ANZEIGE

Fangjagd : Ein Jäger – 100 Fallen

18309


Christian Lintow ist auf 5 800 Hektar für die Raubwildbejagung zuständig – das geht fast nur per Fangjagd. Mit welchen Mitteln der Profi arbeitet, verrät er in WILD UND HUND. Von Vivienne Klimke.

Foto: Vivienne Klimke
Bild: Vivienne Klimke
Wenn Christian Lintow über seine Arbeit redet, taucht immer wieder der Satz auf: „Das schaffe ich sonst zeitlich einfach nicht.“ Dabei ist der 27-Jährige kein Faulpelz: Der Berufsjäger ist derzeit verantwortlich für rund 30 Raubwildfallen und 15 Kunstbaue in einem Gebiet von 5.800 Hektar. Ende des Jahres will er die Zahl auf 100 Fallen aufgestockt haben, langfristig sind sogar noch mehr geplant. Denn im Naturschutzgebiet Lange Rhön, das Christian Lintow revierübergreifend betreut, geht es um den Erhalt einer regional akut bedrohten Art: dem Birkwild.
Prädatoren vom Mauswiesel über den Fuchs bis zum Waschbär stellen in der Rhön dem Niederwild und den Raufußhühnern nach. Hinzu kommt der Allesfresser Schwarzwild. „Wenn wir verendetes Birkwild finden, war jedes Mal ein Prädator die Ursache“, berichtet Lintow, der seit April 2011 im Auftrag der Wildland-Stiftung Bayern in der Rhön aktiv ist. Er sieht hier so dringenden Handlungsbedarf, dass er das ursprünglich auf fünf Jahre angelegte Fangjagdkonzept binnen drei Jahren umsetzen will. Es wird als eins der Hauptstandbeine des Birkwildschutzes angesehen und sogar von Naturschutzseite unterstützt.
Der Berufsjäger greift bei seiner Aufgabe auf ein breites Spektrum an Fallen zurück, „alles, was jagdlich oder mit Sondergenehmigung erlaubt ist“, wie er sagt. Mittelfristig sollen das 20 Jungfuchsfallen, 70 Betonrohrfallen, je etwa zehn Rieselfelder Blockaderohre und Kozarderfallen sowie 15 Kasten- und 30 Kofferfallen sein. Hinzu kommen um die 50 Wieselwippbrettfallen, 20 Marderbunker mit Eiabzugseisen, Habichts- und Krähenfänge sowie über 50 Kunstbaue.
In seinem ersten Dienstjahr in der Rhön war der Berufsjäger vor allem damit beschäftigt, Fuchsbaue und potentielle Fallenstandorte zu kartieren. Neben der Spurensuche im Gelände bei Neuschnee tat er das auch am Computer: Das Verwaltungsprogramm „Finview“ auf Basis von Luftbildern, mit dem beispielsweise die Naturschutzbehörden arbeiten, lieferte ihm den nötigen Überblick über Böden und Baumarten an den verschiedenen Standorten. „Wenn an einer Stelle zum Beispiel Ohrweiden wachsen, weiß ich gleich, dass der Boden zu feucht ist um eine Falle einzubauen“, erläutert er. Lintow überprüfte vorhandene Einrichtungen in den Revieren, erneuerte einen Teil davon und begann, weitere Fallen und Kunstbaue zu installieren.


Betonrohrfallen
Betonrohrfallen bieten gute Fangerfolge. Oberirdisch verlegt, ist der Zugriff leicht.Bild: Vivienne Klimke
„Eine Fuchsbejagung am Naturbau ist hier fast ausgeschlossen, weil Basaltgestein vorherrscht, so dass ich bei einem Notfall nicht nach dem Hund graben kann“, erklärt er. Stattdessen bietet er den Füchsen, Dachsen und Waschbären oberirdische Kunstbaue, die er nur etwa 20 bis 30 Zentimeter weit versenkt und außen dick mit Erde und Hackschnitzeln bedeckt.
Auf diese Weise verhindert er, dass sich Wasser in den Röhren sammelt und stellt sicher, dass jederzeit auf den Kessel zugegriffen werden kann. Dessen Boden bildet eine wärmende, griffige Holzschicht. Reineke soll sich hier wohlfühlen – während sein Häscher bereits anrückt. „Die Baue werden mit Wärme- und Bewegungsmeldern elektronisch überwacht“, sagt Lintow. „Sobald der Fuchs einschlieft, bekomme ich eine SMS aufs Handy, kann gezielt hinfahren und den Bau bejagen.“

 


Tarnung
Tarnung täuscht das Wild und hält Publikum fern.Bild: Vivienne Klimke
Lintows Tätigkeit ist effektive Prädatorenreduktion, organisatorisch durchgeplant und kalkuliert. „Ich fahre nicht einfach auf Verdacht raus, das schaffe ich zeitlich gar nicht“, sagt er. Den Verpflichtungen des Tierschutzes, die eine regelmäßige Kontrolle aller Fallen vorschreiben, wird er mit elektronischen Meldern gerecht. Ihnen kommt eine große Rolle zu, weshalb der Berufsjäger schon einmal die Marke gewechselt hat. „Bei den früher benutzten Fallensystemen froren mir Teile fest, und es gab Mäusefraß an den Kabeln“, beschreibt er. Die Melder liefern per SMS ein- oder mehrmals am Tag einen Statusbericht, in dem sie zum Beispiel über ihren Batteriestand informieren. Bleibt die Nachricht aus oder geht ein Unwetter nieder, muss der Berufsjäger hinfahren und nachsehen.
Die Melder arbeiten bei Lintow mit so genannten „pre-paid“-Karten, weil das billiger sei als ein fester Vertrag. Komplizierter ist es allerdings auch: „Pro Falle verbrauche ich für die SMS ungefähr 1,80 Euro pro Monat“, sagt er. „Das rechne ich dann hoch und lasse mich über meinen E-Kalender vorwarnen, wenn das Budget zu Ende geht.“ Digitale Hilfsmittel und Pläne gehören bei Lintow zum Standard. „Ansonsten geht ruck zuck mal eine Falle unter, das wäre fatal“, sagt er. Wird der Mechanismus einer Falle ausgelöst, erhält der Berufsjäger sofort eine elektronische Nachricht. So kann er schnell auf Fänge reagieren, ohne jeden Tag alle Fallen abklappern zu müssen. „Neben dem zeitlichen Problem wäre das völlig kontraproduktiv, weil ich die Standorte nur beunruhigen und verstänkern würde.“
Die Fallen werden oberirdisch verbaut, damit sie für den Berufsjäger gut zugänglich sind. Die Standorte müssen aber versteckt liegen, damit Menschen sie möglichst nicht entdecken. „Tourismus spielt hier in der Rhön eine Hauptrolle“, betont Lintow. Auch verblendet er die Rohre gut, zum Beispiel mit altem Heu, das nebenbei Mäuse anlockt und die Falle für die Beutegreifer noch attraktiver macht. Die Zwangspässe gestaltet er aus unauffälligen natürlichen Materialien wie Ästen oder Baumwipfeln – falls die Umgebungsstruktur sie nicht ohnehin bietet.

 


Installation
Installation einer Holzkastenfalle über einen Bachlauf.Bild: Vivienne Klimke
An Fließgewässern zum Beispiel hat der Berufsjäger im Neuschnee des vergangenen Winters Querungsstellen kartiert. Hier installiert er jetzt vermeintlich „bequeme“ Brücken für kleines Wild, die aber mit Kastenfallen besetzt sind – eine gute Möglichkeit, zum Beispiel Waschbär oder Marderhund festzu setzen. Die Kastenfallen kommen ansonsten nur in Feldscheunen zum Einsatz, wo sie öffentlichen Blicken und Zugriffen entzogen sind. Lintow legt großen Wert auf Details, wie einen völlig barrierefreien Zugang zur Falle.
Dafür bringt er eigens flache Holzkeile an, die er vorher abgeflammt hat, damit sie unauffälliger aussehen und wetterresistent werden.
Zur Jagdzeit der Marderartigen ab August platziert der Berufsjäger auch Wieselwippbrettfallen und Marderbunker mit Eiabzugseisen in der Landschaft. Beides führt Lintow als mobile Systeme im Auto mit sich und setzt sie an geeignet erscheinenden Stellen ab. „Ich prüfe damit erstmal, ob ein Standort gut ist, bevor ich einen Bunker installiere“, erklärt er. „In einem trockenen Herbst werden gerade Wasserläufe als Fallenstandorte interessant“, so seine Erfahrung.

 


Rhön
Die Rhön, das „Land der offenen Fernen“, ist auch ein Touristenmagnet.Bild: Vivienne Klimke
Weil es in der Rhön auch Wildkatzen gibt, darf er nur Bunker mit Eingängen bis maximal acht Zentimeter Durchmesser und 38er Eisen verwenden. Er füllt sie vor dem Einsatz mit Taubenkot und Sägespänen – das sorgt für ein marderfreundliches Aroma. Außerdem setzt er sie oft schon vor der Jagdzeit aus, allerdings nur mit Köder und ohne das Eisen zu spannen. Das Wild soll sich daran gewöhnen.
Beim Beködern ist Lintow übrigens sparsam – selbst bei den Luderplätzen. „Füchse sind ohnehin meist satt. Warum sollten sie sich also für einen stinkenden Haufen interessieren“, meint er. Deshalb platziert er nur kleine Stücke, mal ein Viertel eines Vorderlaufes vom Reh, mal einen geringen Batzen rohes Fleisch. „Das zersetzt sich sehr schnell, nach ein paar Tagen ist es weg, falls es nicht aufgenommen wurde“, so seine Erfahrung. Lintows Luderplätze bestehen aus einer liegenden Betonröhre, deren eines Ende mit einer Platte verschlossen ist.

 


elektronische melder
Elektronische Melder an den Fallen geben den Status per SMS durch.Bild: Vivienne Klimke
„Die Röhre sollte immer quer zum Hochsitz liegen, damit ein hinein windender Fuchs breit zum Schützen steht“, erläutert der Profi. Damit der Fuchs möglichst gut sichtbar bleibt, platziert er das Luder gerade am Anfang vor oder direkt am Eingang der Röhre, was auch das Misstrauen des Fuchses schmälert.
Je nach Jahreszeit und dem Einsatz der Fallen warten unterschiedliche Aufgaben auf den Wildland-Berufsjäger im Naturschutzgebiet Lange Rhön. Pro Tag legt er bei seinen Fahrten durchs Gebiet 150 Kilometer zurück. Ein „normaler“ Ansitz, wie er für jeden Jäger üblich ist, gehört da schon zum eher seltenen Luxus: „Dafür habe ich oft einfach keine Zeit“, sagt Christian Lintow.

 


Christian Lintow
Christian Lintow leuchtet mit einer Taschenlampe in eine Falle, um sie zu kontrollieren.Bild: Vivienne Klimke

Wie entwickele ich ein Fallenkonzept für mein Revier?

1. Geeignete Standorte finden:
Tipp: Google Earth aus dem Internet herunterladen. Aufs Revier zoomen, und Grenzlinien, Hecken, Büsche, Wasserläufe und -flächen, Streuobstbäume und -wiesen, Feldscheunen und andere Elemente für eine Kartierung vormerken. Auch Zwangswechsel durch Bebauung, wie Brücken oder Tunnel. Im Revier an diesen Stellen nach Spuren, wie Fraß- und Losungsresten, suchen. Bestehende Wechsel auf ihre Frequentierung prüfen (Wildkameras). Spürbahnen anlegen (feiner Sand wird auf dem vermuteten Wechsel ausgebracht) und bei Neuschnee abspüren gehen.
Tipp: Fallenstandorte mit Standorten von Kirrungen und ähnlichem kombinieren. Vorteile: Doppelte Lockwirkung, Mäuse finden sich ein, der Jäger muss hier ohnehin regelmäßig vorbei. Beschicken der Kirrung mit Kontrolle und Beködern der Falle kombinieren. Wege zu den Standorten müssen ganzjährig befahrbar sein!
2. Wahl der Mittel:
Fallenarten nach Raubwildart und Aufwand auswählen.
Wieselwippbrettfalle: kleines Wild, geringer Aufwand, mobil. Holzkastenfallen: auch größere Wildarten, höherer Aufwand.
Betonrohrfalle: guter Fangerfolg bei allen Wildarten, hoher Aufwand beim Verlegen.
Kunstbaue: nur größeres Wild, hoher Aufwand. Der Eingang sollte mit der Hauptwindrichtung liegen, und zwar jener zur Hauptjagdzeit (Winter). Er muss trocken sein und sollte zum Kessel hin leicht ansteigen. Das hält Wasser und Zugluft draußen und nimmt dem Wild die Sicht auf das, was draußen passiert. Die Baue müssen unbedingt regelmäßig kontrolliert/bejagt werden, sonst nutzen sie dem Raubwild statt seiner Dezimierung.
Tipp: Kunstbaue und Fallensysteme im Revier kombinieren.
3. Tarnung:
Die Standorte sollten gut erreichbar, für die Öffentlichkeit aber möglichst unsichtbar liegen. Die Tarnung mit ortsüblichen Materialien wie Holzschnitzeln, altem Heu oder Stroh ist sinnvoll. Das lockt Mäuse an und macht die Falle attraktiv fürs Raubwild.
4. Beködern, Kontrolle und Wartung:
Möglichst geringe Mengen an Luder oder Kirrmaterial ausbringen, vor allem bei leicht verderblichem Wildbret. Auch um die Falle herum (vor den Eingängen) etwas auslegen. Gesetzeskonforme regelmäßige Kontrolle, zum Beispiel mit Fangmeldern und Fernglas, damit der Jäger nicht täglich zur Falle gehen muss. Spuren könnten Publikum anlocken und verstänkern die Falle fürs Wild. Abläufe optimieren, zum Beispiel Werkzeug, Material, Taschenlampe, Köder, Waffe und ähnliches bei der Fahrt zu den Fallen immer im Auto parat haben. Regelmäßig beködern und Funktion kontrollieren, dabei immer einen Blick mit der Taschenlampe durch die Falle hindurch werfen.
Anmerkung: Der Fangerfolg wechselt  von Jahr zu Jahr – deshalb sollte eine Falle ohne Erfolg nicht gleich nach einem Jahr wieder umgesetzt werden.

 

 

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot