der Himmel, und ein heftiges Gewitter ging nieder. Es schienen sich alle Jagdgöttern verschworen zu haben. Ising und Thimm harrten trotzdem tapfer auf der überdachten Kanzel aus. Das Licht unter den dunklen Wolken schwand diesmal schnell. Eine Viertelstunde vor Büchsenlicht-Ende hatte der WILD UND HUND-Redakteur noch ein paar Töne umhergesandt.
Kurz bevor nichts mehr anzusprechen war, stand am Waldrand plötzlich ein stärkeres Stück Rehwild: Es war der gesuchte Heidebock. Mit etwas Jagdfieber kämpfend trug Ising eine saubere Kugel an. Quasi im letzten Moment der Jagd hatte Diana mit ihren Jüngern ein Einsehen. Der alte Sechser brachte 18 Kilogramm auf die Waage, und bei einem zünftigen Bier in der Wildkammer lachte man noch so einiges Mal über die vielen Missgeschicke der vergangenen Tage, die sich so glücklich gewendet hatten.