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Untergang der Hähne

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FASANENSCHWUND

Seit fünf Jahren sind die Fasanenbesätze selbst in besten Niederwildrevieren dramatisch rückläufig. Fieberhaft hat die Suche nach Ursachen begonnen. Christoph Boll fasst den Stand der Erkenntnisse zusammen.

Foto: Bildagentur Schilling

Jahrelang ist über die Hintergründe für den flächendeckenden dramatischen Sinkflug der Fasanenbesätze gerätselt worden. Nun gibt es einen konkreten und vor allem belegbaren Anhaltspunkt. In serologischen Analysen gelang der Antikörpernachweis von Viren. Die auf der Ursachensuche befindlichen Wildbiologen sind aber noch sehr zurückhaltend. Dr. Friederike Gethöffer vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Tierärztlichen Hochschule in Hannover spricht auf der Basis einer 2011 begonnenen und inzwischen abgeschlossenen Vorstudie von „ersten Hinweisen auf eine Viruserkrankung“. Zumindest sei ein Erreger-Nachweis bei Jungvögeln gelungen.

Weil die bisherigen Erkenntnisse aber noch „viel zu ungenau“ sind, sollen die Forschungen in diesem und im nächsten Jahr und vielleicht auch noch 2015 fortgeführt werden. Vorgesehen ist ein Screening in den fünf niedersächsischen Landkreisen Cloppenburg, Emsland, Grafschaft Bentheim, Osnabrück und Vechta, in denen auch die Vorstudie erstellt worden ist. Ergänzend kommen möglicherweise Cuxhaven und Flächen in Schleswig-Holstein hinzu, so Gethöffer. Sicher ist bereits die Ausdehnung der Analyse auf Nordrhein-Westfalen. Dr. Christian Gehle von der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung in Bonn wird die entsprechenden Reviere am Niederrhein sowie im Münsterland und in der Kölner Bucht aussuchen.

Bereits 2009 hatte der Wildbiologe ein Pilotprojekt zur Entwicklung der Fasanenbesätze gestartet, in dem er paarweise Reviere verglich. Die Untersuchung hat er jüngst auf den selben Flächen wiederholt. Ergebnis: Er fand nur noch ein Revier, direkt am Rhein, in dem es dem Fasan gut geht. Das Revier hat „so gut wie keine landwirtschaftlichen Flächen“.

Und je höher der Getreideanteil an der Ackerfläche ist, desto größer ist der Streckenrückgang. Selbst in zuvor besten Revieren fehlen Hennen und Gesperre. Wenn die Hennen überhaupt ins offensichtlich gestörte Brutgeschäft kommen, führen sie meistens nur ein oder zwei Küken. Witterungseinflüsse und Prädation, also der Einfluss der Beutegreifer, scheiden für Dr. Gehle als Urheber aus. Er folgert: „Aus den landwirtschaftlichen Flächen kommt der Stressfaktor oder die Vorschädigung, die die Fasanen, speziell Küken, derart schwächt, dass sie dann später dem Virus erliegen“.

In dieser Annahme eines „multifaktoriellen Geschehens“ sind sich der Wildbiologe und die Tierärztin Dr. Gethöffer einig. Die Viruserkrankungen – gefunden wurden Hinweise auf Infektiöse Bronchitis und Aviäre Enzephalomyelitis (Infektion des Zentralnervensystems) – seien nicht derart hochinfektiös, dass das Wild allein daran in kürzester Frist und in solchem Umfang verendet. Die beiden Wissenschaftler stimmen zudem überein, dass angesichts des seit fünf Jahren anhaltenden Sinkfluges von normalen Besatzschwankungen längst nicht mehr gesprochen werden kann.

Gesperre dieser Größe sind in Deutschland eine absolute Seltenheit geworden.
In der Regel haben die Hennen lediglich ein oder zwei Küken. Foto: Duncan Usher, Regina Usher

Dies ist keineswegs nur ein Problem der Jäger. Denn eine Aufklärung der Ursachen ist von großem Interesse, da der Fasan als Indikator für die Entwicklung bei den Bodenbrütern allgemein gelten kann. So beklagte auch der Deutsche Naturschutzbund (Nabu) erst zu Jahresbeginn einen „alarmierenden Rückgang von Feldvögeln”. Umso erstaunlicher ist, dass weder Bundes- noch Landespolitik sich an der Finanzierung der Ursachenforschung beteiligen. Nur die Landesjagdverbände Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sehen sich bislang in der Pflicht.

Für die Jägerstiftung natur+mensch ist der Ausgangspunkt der Misere „ziemlich sicher im Zeitraum von Brut und Aufzucht zu suchen“. Denn es wird kaum verendetes Wild gefunden. Zu diesem Ergebnis kam die Stiftung nach einer 2008 von ihr veranlassten ersten Untersuchung durch das ITAW. Zunehmend gerieten deshalb danach unter anderem Pestizide und Herbizide ins Blickfeld der Betroffenen. So schreibt die Landesjägerschaft Niedersachsen auf ihrer Internetseite zum Thema Wildtiermanagement: „Es ist unbestritten, dass nicht nur die Ernte- und Mähmaschinen, sondern auch die Pflanzenschutzmittel eine Gefahr für die auf dem Ackerboden lebenden Tiere darstellen. Darüber hinaus wird durch den Einsatz von Insektiziden und Herbiziden die Nahrungsgrundlage vieler Vögel und Wildtiere beeinträchtigt beziehungsweise reduziert.“

Fasanenstrecke (in Stück)

Grafik: Christoph Höner , Foto: Bildagentur Schilling / Quelle:: Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands

Gefragt wird unter anderem, ob und in welchem Umfang die Chemikalien die Fruchtbarkeit und den Bruterfolg beeinträchtigen oder ob die Küken an den Folgen der durch die Chemie getöteten Insektennahrung sterben. Das Augenmerk der Jäger richtete sich zwischenzeitlich auf ein Insektizid, das Chlothianidin enthält. Nachdem in Baden Württemberg im Sommer 2008 mit diesem Mittel gebeiztes Maissaatgut ausgebracht worden war, kam es in dem entsprechenden Bereich zu einem massiven Bienensterben. Kurz darauf kursierte die Vermutung, auch Fasanen könnten daran vermehrt verendet sein – Altvögel durch direkte Aufnahme des gebeizten Saatgutes und Küken, weil sie die durch das Mittel getöteten Insekten als Nahrung aufgenommen haben könnten. Ein direkter Zusammenhang konnte aber nie nachgewiesen werden. Folgerichtig will auch das Institut für terrestrische und aquatische Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover ermitteln, ob generell zu den Gründen für den Fasanenschwund „auch mögliche Einträge von Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden in die Nahrungskette gehören“.

Im Raum steht zudem die Mutmaßung, Virusinfektionen seien aus großen Geflügelmastanlagen in die Natur entwichen und rafften dort die Vögel dahin. Auch von Krankheitserregern oder Giftstoffen, die zusammen mit Tiermist, Gülle oder Gärsubstraten aus Biogasanlagen in die Natur gelangen, ist die Rede. Dr. Michael Petrak, Leiter der Bonner Forschungsstelle, verweist in diesem Zusammenhang überdies auf Diskussionen über „das Ausbringen von Champignonmist, Botulismus (Schlachtung von Rinder beständen) und Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft, nicht zuletzt durch industrielle Nutzungsformen (Energiepflanzenanbau)“.

So macht auch mancher Jäger eine kontinuierliche Verschlechterung der Lebensräume für den Schwund, der in weiten Teilen seit zwei Jahren den Hasen erfasst, verantwortlich und sieht einen Zusammenhang mit dem Ende der Flächenstilllegungen in der Landwirtschaft. Denn kurz darauf erfolgte im Jahr 2008 der erste drastische Einbruch. Statt annähernd 450.000 zierten nur noch rund 270.000 der Feldhühner die Strecke. Interessant, aber bislang überhaupt nicht erörtert, ist die Frage, ob die Entwicklung über Deutschland hinausreicht. Zumindest meldete bereits Ende Oktober 2010 das Spanienmagazin Comprendes, das Umweltministerium in Andalusien gehe einem seltsamen Rebhuhn- und Fasanensterben in der Provinz Cádiz nach. „Wissenschaftler vermuten ein unbekanntes Virus als Ursache“, hieß es weiter. Von Ergebnissen hat man hierzulande nichts gehört. Ebenso offen ist, welche weiteren Arten direkt oder indirekt betroffen sind. Fachleute stellten Ende November vergangenen Jahres fest, dass von den am Niederrhein überwinternden arktischen Gänsen nur jeder zehnte bis zwanzigste ein Jungvogel war. Zufall?

Der Streckenanteil der Fasane verringert sich, je höher der Getreideanteil an der Ackerfläche ist. Foto: Bildagentur Schilling

Sicher scheint gegenwärtig nur, dass bei anhaltender Entwicklung die Fasanenbesätze bald ebenso wenig bejagbar sind wie heute bereits das Rebhuhn. Denn nach einem fünf Jahre anhaltenden ungebremsten Sinkflug verzeichnete das Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD) bereits im Jahr 2011 bei den Fasanen einen Gesamtrückgang von rund 45 Prozent, gebietsweise sogar bis zu 75 Prozent.

Betroffen sind vorrangig die Bundesländer Niedersachsen (Rückgang der Strecke von 150.000 im Jahr 2007 auf 57.000 im Jahr 2011), Nordrhein-Westfalen (Halbierung auf 100.000) und Schleswig-Holstein. Denn sie liefern 85 Prozent der bundesdeutschen Fasanen-Gesamtstrecke und erfüllen mit Bayern am ehesten die Bedingungen für gute Fasanen- Lebensräume: offene und reich strukturierte Landschaften.

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