AUSBILDUNG UND PRÜFUNG
In immer mehr Bundesländern wird die Ausbildung von Jagdhunden an der sogenannten
Müller-Ente verboten. Ist die Variante der kurzzeitig flugunfähig gemachten Ente
ein Auslaufmodell? Sollten sich Zucht- und Prüfungsvereine eine Alternative überlegen?
Thore Wolf
Foto: Michael Migos
„Die Müller-Ente ist tot – lang lebe die Müller-Ente.“ Kaum ein Spruch könnte die seit Jahren dauernde Diskussion um die Jagdhundeausbildung an der lebenden, flugunfähig gemachten Ente besser treffen. In immer mehr Bundesländern wird sie verboten, zuletzt in Nordrhein-Westfalen. Dort wurde 2015 im Zuge der Jagdgesetznovelle die kurzfristig mittels Papiermanschette an den äußeren Schwingenfedern flugunfähig gemachte Ente durch die flugfähige ersetzt. Ein weiterer Sieg grüner Ideologen auf dem Weg, die Jagdhundeausbildung an lebenden Tieren einzuschränken oder gar abzuschaffen. Ein weiterer herber Verlust für das Jagdgebrauchshundwesen. Und das in einem der größten Bundesländer mit zahlreichen Niederwildrevieren und einer hohen Zahl an Vorstehhunden.
Somit bleiben neben den ostdeutschen Bundesländern nur noch drei Flächenstaaten im Westen, in denen die Hundeausbildung an der Müller-Ente erlaubt ist. Doch Niedersachsen ist mit grüner Regierungsbeteiligung gesegnet, in Baden-Württemberg läuft alles darauf hinaus, dass auch weiterhin die Grünen in der Regierungsverantwortung stehen.
In diesen Ländern ist die Müller-Ente zwar erst einmal gerettet, doch hängt sie auch nur an einem seidenen Faden. So besteht in Baden-Württemberg immer noch die theoretische Möglichkeit, per Verordnungsweg die Hundeausbildung an der flugunfähig gemachten Ente zu verbieten. In Niedersachsen träumte der grüne Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Christian Meyer, im vergangenen Jahr ebenfalls noch von einer Jagdgesetzreform, die er aber zumindest in dieser Legislaturperiode nicht gegen den Widerstand in der SPD-Fraktion durchsetzen konnte. Nur in Bayern geht in Sachen Müller-Ente noch alles seinen gewohnt ruhigen Gang. Wird diese Methode über kurz oder lang ein Auslaufmodell? Könnte dabei die Schleswig-Holstein-Variante (siehe Kasten, S. 31), wie sie nun auch in Nordrhein-Westfalen angewendet wird, ein Zukunftsmodell sein?
Zuletzt führten solche Gedankengänge auf der Hundeobleutetagung des nordrhein-westfälischen Landesjagdverbandes zu großem Unmut. Während der Versammlung bezeichnete der Vorsitzende der Jagdkynologischen Vereinigung, Werner Rohe, die Schleswig-Holstein-Ente als akzeptable Lösung. Dies sorgte vor allem bei den Vertretern der Zuchtvereine für große Verärgerung (siehe WuH 6/2016). „Kein Wunder“, resümiert WuH-Hunde-Experte Sascha Schmitt, „denn mit der voll flugfähigen Ente kann man höchstens das Verhalten eines Hundes vor dem Schuss beurteilen. Zudem bietet dieses Modell keine gleichen Voraussetzugen, weil ein Großteil der Enten unbeschossen abstreicht. Ein Hund bekommt dann vielleicht eine tote Ente zum Apportieren, der nächste eine krankgeschossene und der dritte gar keine. “
„Im JGHV und in den Zuchtvereinen wollen wir einerseits sehen und beurteilen, wie sich der Hund an einer simuliert kranken Ente verhält“, sagt JGHV-Präsidiumsmitglied Friedhelm Röttgen. „Andererseits sollen dabei für die Zucht relevante Eigenschaften des Hundes beurteilt werden. Denn nur eine kurzfristig flugunfähig gemachte Ente verhält sich wie eine krankgeschossene und verlangt dem Vierläufer durch ihr Fluchtverhalten einiges an Wildschärfe und Passion ab.“
Praktiker und Hundeführer Sascha Schmitt kann das aus eigener Erfahrung bestätigen: „Im Wasser wird ein Hund anders gefordert. Er ist in einem anderen Element, wo er noch mehr Härte und Durchhaltewillen zeigen muss als an Land. Da werden sofort Wesensmängel sichtbar, wenn die Ente mit den Schwingen schlägt oder wegtauchen will. Nur dann wird deutlich, wie stark Beutetrieb und Finderwille des Hundes sind. An einer flugfähigen Ente kann er diese Qualifikationen weder lernen noch zeigen. Jeder, der schon einmal auf einer Entenjagd war, weiß, dass gesunde Enten schnellstmöglich aufs offene Wasser schwimmen und abstreichen, sobald sie beunruhigt werden. Dies entspricht in keiner Weise dem Verhalten einer kranken Ente, die durch Tauchen und Wegdrücken versucht, sich dem Hund zu entziehen. “
Dieses Problem hat man auch schon in Nordrhein-Westfalen festgestellt. Nicht umsonst will man dort von Seiten des Landesjagdverbandes die Übungs- und Prüfungsgewässer ertüchtigen und die Schilfgürtel der Gewässer von den vorgeschriebenen 500 Quadratmetern Mindestgröße auf mindestens 750 ausdehnen. Finanziert werden soll dieses zu 80 Prozent aus Fördermitteln der Jagdabgabe, die restlichen 20 Prozent sollen die Prüfungs- und Zuchtvereine tragen. Der Grund dahinter: Je größer der Schilfgürtel, desto länger kann theoretisch die Schwimmspur sein , welche die flugfähige Ente hinterlässt.
Dennoch, so sind sich die Verantwortlichen im JGHV einig, kann damit nicht das Verhalten einer kranken Ente simuliert werden. „Dazu kommt es bestenfalls, wenn die Ente versehentlich angebleit wird“, sagt JGHV-Präsident Werner Horstkötter, „aber dann sind die meisten Hunde überfordert, weil sie bei der Einarbeitung mit der flugfähigen Ente noch gar nicht gelernt haben, diese zu verfolgen, um Beute zu machen.“
Die Folge ist ein unnötig herausgezögertes Leiden der Ente. Aus diesem Grund lehnt der JGHV die Ausbildungsmethode an der voll flugfähigen Ente als nicht tierschutzgerecht ab. „Im Unterschied dazu wissen Hunde, die nach der Müller-Methode eingearbeitet wurden, genau, wie sie an die kranke Ente kommen“, bekräftigt Horstkötter.
Die Arbeit an einer toten Ente – wie in Rheinland-Pfalz – reicht nicht, um zuchtrelevante Eigenschaften eines Hundes zu prüfen. Foto: Tanja Brandt
Daran stört sich grüne Ideologie: Mit einer Papiermanschette an den äußeren Schwungfedern wird eine Ente kurzzeitig flugunfähig gemacht. Foto: JGHV
Die Müller-Methode:
Bei dieser Methode wird eine Ente mittels einer Papiermanschette vorübergehend flugunfähig gemacht. Dazu wird diese einseitig um die äußeren Schwingenfedern gewickelt. Im Wasser soll der Breitschnabel somit das Verhalten eines geflügelten Artgenossen zeigen. Binnen weniger Minuten weicht die Papiermanschette auf, und die Ente ist wieder flugfähig. Hat der Hund seine Leistung im Fach „Stöbern mit Ente im deckungsreichen Gewässer“ gezeigt, wird das Geflügel geschossen, der Hund soll es bringen.
Die Schleswig-Holstein-Methode:
Dabei wird eine voll flugfähige Ente in die Deckung gesetzt, wo sie eine ausreichende Schwimmspur für den Hund hinterlassen soll. Sobald sie abstreicht, darf auch sie erlegt werden, der Hund soll sie dann im Anschluss apportieren. Kann das Geflügel nicht erlegt werden, wird eine tote Ente für den Hund sichtbar ins Wasser geworfen. In Hessen läuft das Verfahren ähnlich, wobei dort die Ente nicht erlegt werden darf.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Müller-Ente nur noch in acht Bundesländern erlaubt ist (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen), fordern kritische Stimmen, die flugfähige Ente als zusätzliche Alternative in die Verbandszuchtprüfungsordnung (VZPO) des JGHV aufzunehmen und zweigleisig zu fahren. „Vielleicht müssen wir, wenn die politische Entwicklung derart weitergeht, irgendwann einmal einen solchen Schritt tun, weil uns nichts mehr anderes übrig bleibt. Im Moment sehen wir dazu jedoch überhaupt keinen Anlass. Ganz im Gegenteil: Solange es noch möglich ist, werden wir an der Müller-Ente als einzige tierschutzgerechte Variante in der Hundeausbildung und -prüfung festhalten“, sagt JGHV-Präsidiumsmitglied Friedhelm Röttgen.
Sowohl nach seiner Ansicht als auch der vieler namhafter Kynologen führt das kurzfristige „Flugunfähig- machen“ mit einer Papiermanschette bei den Enten zu ihrem natürlichen Fluchtverhalten, das sie auch während der alljährlichen Mauser zeigen.
Dass die Müller-Methode nicht nur tierschutzgerecht ist, sondern auch zu keiner nennenswerten Stressbelastung der Enten führt, hat bereits 1996 Manfred Pegel von der Wildforschungsstelle Aulendorf (Baden-Württemberg) herausgefunden. Während dieser Untersuchung erkannten die Wasservögel sehr rasch ihre Überlegenheit in der Flucht.
Wurden sie vom Jagdhund nicht hart genug bedrängt, widmeten sie sich sogar der Gefiederpflege. Damals wurden insgesamt 492 Arbeiten von Hunden an Enten untersucht.
Auch eine vom JGHV in Auftrag gegebene Studie von Dr. Heinrich Spittler bestätigt, dass die Müller-Methode zu „geringem Stress“ bei den Übungsenten führt. Zudem hat die Untersuchung gezeigt, dass Jagdhunde eben nicht von sich aus den Anforderungen genügen, die der Gesetzgeber von einem brauchbaren Hund für die Jagd auf Wasserwild verlangt, „sondern dass es hierzu einer entsprechenden Ausbildung bedarf.“ Spittler geht in seinem Fazit sogar so weit, dass er infrage stellt, ob tatsächlich maximal drei Übungsenten für eine adäquate Ausbildung ausreichen. In einem Interview mit dem JGHV betonte der Wissenschaftler, dass zuständige Politiker und Ministerien nicht daran vorbeikommen, die Methode der Müller-Ente zu tolerieren, sondern sie sogar fordern müssten, wenn sie tierschutz- und jagdrechtlichen Vorgaben gerecht werden wollten oder es ernst damit meinten.
„Gegen Ideologie nützen keine noch so wissenschaftlichen Sachargumente“, resümierte JGHV-Präsident Horstkötter auf der diesjährigen Hauptversammlung des Verbandes am 20. März in Fulda (Hessen). Ebenso wurde die gültige Verbandszuchtprüfungs-Ordnung (VZPO) inkusive der „Notlösung Ente“ um ein Jahr verlängert (siehe S. 35). Für Hundeführer aus Bundesländern, in denen die Müller-Ente nicht erlaubt sei, sei es nun auch möglich, eine Herbstzuchtprüfung an zwei Tagen abzuhalten, um die Wasserarbeit mit lebender, kurzzeitig flugunfähig gemachter Ente „stressfrei“ in einem benachbarten Bundesland zu absolvieren, kündigte JGHV-Prüfungsobmann Josef Westermann an.
Die seit 1994 bereits bestehende „Notlösung Ente“ besagt unter anderem, dass Hunde in den Ländern, in denen die Müller-Ente verboten ist, sowohl Herbstzuchtprüfung (HZP) als auch Verbandsgebrauchsprüfung (VGP) nach den gültigen Prüfungsordnungen ohne das Fach „Stöbern mit Ente im deckungsreichen Gewässer“ absolvieren können. In der Ahnentafel wird dann der Zusatz „o. l. E. (ohne lebende Ente)“ vermerkt. Diese Hunde können nach bestandener HZP während einer Jagd ihr Können an einer angebleiten Ente unter Beweis stellen, sofern drei Richter anwesend sind. Ebenso können sie nachträglich auf einer anderen HZP das fehlende Fach „Stöbern mit Ente im deckungsreichen Gewässer“ nachholen.
Beim genauen Blick in die Statistiken des aktuellen Gebrauchshund-Stammbuchs des JGHV wird deutlich, dass die Müller-Ente noch längst nicht tot ist. So haben 2014 von insgesamt 2 988 auf HZPen geprüften Hunden nur 234 nicht an der Müller-Ente gearbeitet. Interessant könnten die Zahlen des vergangenen Jahres werden, bei denen bereits in Nordrhein-Westfalen keine Arbeit an der Müller-Ente mehr möglich war. Zudem ist noch lange nicht gesagt, dass die Müller-Ente keine Renaissance mehr in den jetzigen Verbotsländern erfahren könnte. Erfahrungsgemäß können sich politische Mehrheiten schnell ändern“, folgert Röttgen vom JGHV.