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Gegen die Zeit

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Es war ein fantastischer Drückjagdtag. Überall kamen Sauen vor, die Schützen hatten guten Anlauf, aber nicht jeder Schuss bannte das Wild an den Platz. Die Organisation der Nachsuchen war für den Jagdleiter eine Herausforderung.

Heiko Hornung

Peter Diekmann (l.), Münsterländer-Hündin „Heidi“ und Heiko Hornung freuen sich über eine erfolgreiche Nachsuche.
Foto: Michael Stadtfeld

Mir schwante Übles, als ich mit meiner Treibergruppe Richtung Streckenplatz marschierte. Nach dreieinhalb Stunden Treiben war ich mit meiner Mannschaft schon an vielen Schützenständen vorbeigekommen und hatte erste Informationen gesammelt. In der Halbzeit traf ich auch kurz Peter Schmitt, der die Hundemeute an der Weiseler Höhe führte. Auch er berichtete nicht nur von vielen Sauen und zahlreichen Erlegungen, sondern von einigen Patzern im oberen Bereich der Jagd.

Wer wie wir den Anspruch hat, jeden Kugelschuss zu kont- rollieren, kann sich vorstellen, was das bei rund 70 gezählten Schüssen bedeutet. Ausgerechnet in diesem Jahr hatten meine

fest eingeplanten Nachsuchenführer abgesagt. Sie waren auf anderen Jagden, und so vertraute ich, zugegeben etwas blauäugig, auf ein Gespann und meinen eigenen Hund, um die drin- gendsten Arbeiten noch am Jagdtag zu erledigen.

Am Streckenplatz setzte ich mich in mein Auto, ließ die Anstellerberichte dort von meinem Mitpächter Markus Deutsch entgegennehmen und begann selbst, zwei Schützengruppen einzusammeln. Bereits dabei erstellte ich sechs Nachsuchenprotokolle. In der nächsten Stunde kamen im Lage- zentrum noch zwölf hinzu, und es be- gann, mir unter den Haarspitzen zu kribbeln. Am Morgen hatte ich in der Ansprache vergessen zu sagen, dass die Jagd vom Schützen nach zwei un- geklärten Anschüssen einzustellen sei. Der eine oder andere scheute sich nicht, noch einen dritten und vierten „Tatort“ zu produzieren, wofür es abends deutliche Worte gab.

Die Lage war nun einmal wie sie war und wollte bewältigt werden. Gut eine Stunde nach der Jagd trafen sich die Jagdleiter zu einer Besprechung von möglichen Nachsuchen am „Dreiländereck“. Wir hatten an diesem Tag übergreifend in sechs Revieren gejagt. Um Nachsuchen aufzuklären, hilft es zu wissen, ob bei den Nach- barn eventuell krankes Wild beim

Einwechseln bemerkt oder erlegt wurde. Nach meinen Berichten, die bis 15 Uhr vorlagen, konnte ich melden, dass wir eine Kontrolle über die Grenze zum Staat hatten. Der staatliche Revier- und Jagdleiter Manfred Trenkhorst hatte eine große Karte dabei, auf der alle Stände diesseits und jenseits der Grenze eingezeichnet waren. Sollte unsere Kontrolle in die vermutete Richtung laufen, wusste ich danach, dass an einem grenznahen Stand beim Staat eine von uns kommende laufkranke Sau erlegt worden war. Nach zehn Minuten hatten Trenkhorst und ich unsere Infos ausgetauscht. Er versprach, mir so schnell es ginge mit seinen Nachsuchenführern unter die Arme zu greifen.

Rund drei Stunden Licht wollten jetzt noch genutzt sein. Vorausschauend hatte ich unseren Schweißhundführer bereits während der Jagd als Schützen im Zentrum platziert. Sofort nach Treibenende hatte er damit be- gonnen, die ersten Kontrollen zu ma- chen, und meldete, dass es dort keine Hinweise auf ein schwere Nachsuche gäbe. Das reduzierte die Zahl der Katastrophen schon ein wenig.

Peter Schmitt und Heiko Hornung sprechen am Aufbrechplatz über Stücke, die schon Schuss hatten, bevor sie erlegt wurden, und wo noch Nachsuchen anstehen.
Foto: Michael Stadtfeld

An vier der verbliebenen Fälle hatten wir Schweiß, deutliche Pirschzeichen oder den Hinweis, dass die Stücke deutlich gezeichnet hätten. Dadurch ergab sich schnell eine Prioritätenliste. Schweißhundführer Wolfram Vinnai und ich begannen, zwei davon an der Wei- seler Höhe in Angriff zu nehmen. Ich nahm mir einen Stand vor, an dem in der Länge von nur 20 m drei Anschüsse lagen. Den mit Pirschzeichen, etwas Schweiß, nahm sich Brandl-Hündin „Daisy“ als ersten vor. Gewohnt ruhig arbei- tete sie rund 200 m bis zum bereits verendeten Frischling. Interesse zeigte sie auch für einen Anschuss ohne Schnitt- haar oder Schweiß. Die Hündin führte mich rund 400 m, ohne dass ich eine Bestätigung durch Pirschzeichen be- kommen hätte. Ich wusste, dass wird schwieriger – also morgen weitermachen. Für den dritten Anschuss zeigte sie kein Interesse. Inzwischen erreichte mich der Anruf von Vinnai. Auch er hatte erfolgreich gefunden. Blieben zwei Prioritätsnachsuchen über. Doch die Hunde brauchten et- was Pause. Immer noch hatten wir fast 20 Grad. Die Zeit lief uns davon. Ich brauchte dringend einen weiteren Hund, der unter Umständen auch hetzstark war. Meiner alten Dame, die gesundheitlich etwas angeschlagen ist, traute ich die verbleibenden Suchen nicht zu. Der Schütze der einen Nachsuche hatte berichtet, dass die grobe Sau auf den Schuss kurz zusammengebrochen und dann ein wenig schwerfällig einen Hang erklommen habe. Bei der zweiten hatten wir etwas Wildbretschweiß. Ich musste davon aus- gehen, die Stücke eventuell noch lebend zu finden. Inzwi- schen hatten sich die im Treiben eingesetzten Hunde schon wieder etwas regeneriert. Ich fragte Peter Diekmann, den Kollegen von der Deutschen Jagdzeitung, ob er mich mit seiner Münsterländer-Hündin „Heidi“ unterstützen könne. Er sagte sofort zu. Schweißhundführer Vinnai übernahm die Suche mit dem „Wildbretschweiß“.

Diekmann und ich untersuchten den vermeintlichen An- schuss noch einmal genau. Doch außer Schaleneingriffen fanden wir nichts.„Heidi“ zeigte dafür aber lebhaftes Interes- se und zog flott in die Richtung hangauf, die der Schütze auf dem Fernwechsel beschrieben hatte. Wir querten dort nur eine Kuppe, bis die Wundfährte schon wieder bergab führte, und da lag der Überläuferkeiler im Buchenstangenholz, was uns sehr freute. Auch Vinnais Hund hatte nach wenigen Metern den Überläufer verendet gefunden.

Am Abend erhielt ich die Nachricht, dass mir am Folgetag zwei Gespannführer zur Seite stehen würden. Systematisch arbeitete ich mit ihnen sonntags bei strömendem Regen die verbliebenen Zettel ab. Es blieben alles Kontrollen.

Mit gut 70 Kilogramm bergauf. Wegen der hohen Temperaturen und des Gewichts wurde der gefundene Keiler sofort aufgebrochen.
Foto: Michael Stadtfeld
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