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Hege hilft allen

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LEITWILDART FASAN

Fasanenhege ist vielerorts in Misskredit geraten. Aber ein Beispiel aus Baden-Württemberg zeigt, wie von der Arbeit für die Hühnervögel ganze Lebensgemeinschaften profitieren.

Revierjagdmeister Elmar Eickhoff

Foto: Michael Migos

Der große Tag der Treibjagd war gekommen. Wir hatten in den vergangenen Jahren alles Erdenkliche für das Niederwild getan. Heute sollte sich zeigen, ob die Bemühungen Früchte getragen hatten. Dieses Frühjahr hatte uns auch das Wetter geholfen. Im Mai und Juni gab es lange Schönwetterphasen. Die Fasane hatten sich gut vermehrt, sodass der Jagdherr die „erste Garde“ der Schützen einlud. Die ersten Treiben erbrachten aber nicht das erhoffte Ergebnis, und der Chef bemerkte leicht grinsend, dass ja noch reichlich Platz auf dem Wildwagen sei. Die Jagd war aber so geplant, dass wir um die Haupttreiben mit großräumigen Beitreiben anfingen.

Das folgende Finale werde ich wohl nie vergessen: In zwei Treiben wurden fast 100 Fasane und Hasen erlegt. Alles „Paradehähne“, da wir ohne Durchgehschützen jagten und die Treiben so groß waren, dass die Hähne richtig hoch und schnell über den Schützen kamen, und sie ihr Können unter Beweis stellen mussten. Fürst W. erlegte auf einem Stand 13 Hähne vom Sitzstock aus, wie er mir abends beim Schüsseltreiben erzählte. Dieser erfahrene Jäger konnte mir im ruhigen, fachlichen Gespräch genau beschreiben, in welchem Treiben er mit wie vielen Patronen was erlegt hatte und wie er den Ablauf der Jagd beurteilte.

Das alles habe ich im Kopf, als ich im April letzten Jahres nach elf Jahren wieder in meiner alten Wirkungsstätte als Berufsjäger, dem Niederwildrevier Legelshurst, ankomme. Am Frühstückstisch bei meinem ehemaligen Chef, Rolf Knecht, sitzen im Jagdhaus – wie damals – all die bekannten Gesichter: der ehemalige Förster, Hegeringleiter und Jagdgäste sowie der neue Vorsitzende vom Landschaftspflegeverein. Die Gespräche drehen sich, wie könnte es anders sein, um Wild und Jagd und um die Zukunft der Jägerei. Aber nicht nur das Wild ist Thema. Wie schon früher beschäftigt die Runde die Frage, wie viele Brachvögel letztes Jahr groß geworden sind, wo sich der Neuntöter beobachten ließ und wer wo den Wiedehopf gesehen hat. Auch die Entwicklung der angelegten Biotope und Planung neuer Lebensräume werden diskutiert.

„Ich habe 1990 Legelshurst nicht nur gepachtet, um das Wild zu hegen und zu bejagen, sondern gleichzeitig auch, um der gesamten Flora und Fauna wieder etwas zurückzugeben, was ihr in der Vergangenheit genommen wurde“, umschreibt Rolf Knecht seine Hegemotivation. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Neben einem stabilen Fasanen- und Hasenbesatz, fühlen sich Neuntöter, Bekassine, Kiebitze, Braunkehlchen, Pirol und Brachvogel im Revier wohl.

Um diese Bemühungen auf ein starkes Fundament zu stellen, wurden die Verantwortlichen vor Ort eingebunden. Der Ortschaftsrat mit seinem Ortsvorsteher Reinhard Jockers, der auch Vorsitzender der örtlichen Jagdgenossenschaft ist, gründete den Landschaftspflegeverein Legelshurst. Zur fachlichen Beratung brachte Rolf Knecht den inzwischen verstorbenen Prof. Dr. Paul Müller und die gerade neu gegründete Game Conservancy Deutschland nach Legelshurst. Für das hegerische Tagesgeschäft wurde ein Berufsjäger sowie anderes Fachpersonal eingestellt.

Von Anfang an wurde darauf Wert gelegt, dass die örtlichen Landwirte in alle biotopverbessernden Maßnahmen eingebunden wurden. Deshalb führte man Informationsveranstaltungen zur Vertrauensbildung durch. Diese Konstellation war die ideale Grundlage, um den Belangen aller vor Ort Betroffenen Rechnung zu tragen.

In Legelshurst existiert noch ein selbsterhaltendes Brachvogelvorkommen – das letzte in Baden-Württemberg. Foto: Horst Jegen

Ein Schwerpunkt der folgenden Aktivitäten war die Realisierung des Ende der 1980er-Jahre durch den Gemeinderat Willstätt beschlossenen Biotopvernetzungskonzeptes. Finanziert wurden die Maßnahmen durch verschiedene Förderprogramme und Spenden des Jagdpächters und seiner Freunde sowie verschiedener Stiftungen. Es wurden bis heute etwa 800.000 Euro für die Natur investiert. Die benötigten Grundstücke stellte teils die Gemeinde oder der Landschaftspflegeverein zur Verfügung oder der Jagdpächter kaufte diese.

Verschiedene Bäche und Stillgewässer wurden renaturiert oder neu angelegt. Angrenzende Anpflanzungen mit heimischen Feldgehölzen und Streuobstwiesen vervollständigten diese Flächen. In der freien Feldflur pflanzte man auf vielen schmalen, langen Flurstücken Feldhecken. Mit den örtlichen Landwirten wurden die bestehenden Programme zur Flächenstillegung, Ackerrandstreifen, Grünlandextensivierung und Umwandlung von Acker- zu Grünland auf einer Fläche von etwa 180 Hektar (ha) umgesetzt. Zusätzlich wurden noch 12 ha Ackerfläche mit wildfreundlichen Mischungen eingesät. Rund 21 ha Feuchtgebiete und circa 13 ha Hecken wurden angelegt, dauerhaft erhalten und gepflegt. Bis heute wurden etwa 500 Grundstücke des 1870 ha großen Reviers (1653 ha bejagbare Fläche, davon 1016 ha Feld und 637 ha Wald) ökologisch aufgewertet.

Die Pflanzaktionen wurden von den Mitgliedern des Landschaftspflegevereins, dem Jagdpächter und dessen Helfern gemeinsam durchgeführt. Verschiedene Untersuchungen und Kartierungen von Professor Müller und seinen Mitarbeitern zeigten die erfreuliche Entwicklung von Flora und Fauna im Revier. So beherbergt das Revier zusammen mit zwei angrenzenden jeweils rund 1000 Hektar großen Revieren das letzte sich selbst erhaltende Brachvogelvorkommen in Baden-Württemberg.

Offizielle Anerkennung der geleisteten Arbeit gab es beim Landeswettbewerb des Landesnaturschutzverbandes Baden- Württemberg. Der Delegation aus Legelshurst wurde der zweite Preis durch die damalige Ministerin für den Ländlichen Raum, Gerdi Staiblin, überreicht. Weitere Anerkennung erfuhren die Aktiven vor Ort durch unzählige Exkursionen von Naturschützern, Hegeringen und kommunalen Funktionsträgern sowie der Landespolitik. Im Rahmen einer dieser Exkursionen wurde Rolf Knecht mit dem Wildhegeabzeichen des Landesjagdverbandes geehrt.

Selbstverständlich wurde getreu dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ über Pflanzaktionen, Versammlungen und sonstige Veranstaltungen in der örtlichen Presse ausführlich berichtet.

Revierpächter Rolf Knecht vor einer der vielen revierverbessernden Maßnahmen, einem Feuchtbiotop. Foto: Elmar Eickhoff

Die Verbesserung des Lebensraumes ist aber nur eine Seite der Medaille. Die planmäßige Bejagung der opportunistischen und generalistischen Beutegreifer ist die andere unabdingbare Voraussetzung, damit die Lebensraumverbesserungen wirken können. Es war die Aufgabe des Berufsjägers und der mitjagenden ortsansässigen Jäger, eine entsprechende Infrastruktur durch verschiedene Fallen, Kunstbaue, Luderplätze und Ansitzeinrichtungen zu schaffen und zu nutzen.

Weiterhin wurde durch direkte Kontakte zu den Nachbarrevieren und durch Berichte bei Versammlungen der örtlichen Jagdorganisationen für eine Intensivierung der Raubwildjagd geworben. So wurden zum Beispiel revierübergreifende Schwarzwild- und Fuchsjagden in bis zu 15 Revieren organisiert. Im Januar und Februar machten wir an einem Tag pro Woche je nach Wetter alle möglichen Aufenthaltsorte des Raubwildes über oder unter der Erde unsicher. Auch die Bejagung der Rabenvögel, Marder und Wiesel wurde verschärft.
Alles in allem vervierfachte sich die Strecke bei Haarraubwild und Rabenkrähen im Vergleich zu den Vorjahren.

Von allen Beutegreifern stellten sich dabei zwei Problemraubwildarten heraus: Der Fuchs konnte die durch die Jagd entstandenen Lücken schnell wieder auffüllen. Das Rheintal ist in dieser Gegend sehr schmal, und der direkt angrenzende Schwarzwald bildet ein unerschöpfliches Reservoir an Füchsen.

Trotzdem funktionierte der Entlastungseffekt, weil die Zuwanderung hauptsächlich im Sommer und Herbst durch Jungfüchse und im Winter in der Ranz erfolgte. In der entscheidenden Brut- und Aufzuchtzeit von März bis Juni ist der Fuchs relativ standorttreu. Wer also bis Ende Februar seine Hausaufgaben gemacht hat und dann noch die Jungfüchse am Bau bejagt, kann auch heute noch auf begrenzter Fläche den Niederwildarten und den anderen Bodenbrütern entscheidend helfen.

Bei der zweiten Problemart, den Greifvögeln, waren uns dagegen die Hände gebunden. Das Rheintal ist ein winterliches Hauptdurchzugsgebiet von Habicht, Mäusebussard und Sperber. Dieser Effekt wird noch durch die beiden angrenzenden Mittelgebirge Vogesen und Schwarzwald verschärft. Im milden Rheintal sammeln sich so große Mengen dieser Arten, dass beispielsweise circa des Fasanenhennenbesatzes den Winter nicht überlebten.

Deckung und Äsung: Abwechslungsreiche Vegetation hilft dem Niederwild und fördert die Artenvielfalt. Foto: Elmar Eickhoff

Bis Mitte der 1970er-Jahre wurden in Legelshurst jährlich bis zu 1 900 wilde Fasanen erlegt. Und zwar hauptsächlich in dem das Revier hufeisenförmig umschließenden Waldbereich. Heute leben im Wald fast keine Fasane mehr, da er zur Haupt-Gefahrenzone geworden ist. In einem angrenzenden Revier wurden in den 70er-Jahren auf 1 000 Hektar bis zu 2 500 Hähne erlegt! Das sind die höchsten auf die Fläche bezogenen Fasanenstrecken, die mir bekannt sind. In einem etwa 20 Kilometer entfernten, mehrere Tausend Hektar großen Revier wurden in dieser Zeit sogar über 1 000 Hennen aus Wildschadensgründen erlegt.

Das milde Klima und vor allem die in diesem Realteilungsgebiet üblichen, in der Beetpflugweise zusammengepflügten, durchschnittlich einen Morgen großen Felder waren zusammen mit der sehr geringen Raubwilddichte in dieser Zeit die Voraussetzung für solche Strecken.

In den 1960er- und 70er-Jahren wurden in Legelshurst bis zu 900 Rebhühner erlegt. Ende der 80er-Jahre waren sie trotz vergleichbarer guter Lebensräume ausgestorben. Die Zwänge in der Landwirtschaft hatten natürlich auch hier die bekannten Folgen. Es wurden Felder zusammengelegt, auf denen schon Mitte der 1990er- Jahre zum Großteil Mais angebaut wurde. Durch das Auftreten von Maisschädlingen haben die entsprechenden Behörden aber mittlerweile den Anteil der Maisanbaufläche begrenzt.

Die großen Streckeneinbrüche von über 1 000 auf unter 100 Stück bei Fasan und Hase hat es auch hier gegeben. Ursache waren damals, wie in ganz Deutschland, extreme Wetterlagen. Eine Erholung der Besätze fand aber nicht in dem Maße statt, wie es die damalige Qualität der Lebensräume hergegeben hätte. Auch heute noch gibt es im Oberrheintal Reviere, die über eine intakte Revierstruktur verfügen, aber keinen regulär bejagbaren Niederwildbesatz mehr haben. Der Einfluss des Raubwildes kann auch in intakten Lebensräumen eine Bejagung des Niederwildes unmöglich machen oder sogar Arten ausrotten – wenn er nicht durch intensive Jagd begrenzt wird.

Wo der seltene Neuntöter vorkommt, behagt es auch dem Fasan. Foto: Helmut Pum

Bei der Revierrundfahrt am Nachmittag war es eine Freude zu sehen, wie gut sich die vielen Biotope entwickelt haben. In der ehemals zwar kleinparzellierten, aber ausgeräumten Feldflur wurden zur richtigen Zeit Strukturen geschaffen, die die Landschaft auf Dauer zum Besseren verändert haben. Die zu meiner Zeit erlegten 190 Hähne und 140 Hasen werden zwar nicht mehr geschossen, aber jetzt im April zeigen sich überall so viele Fasane und Hasen, dass der Besatz einen unterbejagten Eindruck machte.

Auf über 200 ha wurden revierverbessernde Maßnahmen und Biotopvernetzungen vorgenommen.
Verzeichnis der seit 1990 durchgeführten Biotopvernetzungs- und Extensivierungsmaßnahmen.
Alle schon vorhanden gewesenen Biotope, Hecken, Feldgehölze und Wald sind nicht zusätzlich eingezeichnet. Maßstab 1: 10 000
Foto: Elmar Eickhoff

“In meinem Alter kann man das Wild auch gut laufen oder fliegen lassen“, kommentiert Rolf Knecht meinen Eindruck. „Wir machen nur noch kleine Treibjagden mit guten Freunden“, beschreibt er die momentane Jagdintensität. „Wenn ich auf dem Hochsitz sitze und das ganze Leben in den Biotopen beobachte, ist mir das eine große Freude. Es gibt aber noch genug Projekte für die Zukunft.“ Auf meine Frage, ob er das alles auch umgesetzt hätte, wenn die gesetzlichen Vorgaben 1990 eine sinnvolle Hege und Bejagung des Fasans unmöglich gemacht hätten, antwortet er mir allerdings ganz klar mit „Nein!“.

Schmale, abwechslungsreiche Landschaftsstrukturen kommen dem Fasan im Revier Legelshurst entgegen. Foto: Elmar Eickhoff

INTERVIEW

Der Natur zurückgeben, was ihr genommen wurde

Foto: privat

Reinhard Jockers, Jahrgang 1951 und Nicht-Jäger, ist seit 1984 Ortsvorsteher von Legelshurst und seit 1987 Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat Willstätt. Seit 1994 ist er zudem Vorsitzender der Ortsvorsteher im Regierungsbezirk Freiburg und seit 1995 Mitglied im Landesvorstand des Gemeindetags Baden-Württemberg. Von 1990 bis 1997 war er zweiter Vorsitzender des Landschaftspflegevereins Legelshurst sowie erster Vorsitzender von 1997 bis 2010.

Elmar Eickhoff: Der Fasan war mit einer Strecke von bis zu 1 900 Stück bis in die 1970er Hauptwildart in Legelshurst. Die grün-rote Landesregierung plant mit einer Jagdgesetzveränderung die wirksame Hege des Niederwildes durch massive Einschränkungen bei der Raubwildbejagung, der Fütterung und der Reduzierung der Liste der bejagbaren Wildarten unmöglich zu machen. Was würde das für Auswirkungen auf den Jagdwert des Revieres Legelshurst haben?
Reinhard Jockers: Es gäbe eine gravierende negative Auswirkung. Wieso sollte ein Jagdpächter sich noch so für sein Revier engagieren, wenn er nur noch die Möglichkeit hat, zu hegen und zu pflegen, aber sonst keine weiteren Rechte mehr hat, die zur Jagd gehören, die Jagd also auszuüben.

Elmar Eickhoff: Wäre heute ein Jagdpächter bereit, bei solch veränderten Bedingungen noch die hier geleisteten Lebensraumverbesserungen durchzuführen?
Reinhard Jockers: Ein ganz klares Nein! Kein Jagdpächter wäre bereit, so viel Zeit und Geld zu investieren, ohne einen entsprechenden Gegenwert zu erhalten. Es wäre wirklich schade, wenn die Landesregierung diese Maßnahmen umsetzen würde.

Elmar Eickhoff: Das Revier wird schon sehr lange als Einheit verpachtet. Hat es je Bestrebungen gegeben, das Revier aufzuteilen, um höhere Pachteinnahmen zu erzielen?
Reinhard Jockers: Vonseiten der Gemeinde hat es noch nie solche Bestrebungen gegeben. Vonseiten der Kommune waren wir mit dem Jagdpächter, der seit 1990 hier ist, immer auf einer Linie, um der Natur das zurückzugeben, was ihr durch die veränderte Flächenbewirtschaftung genommen wurde.

Elmar Eickhoff: Wie sieht die Bevölkerung die geleistete Arbeit?
Reinhard Jockers: Die Bevölkerung sieht, dass die Natur durch die veränderte Bewirtschaftung stark gelitten hat. Sie ist froh über die geleisteten Maßnahmen, die der Jagdpächter zusammen mit dem Landschaftspflegeverein durchgeführt hat. Momentan planen wir eine Veranstaltung, in der Kommunalpolitikern aus dem ganzen badischen Raum unser Projekt vorgestellt wird, um Anregungen für eigene Lebensraumverbesserungen
zu bekommen.

Elmar Eickhoff: Den Jägern wird manchmal vorgeworfen, dass sie sich nur für Arten interessieren, die sie auch bejagen können. Ist das hier auch so?
Reinhard Jockers: Das ist hier überhaupt nicht so! Unser Jagdpächter hat schon bei der Jagdverpachtung erklärt, dass er mehr Heger und Pfleger und kein Schießer ist. Das hat er uns in den letzten 22 Jahren seiner Jagdpacht auch bewiesen, und jeder kann sehen, was wir gemeinsam geschaffen haben.

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