SCHWARZE ERDE – ROTE BÖCKE
Vom heimischen Rehwild fasziniert, zog es Frank Rakow nach Asien, um die Sibirischen Bockgiganten kennenzulernen. Über mehrere Reisen sammelte er interessante Eindrücke vom Sibirischen Rehwild, ebenso wie über die Entwicklung der Jagd mit Gästen aus dem westlichen Ausland.
Faszinierend war die Weite, Großzügigkeit und Stille der Landschaft vor der Kulisse des Urals, des Gebirges, das Asien von Europa trennt. Teilweise lieblich zu nennende Wiesenpartien, durchsetzt mit Birkenwäldern, dazwischen riesige Getreideschläge und Brachen. Gar nicht so weit entfernt von osteuropäischen Verhältnissen, nur alles ein paar Nummern größer. Die Rehwilddichte hier war nicht besonders hoch, aber durchaus in Größenornnungen, die eine erfolgreiche Bejagung zulassen würde. Doch da vorher in keiner Weise „Aufklärungsarbeit“ betrieben worden war, dominierte das Prinzip Zufall. Erst auf mein Bitten verzichtete der Rest der Mannschaft aufs Kartenspielen im Bus und besetzte Spekulierposten, wenn wir auf Pirsch oder Ansitz gingen. Ungewohnt waren für uns „Kleinfelder-Europäer“ nicht nur die Dimensionen dieser Region, sondern auch die Entfernungen, die wir täglich auf den abenteuerlichsten Pfaden zurücklegten. War überhaupt ein Ziel gesetzt, bedeuteten drei Stunden intensivster Bandscheibenmassage gar nichts. Blieben wir ohne Anblick, wurde ein Drückerle veranstaltet. Damit entkamen wir wenigstens der Holperkiste. Erfolg brachte es jedoch nicht.
An Tageskilometern noch übertroffen wurde drei Jahre später der Aufent- halt im Raum Kustanai, im äußersten Nordwesten von Kasachstan. Die Landschaft präsentierte sich weniger lieblich: vorwiegend Brache, dazwischen inselartige Waldpartien, ganz selten einige Getreideschläge. Der Begriff „Waldsteppe“ trifft diesen Landschaftstypus recht gut. Kilometer um Kilometer haben wir hier abgerissen. Wenn überhaupt Rehe in Anblick kamen, dann brachten sie sich meistens schon auf hunderte von Metern im Hochgeschwindigkeitstempo aus der Gefahrenzone. Egal über welche Schleichwege (wenn es überhaupt Wege waren) die widerstandsfähigen Blattfedern den UAS-Geländewagen schaukelten – die nachtfrischen Reifeneindrücke verkündeten stets die Aktivitäten unserer „Mitjäger“. Immerhin versorgten die Nachtaufklärer am abendlichen Lagerfeuer unseren russischsprachigen Begleiter mit freundlichen Tipps, denn für Wilderer waren wir keine Konkurrenz – weil wir uns ja nur für die Trophäen interessierten und ihnen mit unserer Jagdart eindeutig unterlegen waren.
Bewegung vorhanden. Besonders stolz präsentierten Peter, der Chef des örtlichen Veranstalters Sapsan, und Wladimir ihre großen Wildäcker mit Raps und Luzerne, die sich als Magneten für das Wild erwiesen. Selbst Hochsitze waren vorhanden. Ein Vertreter unserer Berufsgenossenschaft hätte vermutlich nicht einmal den Fuß auf die erste Sprosse der Birkenleiter gesetzt …
Meine „Glückssträhne“ setzte sich fort. Die Mitjäger konnten sich schon fast darauf verlassen, dass am ehesten dort etwas passierte, wo ich nicht war. Besonders schmerzhaft dann die Bemerkung der Erleger: „Das wäre eine Szene für dich gewesen. Es war bestes Licht, als der Bock heranzog. Im Sichtschutz eines Heustadels haben wir uns herangearbeitet. Als er kurz vor einem Birkenwäldchen breit verhoffte, hab’ ich abgedrückt.“ Ja, lieber Frank aus Ulm, Recht hast Du, das wär’s gewesen! Jedenfalls bekam ich langsam das Gefühl, Jagen mit dem Gewehr ist wesentlich einfacher als mit der Kamera. Lediglich krankschießen kann man nichts, höchstens sich krank ärgern, wenn’s nicht klappt. Allerdings hat das den Ehrgeiz nur angestachelt. Die Anziehungskraft der Landschaft mit der speziellen Würze in Form der roten Bockgiganten ist noch größer geworden. Ich muss da wieder hin. Und wenn die richtigen Szenen abgelichtet worden sind, kommt auch das Gewehr zum Einsatz. Mindestens eine Rehkrone über 1 000 Gramm soll mich immer an diese imposanten Rehe in den Weiten Sibiriens erinnern.