SCHWARZWILD LOCKEN
Dass Schwarzwild untereinander kommuniziert, ist kein Geheimnis. Aber lassen sich Sauen auch mit nachgeahmten Rufen vom Jäger locken? Thore Wolf
Im Maisacker tun sich die Sauen an den Kolben gütlig. Bald ist das Licht des flachen Sommermondes stark genug. Von der Leiter aus sind die Schwarzkittel nicht zu sehen. Wenn sie jetzt nur auf die Wiese ziehen würden. Aber den Gefallen tun sie dem Jäger nicht. Ob man sie wie einen Bock zur Blattzeit oder einen Fuchs locken kann? „Geht nicht“, sagen viele Sauenjäger. „Geht doch, hängt jedoch – wie bei der Blattjagd – von vielen Faktoren ab“, sagt Siegfried Erker. „Sauen stehen nicht so schnell zu wie ein liebeshungriger Rehbock. Aufgrund ihrer Schlauheit kommen Sauen überlegter und vorsichtiger.“ Über die
Lockjagd auf Schwarzwild hat der Österreicher ein eigenes Buch geschrieben. Sowohl in freier Wildbahn als auch in Großgattern mit über 1 000 Hektar Fläche konnte er über ein Jahrzehnt lang Erfahrungen mit der Lockjagd auf Sauen sammeln. Damit aber nicht genug. Erker hat sogar verschiedene Locker selbst entwickelt. Für ihn ist das nachgeahmte
Grunzen einer im Gebräch stehenden Rotte der effektivste Ruf, sie zu locken beziehungsweise nahe an sie heranzukommen. Von den rund 250 Sauen, die auf sein Grunzen zugestanden sind, entfällt das Gros mit 131 Stück auf Frischlinge und mit 91 Stück auf Überläufer. Der Grund: Die jungen unerfahrenen Stücke suchen den Anschluss
an eine Rotte. Gerade auf Bewegungsjagden will der Österreicher diese Erfahrungen
mit versprengten Frischlingen gemacht haben. Revierjagdmeister und WILD UND HUND-Autor Sascha Schmitt sieht den Erfolg des aktiven Anlockens der Sauen eher skeptisch. Auch er hatte in einem von ihm betreuten Schwarzwildgatter Gelegenheit, dementsprechende Versuche zu starten. Das einzige, worauf ein Schwarzkittel reagierte, war der nachgeahmte Klageruf eines Frischlings zur Sommerzeit am Rande eines Einstandes. Allerdings mit mäßigem Erfolg: Denn im Nu stand die führende Bache mit aufgestellten Tellern und Federn vor dem Berufsjäger. Ein Effekt, den Schmitt aus dem Einsatz mit Hunden kennt: „Wenn ein Hund im Mais einen Frischling packt und dieser
klagt, ist auch häufig gleich die Bache zur Stelle, um die Vierläufer anzunehmen.“ Der einzige Lockruf, der nach Meinung des Revierjagdmeisters wirklich in der Jagdpraxis nützt, ist das Grunzen: „Wenn eine Rotte Sauen den pirschenden Jäger mitbekommen hat,
kann er diese mit den ganz üblichen Grunz geräuschen wieder beruhigen“, so Schmitt.
Diese Erfahrung hat auch der schwedische Jagdpraktiker und Wildtierfotograf Kristofer Hansson gemacht. Er schwört dabei auf den Schwarzwildlocker „Nordik Boar“: „Selbstverständlich kann man auch ohne Lockinstrument grunzen. Aber es ist eine optimale Verlängerung der menschlichen Luftröhre und macht somit den Klang etwas realistischer.“
Für den Schweden hat das Locken nebenbei einen gewissen „Tarneffekt“: „Wenn man brechende Sauen bei Nacht anpirscht und fortwährend dabei grunzt, fühlen sie sich sicher.“ Hansson ist es auf diese Weise häufiger gelungen, bis auf wenige Meter an das Schwarzwild
heranzukommen.