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Schwarzwild gemeinsam jagen

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Schwarzwild gemeinsam jagen

SCHWARZWILD GEMEINSAM JAGEN
Zwei Revierkooperationen haben eines gemeinsam: Die Abschusszahlen liegen weit über dem Landesdurchschnitt, und die Wildschäden sind gering. Welche unterschiedlichen Wege zu diesem Ergebnis führen, hat sich Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel angesehen.

Dass Schwarzwild europaweit zunimmt, weiß jeder. Offen bleibt aber noch immer die Frage, wie man es mit jagdlichen Mitteln in den Griff bekommt? Und auf welches Maß der
Bestandesreduzierung soll man sich als Ziel verständigen? Eine für alle Beteiligten tragbare
Höhe von Wildschäden scheint dafür ein vernünftiges Maß zu sein. Zwei Beispiele – eines in einem feld-, das andere in einem waldreichen Gebiet – zeigen, wie auf verschiedenen
Wegen dieses Ziel erreicht werden kann.

Beispiel 1: Drei Gemeinschaftliche Jagdbezirke (GJB) in Brandenburg Die drei GJB mit zusammen etwa 3 200 Hektar (ha) liegen in einem durch Intensivlandwirtschaft geprägten,
relativ waldarmen Gebiet. Im Wesentlichen besteht die dortige Landwirtschaft aus einem Betrieb mit zehn Biogasanlagen und einem Schweinemastbetrieb. Silomais, Winterroggen und Körnermais sind neben gelegentlich angebautem Raps, Gerste und Weizen die  überwiegenden Sorten. Die Schlaggrößen liegen zwischen 40 und 150 ha. In den vergangenen beiden Jahren sind große Flächen im Winter mit Senf oder anderen Zwischenfrüchten begrünt worden. Seitdem sind die Sauen im Winter nur noch sporadisch
im Wald anzutreffen. Dieser wird von wirtschaftlich geprägten Kiefernbeständen dominiert.
Eiche ist nirgends bestandsbildend, Buche fehlt komplett. Entsprechend spielt Waldmast eine untergeordnete Rolle. Nur wenige dichtere Partien bieten Tageseinstände für die Sauen.

Die Jagdpächter und alle Mitjäger der drei GJB haben Begehungsscheine für die drei beteiligten Reviere. Mit anderen Worten: Zwölf Jäger können die gesamte Fläche  gemeinsam bejagen und tauschen Informationen regelmäßig aus. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Vor einigen Jahren gab es eine Wildschadensforderung im fünfstelligen Bereich. Jetzt kann sich kaum noch jemand daran erinnern, wann das letzte Mal Wildschaden ausgeglichen werden musste. Daran hat aber auch die Landwirtschaft erheblichen Anteil: „Wenn wir sehen, dass ihr Jäger euch Mühe gebt, dann melden wir auch
nicht jeden Schaden gleich an“, heißt es sinngemäß von dieser. So sieht das dortige  Erfolgs-Rezept aus: Frischlinge werden zwar so früh und so scharf wie möglich bejagt, in der dichten Vegetation der Agrarflächen ist das aber kein leichtes Unterfangen. Entsprechend gering ist der Frischlingsanteil am Gesamtabschuss. Ein Schwerpunkt sind die Jagden Ende Mai beim Abhäckseln von Winterroggen für die Biogasanlage sowie
bei der Maisernte. Diese Einsätze bringen knapp über die Hälfte der Jahresstrecke.
Meist kommen dabei nur wenige Jäger zum Einsatz. Sie sind gut aufeinander eingespielt, bringen die nötige Entschlossenheit mit und haben die unabdingbaren Sicherheitsregeln verinnerlicht. Gemeinsames Üben auf dem Schießstand und im -kino sind Teil der
Vorbereitung. Bei den Jagden werden ausschließlich mobile Ansitze genutzt. Zudem können über Funksprechgeräte während der Jagd alle miteinander kommunizieren. So sind die Jäger in in der Lage, sich gegenseitig auf Bewegungen der Rotten im Schlag aufmerksam
zu machen und gegebenenfalls gemeinsam zu reagieren. Zunehmend gewinnt auch die Jagd auf den Flächen mit Winterbegrünung an Bedeutung. Wenn Wildschadensverhütung
auf landwirtschaftlichen Flächen im Vordergrund steht, wie das in den drei GJB der Fall ist, lassen sich wildbiologische Vorgaben zur Streckenqualität nicht unbedingt einhalten.
So werden dort auch allein ziehende Überläuferkeiler auf potenziellen Schadflächen nicht geschont – das Ziel, reife Keiler zu haben, hin oder her. Im Spätwinter konzentrieren sich
die Jäger zudem auf die Erlegung beschlagener Überläuferbachen. Insofern ist der Streckenanteil der Überläufer höher als der Frischlingsanteil. Die Teilnahme an einer revierübergreifenden Bewegungsjagd mit sechs weiteren Jagdbezirken ergänzt das jagliche
Repertoire. Dabei ist die Schwarzwildstrecke aber meist recht gering, da sich die Sauen selbst im Winter nur sporadisch in der trockenen „Kiefernwüste“ aufhalten.

Seine Gesamtfläche beträgt 85 000 ha, umfasst circa 300 Reviere und untergliedert
sich in sieben Hegeringe sowie zwei Forstämter. Der Waldanteil im Hochwildring ist mit 46 Prozent relativ hoch und das Mastangebot abwechslungsreich.
Anders als in Beispiel 1 wird Mais in den Feldbereichen zwar angebaut, dominiert aber nicht die Landwirtschaft. Die dortige Schwarzwildstrecke liegt auch deutlich über dem Landesdurchschnitt. Sicherlich wird das von den naturräumlichen Gegebenheiten, die etwa gute Einstände bieten, begünstigt. Ein wesentlicher Grund sind jedoch revierübergreifende
Bewegungsjagden.

Ziel davon ist es, vorrangig Schwarzwild zu bejagen, um Wildschäden zu vermeiden. Über die Jahre hat sich dafür das Bewegungsjagd-Konzept als sehr effizient herausgestellt. Der Fokus liegt dabei auf Frischlingen und Überläufern. Die anderen Schalenwildarten (Reh-, Rot-, Dam- und Muffelwild) werden ebenfalls mit bejagt. Die intervallartig verteilten Jagden verhindern ständigen Jagddruck und ermöglichen dem Wild, seinen natürlichen Rhythmus leben zu können. Unter anderem soll Rotwild dadurch wieder vermehrt tagaktiv werden. Besonders ist, dass die Reviere aller Besitzarten dieses Jagdkonzept auf breiter Linie unterstützen.

Bei den Jagden kommt im Mittel ein Sitz auf 10 ha Waldfläche zum Einsatz – aus  Sicherheitsgründen stets Drückjagdböcke. Zwei bis drei Wochen vor einer solchen Jagd wird in den Revieren Ruhe gehalten. Die Freigabe von Schwarzwild ist bei den Bewegungsjagden im Herbst sehr liberal. Lediglich starke Bachen sollen nicht erlegt werden. Konkret heißt das: Das eine Rotte anführende starke Stück ist zu schonen.
Ebenso muss bei einzeln ziehenden starken Stücken zunächst sauber angesprochen werden, ob es sich um Keiler oder Bache handelt. Nach der Jagd ist vor der Jagd. Alle
Wildbewegungen, Anschüsse und sonstigen Beobachtungen der Schützen, Treiber und Hundeführer werden nach dem Jagdtag gemeinschaftlich ausgewertet. Das liefert Erkenntnisse für die Pläne kommender Jahre.

Fazit: An den zwei Beispielen wird deutlich, wie man mit Schwarzwild sowohl in feld- als auch in walddominierten Revieren jagdlich umgehen kann, um Wildschäden in den Griff zu
bekommen. So verschieden die jeweiligen Ausgangssituationen auch sein mögen, eines zeigt sich deutlich: Das Zauberwort heißt „gemeinsam“! Nur wenn Jagdneid und Revieregoismus überwunden werden, lässt sich der Schwarzwildbestand auf ein mit der
Landeskultur verträgliches Maß einpegeln. In beiden Gebieten werden deutlich höhere Strecken als im Landesdurchschnitt erzielt. In Brandenburg zeigt sich, dass die Kooperation
der drei GJB, insbesondere bei den Erntejagden, Früchte trägt.

Wie in vielen deutschen Revieren auch, wurden sowohl im HR Göhrde als auch in den GJB mehr männliche als weibliche Überläufer erlegt. Bei älteren Sauen sollten eigentlich
auch deutlich mehr Bachen als Keiler gestreckt werden. Das leichte Missverhältnis fällt aber, gemessen am Anteil an der Gesamtstrecke (bei beiden Kooperationen lediglich sieben
Prozent), nicht besonders negativ ins Gewicht. Der Streckenanteil älterer Sauen ist generell bei beiden Beispielen recht gering. Wer aber einen höheren Anteil adulter Bachen fordert, sollte sich immer vor Augen führen, dass alte Stücke bereits den Großteil ihrer Reproduktionsleistung hinter sich haben. Sie sind nicht mehr die Hauptzuwachsträger,
spielen aber für die Sozialstruktur eine wichtige Rolle. Frischlings- und Überläuferbachen
haben hingegen fast das ganze Reproduktionsleben noch vor sich. Eigentlich sollte der weitaus überwiegende Streckenanteil bei Frischlingen realisiert werden. Die Forderung der
Wildbiologen lautet sogar: 80 Prozent jedes Frischlingsjahrgangs sollten gestreckt werden. Das lässt sich in der Praxis allerdings kaum verwirklichen. Im Normalfall sollten mehr als doppelt so viele Frischlinge wie Überläufer erlegt werden. Im HR Göhrde bestehen immerhin 57 Prozent der Strecke aus Frischlingen. In den GJB in Brandenburg ist das
Verhältnis Frischlinge zu Überläufern exakt umgekehrt. Durch die Konzentration auf beschlagene Überläuferbachen wird dieses Manko allerdings ausgeglichen. Denn der dortige Frischlingsanteil ist deutlich höher, wenn die ungeborenen Frischlinge miteingerechnet
werden. Obwohl also nicht das geforderte Soll bei der Abschussverteilung der jeweiligen Altersklassen eingehalten werden konnte, stellte sich der Erfolg dennoch ein: Die Schäden
wurden deutlich verringert.

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