ABSCHUSS VON KÄLBERN UND ALTTIEREN
Anhand von Beispielen aus der Praxis widmet sich der Autor dem Abschuss des Rotkahlwildes. Er bekennt sich zu einem beherzten Eingriff in die Jugendklasse und befürwortet auch eine verantwortungsvolle Auslese bei den Alttieren, wenn der Bestand begrenzt werden soll. Doch um Schäden im Wald zu vermeiden, darf nach seiner Ansicht nicht nur die Büchse sprechen.
wollte ich 2004 vor der Auflösung des Amtes durch die Forstreform versuchen, mein mageres Streckenergebnis daselbst zu verbessern. Nach der Brunft saß ich auf dem „Lieblingssitz“ von Julius Durst, dem Leiter des inzwischen aufgelösten Forstamtes Witzenhausen. Der Hochsitz steht am Rand einer zum Teil verwilderten größeren Äsungsfläche, die inmitten eines umfangreichen jüngeren Fichtenbestandes liegt. Die uniforme Bestockung ist durch Schneisen, die alle auf den Sitz zulaufen, gut erschlossen. Schon nach einer Viertelstunde sah ich Wild. Auf der Freifläche erschien im Gefolge einer Ricke ein Einstangenbock. Fast gleichzeitig zeigte sich auf einer der Schneisen Rotwild. Ein Tier und ein Kalb ästen auf dem spärlich mit Gras und Kräutern bewachsenen Streifen. Bald gesellte sich ein mittelalter Kronenzehner hinzu. Aber für einen sauberen Schuss auf das Kalb war die Entfernung zu groß. Nach einer Weile wechselten die drei Stücke in die Fichten zurück, und das Rehwild trollte sich ebenfalls.
Just, als in der Ferne das Lichterspiel von Kassel zu leuchten begann, erschien erneut Rotwild. Nahe der Einmündung eines Gestelles auf den Randweg des Fichtenblockes drängten sich in Schussentfernung zwei Alttiere, zwei Kälber und ein Schmaltier über den Aufhieb. Das eine Kalb war schwach, das andere deutlich stärker. Doch ich bekam das geringe Stück nicht frei und musste das Rudel unbeschossen über die Schneise ziehen lassen. Ich rechnete damit, dass das Wild in der Deckung des Bestandes zur Äsungsfläche ziehen würde und richtete mich für einen weiten Schuss ein. Mein Wetterfleck wurde als Unterlage für die leichte und führige Kipplaufbüchse auf die Brüstung des Hochsitzes gelegt. Als Vorhut des Rudels erschienen ein Alttier und das schwache Kalb auf der teilweise noch begrünten Wildnis. Beide Stücke äugten zurück. Ein Zeichen, dass der Rest des Verbandes nachrücken würde. Doch ich wartete sein Austreten nicht ab, sondern backte an und zielte. Als die Spitze des Abkommens kurz hinter dem Blatt des Kalbes stand, drückte ich ab. Das Mündungsfeuer blendete mich zwar für einen Augenblick, aber ich glaubte dennoch, erkannt zu haben, dass Tier und Kalb gemeinsam in die Fichten geflüchtet seien. Missmutig schüttelte ich den Kopf, denn das Stück musste die Kugel im Leben haben. Es galt nachzuschauen. Auf dem Anschuss fand ich weder Schnitthaar, Schweiß noch Knochensplitter. Die Dämmerung erschwerte die Kontrolle. Eine Nachsuche war fällig. Aber ich war doch gut abgekommen und befürchtete deshalb, dass das Kalb schon verendet sei und über Nacht verhitzen oder von Füchsen angeschnitten würde. Auch Sauen konnten Interesse an Stück bekunden, es als Fraß aufnehmen. Da kam mir die Erfahrung in den Sinn, dass Jäger nahes Rot- oder Schwarzwild riechen können. Also bückte ich mich und ging tief gebeugt langsam den Dickungsrand im Anschussbereich entlang. Nach wenigen kurzen Schritten registrierte meine Nase die strenge Duftmarke von Rotwild. Das Kalb lag vor mir in der aufgehenden Dickung. Ein Kammerschuss hatte es zur Strecke gebracht. Die Freude über die Erlegung und das Auffinden des Wildkalbes war groß. Auch Julius, der mich schon gesucht hatte, freute sich. Natürlich kann der ehemalige Schweißhundführer Hopp keinen Schweißhund ersetzen, und er will auch mit diesem Glücksfall für keine eigenmächtigen Nachsuchen werben. Doch wer sich seiner Kugel sicher ist, der darf wohl in einer Zeit äußerst strenger Vorschriften für Wildbrethygiene im engen Anschussbereich seine Nase einsetzen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie, wie bei Weinliebhabern, fein ist.
werden. Trotzdem gilt auch in diesen Jagdbezirken bei Vergleichsmöglichkeiten die jagdliche Grundregel „schwach vor stark“. Starke Kälber werden vor allem auch dann der Wildbahn zu entnehmen sein, wenn mit dem Abschuss des Nachwuchses aus ökonomischen und biologischen Gründen erst nach der Brunft begonnen wird. Durch den relativ späten Jagdbeginn für Kälber kann der Jagddruck in den Sommermonaten gering gehalten werden. Im Herbst sind die Verkaufserlöse für Kälber auf Grund ihrer höheren Wildbretgewichte allgemein besser als im Sommer. Außerdem lässt die Laktation bei den führenden Alttieren langsam nach. Und schließlich ist bei der heutigen Unruhe in den meisten Revieren die Verkürzung der Zeit einer intensiven Jagdausübung im Interesse des Wohlbefindens des Wildes ein wesentlicher Faktor der Hege. Wenn, wie im Rotwildgebiet Spessart, nach den Abschussrichtlinien der jährliche Streckenanteil an Wild- und Hirschkälbern (Altersklasse IV) jeweils 50 Prozent betragen soll, müssen die großen Einstandsreviere einer Hegegemeinschaft mit hohem Rotwildbestand zahlreiche Kälber zur Strecke bringen. In ihnen muss daher jede Gelegenheit zur Kahlwildbejagung genutzt werden, um im Interesse der Wildhege möglichst frühzeitig – bis zum 31. Dezember – die Jagdausübung beenden zu können. Geschieht das nicht, dann wird im Januar der Jagddruck zur Abschusserfüllung durch die Einlage zusätzlicher Gemeinschaftsjagden sogar noch erhöht. Im Verbund mit der vorgesehenen Entnahme von Schmaltieren (5–15 Prozent), die jedoch nicht ausgeschöpft werden sollte, sondern allenfalls 10 Prozent betragen darf, kann im hessischen Spessart beim weiblichen Wild der jährliche Streckenanteil an Kälbern und einjährigen Stücken zusammen maximal 60 Prozent betragen. Das jährliche Abschuss-Soll für Hirschkälber (50 Prozent) und an jungen Hirschen (1- bis 4-jährige / 35 Prozent) ist insgesamt auf maximal 85 Prozent des geplanten Abschusses an männlichem Wild begrenzt. Beachtet man diese Regelungen, kann eine Population altersklassenmäßig gut geordnet werden. Das setzt allerdings voraus, dass die Hegegemeinschaft im Interesse eines ausgewogenen Altersklassenverhältnisses keine Aufstockung des Alttierbestandes, die eine Vergrößerung der Zuwachsbasis bedeuten würde, zulässt. Es ist daher unabdingbar, dass beim Abschuss je Jagdjahr auch ein angemessener Streckenanteil an Alttieren erreicht wird. Er soll im Rotwildgebiet Spessart bis 40 Prozent des Abschusssolls für die weibliche Teilpopulation betragen. Bei einem stückzahlmäßig ungenügenden Abschuss von Alttieren darf der Abschuss von Schmaltieren keineswegs zur Abdeckung der Differenz zwischen Soll und Ist bei den Alttieren erhöht werden. Eine derartige Maßnahme gefährdet das Ziel der Zuwachsbegrenzung und ist wildbiologisch problematisch. Ein hoher Abschuss an Wildkälbern und eine erhöhte Entnahme von Schmaltieren stört das Altersklassenverhältnis der weiblichen Teilpopulation.