Kann die tote Ente in der Jagdhundeausbildung tatsächlich eine Alternative zur lebenden, flugunfähig gemachten sein? Eine Forschungsarbeit an der Universität für Bodenkultur und Veterinärmedizin in Wien ist dieser Frage nachgegangen. Von Katharina Harmel, Josef Troxler und Klaus Hackländer.
Die Ausbildung von Jagdgebrauchshunden hinter der lebenden Ente steht in Deutschland und Österreich stark in der Kritik. Immer mehr werden Forderungen laut, generell die Ausbildung hinter lebendem Wild zu verbieten. Speziell die „lebende Ente“ wird seit mehreren Jahren äußerst kontrovers diskutiert. Dabei wird gefordert, Hunde nur noch an frischtoten Enten auszubilden und zu prüfen. Die Frage, ob sich die frisch getötete Ente als Alternative zur Müller-Ente eignet, wurde in einer Masterarbeit an der Universität für Bodenkultur Wien bearbeitet.
Die Daseinsberechtigung einer Prüfung im Fach Wasserarbeit mit lebender Ente hängt unter anderem von der jagdlichen Entwicklung auf Wasserwild im jeweiligen Land ab. Denn nur, wenn beispielsweise in Österreich auf Wasserwild gejagt wird, werden auch brauchbare Jagdhunde für diese Jagdart benötigt. Das dann der altbekannte Satz: „Jagd ohne (brauchbaren) Hund ist Schund“ an Aktualität nichts verloren hat, ist unbestritten.
In Österreich sind Federwildabschüsse stark rückläufig. Einzig die Gruppe der Wildenten verzeichnete ein Plus von 18 Prozent auf 80 500 Stück (STATISTIK AUSTRIA 2011). Außer Frage steht an dieser Stelle, dass mit dieser Streckenentwicklung auch Hunde gefragt sein werden, die auf Brauchbarkeit geprüft wurden, damit sie im aktiven Jagdbetrieb geflügelte Enten umgehend apportieren können.
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Prof. Müller-Methode: Mit einer Papiermanschette wird die Ente kurzfristig flugunfähig gemacht. |
In der Masterarbeit wurden 20 Hunde verschiedener Rassen über einen längeren Zeitraum bei der Wasserarbeit beobachtet. Die Vierläufer wurden in zwei verschiedene Ausbildungsgruppen eingeteilt: Eine Gruppe wurde auf der alternativen Schwimmspur mit frischtoten Enten, die andere konventionell nach der Methode Prof. Müller ausgebildet. Bei der konventionellen Müller-Methode wird eine lebende Ente mithilfe einer Papiermanschette an einer Schwinge zeitlich begrenzt flugunfähig gemacht. Die Manschette löst sich nach rund zehn Minuten im Wasser, wonach die Ente dann abstreichen kann.
Die alternative Schwimmspur mit frischtoter Ente wurde mit einer Angel erstellt, wobei die tote Ente zum gegenüberliegenden Ufer gezogen und im Schilf versteckt wurde. Alle Übungseinheiten der Hunde wurden in einem Bewertungsbogen detailliert dokumentiert, um die Entwicklung der Vierläufer je nach Ausbildungsgruppe zu erkennen und zu bewerten.
An einem gemeinsamen Prüfungstermin wurden alle Hunde nach der österreichischen Prüfungsordnung auf der Schwimmspur der lebenden Ente (Methode Prof. Müller) geprüft. Der gemeinsame Prüfungstermin war eine vom Österreichischen Jagdgebrauchshunde-Verband (ÖJGV) anerkannte Prüfung, die nach der Österreichischen Prüfungsordnung abgelegt und bewertet wurde. Für die objektive Beurteilung waren grundsätzlich zwei Leistungsrichter der jeweiligen ÖJGV-Verbandsvereine vor Ort. Vor Prüfungsbeginn wurde den Leistungsrichtern nicht bekannt gegeben, nach welcher Methode der jewelige Hund ausgebildet wurde. Dadurch sollte ein Maximum an Objektivität gewahrt bleiben.
Die allgemeinen Ergebnisse des Prüfungstermins sind überraschend. Insgesamt wurden acht alternativ ausgebildete und acht konventionell eingearbeitete Hunde vorgestellt. Von den konventionell ausgebildeten Vierläufern bestanden sechs. Bei den alternativ ausgebildeten vier. Insgesamt wurden während der Prüfung 16 lebende Enten eingesetzt, acht davon kamen zur Strecke. Somit hatten die Enten nach der Müller-Methode eine Überlebenschance von 50 Prozent.
Die statistische Analyse der Richterbewertungen ergab, dass sich die zwei Ausbildungsgruppen, sowohl in der Nasenarbeit auf der Schwimmspur, als auch in der Urteilsziffer, nicht im Prüfungserfolg unterschieden hatten. Selbstverständlich muss dabei auch berücksichtigt werden, dass neben der Ausbildungsart noch weitere Faktoren, wie beispielsweise die Tagesform des Hundes oder der Einfluss des Hundeführers auf seinen Vierläufer, eine große Rolle spielen.
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Grafik: Christoph Höner |
Ebenso wurden die Richterbewertungen bezogen auf das Gesamtbild der zwei Ausbildungsgruppen ausgewertet. Demnach kann man belegen, dass Hunde, die auf der Schwimmspur der Müller-Ente ausgebildet wurden, eher den Anforderungen der Jagdpraxis entsprechen und somit auch brauchbar sind. Hunde, die mit der frischtoten Ente ausgebildet wurden, entsprechen – nach Meinung der eingesetzten Leistungsrichter – weniger den Ansprüchen der Jagdpraxis. Unterstrichen wird dies durch die Situation, dass am Prüfungstag drei Enten lebend gegriffen wurden. Und zwar von drei konventionell ausgebildeten Hunden! Mit großer Wahrscheinlichkeit liegt der Grund darin, dass diese Hunde mehr und bessere Nasenarbeit leisten, weil sie bereits zuvor Erfahrungen auf einer „echten“ Schwimmspur gesammelt haben.
Gewählt wurde die Methode „frischtote Ente“, um das vermeintliche Leid für die Enten zu minimieren. In der statistischen Analyse stellte sich jedoch heraus, dass die alternativ ausgebildeten Hunde mit durchschnittlich 7 Minuten 1,7-mal länger für die Arbeit auf der Schwimmspur hinter der Müller-Ente brauchten, lebenwährend ein konventionell ausgebildeter nur rund 4 Minuten benötigte. An dieser Stelle ist die Belastung für eine kranke Ente im echten Jagdbetrieb zu bedenken, die unter Umständen vor einem derart ausgebildeten Hund deutlich länger leidet. Diese Tatsache spricht eindeutig für die konventionelle Ausbildung und Prüfung an der Müller-Ente.
Weiterhin wurde im Rahmen der Masterarbeit die Methode „frischtote Ente“ auf Zweckmäßigkeit und Praktikabilität überprüft. Im Vergleich zur Schwimmspur mit der Müller-Ente erscheint die Methode „frischtote Ente“ eher nachteilig. Nicht zuletzt bereits deshalb, weil sie einen erheblichen Personal-, Zeit- und Materialaufwand fordert. So wurde im Projekt gewährleistet, dass grundsätzlich ein Tierarzt anwesend war, der die tierschutzkonforme Tötung der Enten sicherstellen konnte. Zum Anlegen der künstlichen Schwimmspur wird eine zusätzliche Person benötigt, die mit dem Umgang von Angelruten vertraut ist. Mit einem routinierten Team benötigte man für eine Übung je Hund ungefähr 45 Minuten.
Zudem lässt sich die Methode „frischtote Ente“ nur an Gewässern mit geringem Uferbewuchs durchführen. Ist dieser zu hoch, lässt sich die Angel mit Bleigewicht nicht zum anderen Ufer werfen.
Kritisch zu betrachten ist auch, dass die künstliche Schwimmspur immer gleich und immer ohne Winkel von Ufer zu Ufer verläuft. Dies stellt somit keine besonders hohen Anforderungen an die Hundenase und ist keineswegs praxisnah. Während des Projektes war bei einigen Arbeitsdauer bis zum Greifen der Ente (in Sekunden) Teilnehmern sogar ein Gewöhnungseffekt zu beobachten. So arbeiteten einige Hundenicht die Schwimmspur, sondern stöberten die frischtote Ente direkt am gegenüberliegenden Ufer auf. Dieses Verhalten wurde unter „keine Spurarbeit“ bis „mäßige Spurarbeit“ im Bewertungsbogen dokumentiert.
Durch die tierschutzkonforme Tötung der Enten unmittelbar vor der Übungseinheit schweißten diese häufig aus dem Schnabel. Es ist davon auszugehen, dass der Schweiß im Wasser die Wittrung der gewöhnlichen Schwimmspur verfälscht. Der genaue Einfluss auf die Nasenarbeit konnte jedoch im Rahmen der Masterarbeit nicht geklärt werden. All diese Punkte zeigen, dass die gewählte Alternativmethode nicht praxisgerecht ist.
Allerdings ist das Apportieren von warmem, frisch erlegtem Federwild für jeden brauchbaren Jagdhund eine unbedingte Notwendigkeit, die auch im Rahmen der Prüfung belegt werden muss. Genau dort stößt jedoch die Variante „frischtote Ente“ an ihre Grenzen. Grundsätzlich ist auch das Risiko viel zu hoch, Hunde nach dieser Methode auszubilden und zu prüfen, um dann im Jagdbetrieb festzustellen, dass der Hund wildscheu ist und lebendem Wild ausweicht. Dieses Szenario wäre weder im Sinne des Tierschutzes noch im Sinne der Waidgerechtigkeit.
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Frischtote Enten schweißen. Der Schweiß könnte die Wittrung auf der Schwimmspur beeinträchtigen.Foto: Shutterstock |
Die Frage nach moralischer und ethischer Integrität ist von besonderer Sensibilität und der Umgang beziehungsweise die Nutzungsform der eingesetzten Ente auf der Schwimmspur wird im gesellschaftlichen Diskurs zumeist sehr emotional behandelt. Die Gesellschaft gibt vor, was moralisch integer ist. Bezüglich der Hundeausbildung an lebenden Enten gibt es derzeit keine allgemeingültige moralische Lösung. Vergleicht man die „frischtote Ente“ mit der konventionellen Methode der kurzfristig flugunfähigen Ente, überzeugt letztere. Moralisch und ethisch korrekt ist in diesem Vergleich nämlich die Überlebenschance für das Wild. Ebenso muss auch hinterfragt werden, ob die Enten, die für die Alternativmethode „frischtot“ eingesetzt wurden, tatsächlich weniger Leid erfahren haben als die lebenden, kurzfristig flugunfähig gemachten Enten.
Die aktuelle politische Entwicklung in den verschiedenen europäischen Staaten ist unklar. Allerdings ist bereits in Frankreich, der Schweiz und in Luxemburg die Ausbildung hinter der lebenden Ente verboten. In Deutschland ist sie nur noch in einigen Bundesländern erlaubt. Fakt ist, dass den Jagdgebrauchshundeführern adäquate Alternativen geboten werden müssen. Altbewährtes ist nicht automatisch für alle Zeiten das Nonplusultra. Aber bevor altbekannte und vor allem praktikable und zweckmäßige Methoden abgeschafft werden, müssen „echte“ Alternativen gefunden und auf Praktikabilität geprüft werden.
Der Verein Grünes Kreuz, der Oberösterreichische und Niederösterreichische Landesjagdverband, der Österreichische Jagdgebrauchshunde-Verband, sowie die Arbeitsgemeinschaft „Tierschutz & Jagd“ haben als Initiatoren dieser Masterarbeit einen wesentlichen Fortschritt in der Jagdkynologie erzielt. Mit diesen Ergebnissen sollte künftig zielstrebig umgegangen werden. Die Masterarbeit verdeutlicht auch die Notwendigkeit weiterer wissenschaftlicher Studien zu dieser Thematik mit einem größeren Datensatz.
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Szene aus der Jagdpraxis: die angeschossene Ente rudert mit ihren Latschen und versucht, dem Hund zu entkommen. Auf solche realen Situationen kann man einen Hund mit der frischtoten Ente nicht vorbereiten.Fotos: Thore Wolf |