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Hundeausbildung: Richtig reagieren, Unsicherheiten abbauen

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Wie sich der Hundeführer in kritischen Situationen verhalten sollte, um seinem Vierläufer durch eigenes Vorbild Sicherheit und Souveränität zu vermitteln, erklärt Revierjagdmeister Sascha Schmitt.

Foto: Michael Stadtfeld

Die innerartliche Kommunikation unserer Hunde geschieht zu einem Großteil über Mimik und Gestik. Daher darf man sich nicht wundern, dass ein vertrauter Vierläufer auf einen Blick erkennt, in welcher Gemütslage wir uns momentan befinden. Auch wenn wir versuchen sollten, unsere Laune und innere Befindlichkeit durch betont entspanntes, fröhliches Gehabe zu überspielen, fällt darauf höchstens ein fremder Hund herein, während der eigene Jagdgefährte sofort weiß, wie es um sein Herrchen tatsächlich bestellt ist.

Dieses sensible Wahrnehmen von Stimmungen ist ein Grund dafür, dass der Mensch seit mehr als 18 000 Jahren auf den Hund gekommen ist und sich gern mit den domestizierten Nachkommen Isegrims als Hilfstier und Begleiter umgibt. Das Problem daran ist aber, dass bei uns Menschen die verbale Kommunikation, das gesprochene Wort, an erster Stelle der Verständigung steht. Wir können mit wenigen Worten unsere Gemütslage offenbaren oder sie bewusst durch Worthülsen und Phrasen verschleiern und somit häufig Mitmenschen täuschen, unseren eigenen Hund jedoch in den meisten Fällen nicht.

Ein Beispiel aus der Praxis: Der brave „Gero“ hat das Signal „Down“ ignoriert und einen Hasen über eine halbe Stunde durch das Revier gejagt. Zwischendurch kam er dann auch noch an einen Sprung Rehe, den er ebenfalls ausgiebig verfolgt hat. Während „Gero“ seinen unorthodoxen Jagdausflug in vollen Zügen genossen hat, steht sein Führer allein im Feld und bläst sich auf der Pfeife die Lippen wund, ohne eine entsprechende Reaktion bei seinem Hund zu erreichen. Vor Wut kochend wartet Herrchen auf die Rückkehr seines Zöglings. Irgendwann erscheint der Rüde auch tatsächlich. 50 m vor seinem Herrn verlangsamt er aber sein Tempo und bleibt stehen. Mit aufmerksamem Blick beobachtet er sein Gegenüber und erkennt sofort, dass Herrchen gleich ausflippt. Körperhaltung, Gestik und Mimik sagen „Gero“, dass es unklug wäre, sich in die Reichweite seines Herrn zu begeben. Um Fassung ringend, beginnt dieser dann, seinen Hund mit honigsüßer Stimme zu locken, er kniet sich sogar hin und klatscht in die Hände. Für „Gero“ steht aber fest: Alles nur Show, der Alte platzt gleich!

Wahrscheinlich ist, dass der Rüde in ähnlichen Situationen im Moment der Rückkehr negativ behandelt worden ist. Wahrscheinlich ist auch, dass es so zu einer Fehlverknüpfung gekommen ist, die sich nur mit Geduld wieder rückgängig machen lässt. Sicher ist aber, und dass sollte man als Hundeführer immer bedenken: Gerade in Momenten, in denen unser Vierläufer verunsichert oder sogar verängstigt ist, verlässt er sich auf seine optische Wahrnehmung – also auf die Gestik und Mimik seines menschlichen Gegenübers – und lässt sich durch Worte, egal wie scharf oder mild ausgesprochen, nur bedingt beeindrucken. Sollte unser vierläufiger Zögling also in bestimmten Situationen zögerlich, eventuell sogar panisch reagieren, sind Worte des Trosts oder Tadel denkbar ungeeignet, den Hund wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Vielmehr bedarf es dann des Rudelführers, der durch sein Auftreten und Verhalten die Situation entschärft und als Vorbild fungiert. Wollen wir also einen selbstsicheren, wesensstabilen Hund besitzen, müssen wir jederzeit als Vorbild fungieren und uns die nonverbale Kommunikation des Hundes zunutze machen.

Der Vierläufer findet sich nach einer eigenmächtigen Jagdpartie und erfolglosem Rückrufversuch seines Führers wieder ein. Obwohl dieser versuchte, ruhig zu bleiben, liest der Hund die Stimmung des Herrn und kriecht unterwürfig in dessen Richtung. (Foto: Thomas Fuchs)

Warum haben so viele Hunde (auch Jagdhunde) ein Problem mit dem Feuerwerk an Silvester? Die Schuld ist hier nur in den wenigsten Fällen im Wesen des Vierläufers zu suchen, sondern vielmehr bei seinen Menschen. Dazu ein Beispiel: Es ist kurz vor zwölf in der Silvesternacht, die ganze Familie hat sich im Wohnzimmer versammelt und beobachtet „Basko“, den knapp ein Jahr alten Teckel. Unsicherheit und Angst liegen in der Luft, obwohl noch kein einziger Böller vor dem Haus detonierte. Alles starrt „Basko“ an und redet gebetsmühlenartig auf ihn ein. Besonders „Baskos“ Frauchen ist sehr angespannt, hat sie doch gelesen, dass sich ein Böllertrauma durchaus auch negativ auf die Schussfestigkeit ihres Jagdbegleiters auswirken kann. Die Berichterstattung bezüglich der katastrophalen Auswirkungen des heidnischen Böllerspaßes auf das Seelenleben von Hund, Katze und Maus, begleitet von Anti-Böller-Petitionen in den sozialen Medien, hat ihre Befürchtungen nur noch verstärkt.

Zu Beginn war „Basko“ noch sehr entspannt gewesen, mittlerweile verunsichern ihn die besorgten Blicke und das nicht endende Gemurmel der Menschen immer mehr. Vor allem das unsichere Verhalten seines Frauchens lässt ihn ahnen, dass ihm Gefahr droht. Er fürchtet sich und schwankt noch zwischen Erstarren auf der Stelle und Flucht unter das Sofa. Sein Menschenrudel hat ihm unmissverständlich mitgeteilt, dass großes Unheil droht, und „Baskos“ Erwartungen an die nahe Zukunft sind keinesfalls positiv. Dementsprechend heftig ist auch seine Reaktion auf den ersten Böllerschlag. Bevor er unter dem gemütlichen Sitzmöbel verschwinden kann, hechtet Frauchen zu ihm, drückt ihn an die Brust und tröstet ihn mit aller Vehemenz. Während auf der Straße eine wahre Böllerkanonade gezündet wird und sich fröhliche Menschen ein neues Jahr wünschen, ergießt sich „Baskos“ Blaseninhalt aus schierer Angst über die Bluse seines Frauchens, die vor Verzweiflung schluchzend ihren kleinen Dackel an sich drückt.

Draußen knallen die Böller, während Frauchen versucht, den Teckel zu beruhigen. So verstärkt sie nur dessen Gefühl, dass irgendetwas gerade nicht stimmt. (Foto: Michael Woisetschläger)

So ähnlich ergeht es in jeder Silvesternacht vielen Hunden in deutschen Haushalten, und es bedarf schon sehr ausgeprägter Wesensfestigkeit, wenn ein derartiges Szenario spurlos an einem jungen Hund vorbeigehen soll. Mit Sicherheit gut gemeint, hat das Verhalten der Hundehalter die Situation erst eskalieren lassen und nicht das Knallen der Böller. Viel besser wäre es gewesen, wenn die tatsächliche Bezugsperson des jungen Dackels die Betreuung alleine übernommen hätte. Wenn wir von unserem Jagdhund verlangen, dass ein Knall – ob Böller oder Flinte – etwas völlig normales ist, dann müssen wir uns auch so verhalten. Durch die Leine gesichert, wäre es schön für den kleinen Racker gewesen, wenn man sich mit ihm beschäftigt hätte. Ein Teckel passt prima auf den Arm. Dort erfährt er, was er in kniffligen Situation braucht: Rückhalt und Fürsorge.

Auf den Arm kommt er schon, bevor es zum ersten Mal geknallt hat. Geht es dann los, und er bleibt entspannt, wird er ruhig und sachlich gelobt und vor allem abgeliebelt. Aber alles im normalen Rahmen, ohne Hektik und Unruhe. Reagiert er ängstlich, ignorieren wir seine Angst und verhalten uns völlig neutral. Angst darf nie durch Lob und Trost bestätigt werden! Ignoranz ist die richtige Antwort auf ängstliches Verhalten, erst wenn sich der Vierläufer von allein beruhigt hat, erhält er ruhiges, verhaltenes Lob. Wichtig ist, dass der Hundeführer während der ganzen Prozedur ruhig und bestimmt bleibt. Je heftiger die Reaktion des Hundes auf eine Situation, desto stoischer und selbstbewusster muss sich sein Mensch zeigen. Sein Verhalten soll als Parameter dienen, an dem sich sein Vierläufer orientieren kann und letztendlich auch muss.

Schon von klein an lernt der junge Jagdhund – hier im Spiel –, Launen und Befindlichkeiten des Hundeführers zu lesen. (Foto: Bildagentur Schilling)

Auch bei dem Deutsch-Langhaar „Hägar“ lag einiges im Argen, was in erster Linie an der mangelnden Souveränität seines Herrn Peter in bestimmten Situationen geschuldet ist. Peter ist nur ungern bei Dunkelheit im Revier unterwegs, da er nach dem Schwinden des Tageslichtes deutlich schlechter sehen kann. Kurz und knapp: Peter ist nachtblind. Seine Schritte werden kürzer sowie tastend, und der Weg von der Kanzel zurück zum Fahrzeug ist für ihn purer Stress. „Hägar“, der seinen Herrn auf Schritt und Tritt begleitet, bleiben aber Anspannung und Unsicherheit seines Herrn keinesfalls verborgen. Für ihn sind sie eindeutige Anzeichen von Schwäche und Angst. Diese Erkenntnis führt dazu, dass „Hägar“ bei diesen nächtlichen Gängen ebenfalls fahrig und nervös ist. Sobald die Sonne am Horizont untergeht, senkt sich „Hägars“

Rutenhaltung von neutral zu extrem tief. Jeder Passant, der den Weg der beiden kreuzt, wird wütend verbellt, jedes Geräusch im Wald führt zu aufbrausendem Verhalten, zu Drohgebärden und lautem Gebell. Peter deutete dieses Verhalten erst als Beschützerinstinkt und lobte seinen Langhaar auch noch für derartige Spektakel. Diese gegenseitige Fehlinterpretation des jeweiligen Verhaltensmusters mündete darin, dass sich der sonst lammfromme „Hägar“ bei beginnender Dunkelheit in einen aggressiven Hund verwandelte, der sich auf alles stürzen wollte. Durch Peters anfängliches Lob steigerte er sich immer mehr in eine rasende Wut, sodass er kaum noch zu bändigen war.

Peters Unsicherheit wuchs mit jedem Zwischenfall und die ganze Situation schaukelte sich immer mehr auf. Bei einem besonders heftigen Wutanfall „Hägars“ versuchte Peter, ihn durch Rucken an der Leine wieder zur Vernunft zu bringen, worauf sich der stattliche Rüde im Unterarm seines Herrn verbiss. So weit hätte es nicht kommen dürfen, denn mit wenigen Korrekturen an Peters eigenem Verhalten wäre „Hägar“ nicht zu einem auf diese spezielle Situation beschränkten Problemhund geworden. Es hätte wahrscheinlich schon eine vernünftige Taschenlampe ausgereicht, um dem nachtblinden Hundeführer die nötige Sicherheit zu geben.

Führer Peter ist nachtblind, weshalb er nach Einbruch der Dunkelheit unsicher unterwegs ist. Das deutet sein Deutsch-Langhaar-Rüde als mangelnde Souveränität und übernimmt im Dunkeln dann die Führung. (Foto: Rafal Lapinski)

Hunde mit schwachem Nervenkostüm neigen von sich aus dazu, bei Dunkelheit sehr wachsam zu reagieren und jedes Geräusch und Passanten mit drohendem Gebell zu quittieren. Dies erfolgt jedoch nicht, um ihren Herrn vor Gefahr zu schützen, sondern vielmehr als Eigenschutz. Allein die Klangfarbe des Bellens zeigt deutlich, dass der Vierläufer sehr unsicher ist. Hohler, dunkler Laut, der immer wieder von drohendem Grollen unterbrochen wird, die aufgestellten Nackenhaare und die fast völlig geklemmte Rute verraten recht schnell den Hasenfuß. Durch die Tiefe des Lautes versucht unser Zögling, seinen potenziellen Gegner zu beeindrucken und ihm Stärke und Körperkraft vorzugaukeln. Wird ein wesensschwacher Hund in dieser Situation von seinem Führer gelobt, verfestigt sich dieses Fehlverhalten im Lauf der Zeit und kann zur Eskalation führen.

Sollte der eigene Vierläufer im Dunkeln derartig reagieren, tut der Hundeführer gut daran, überhaupt nicht auf das Gebaren seines Hundes zu reagieren. Stattdessen wird er kurz bei Fuß genommen und „der Störenfried“ mit ruhigem und festem Schritt angesteuert. Es empfiehlt sich, einen Helfer genau zu instruieren, wie er sich zu verhalten hat. Durch das direkte Ansteuern der Zielperson oder der Geräuschquelle demonstriert der Hundeführer Stärke und Sicherheit, die sich auf den Hund übertragen.


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