Handy oder Schlüssel verloren? Kein Problem! Wie Sie Ihrem Hund das sichere Verlorenbringen auf Ihrer eigenen Spur beibringen, zeigt Jagdhundeausbilder Udo Hüttner.
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Unser Reviergang musste wegen des starken Regens abgebrochen werden. Im Laufschritt auf dem Weg zum Auto überholt mich meine Drahthaar-Hündin, setzt sich vor mich und gibt mir ein Schlüsselmäppchen aus. Etwas erstaunt erkenne ich meinen eigenen Autoschlüssel. Ich hatte ihn verloren. Und „Ondra“ brachte ihn mir, bevor ich es bemerkt hatte.
Verlorenbringen auf der Führerspur ist eine nützliche Fertigkeit des Gebrauchshundes für alle jagdlichen Lebenslagen. Obendrein stellt sie eine kurzweilige Beschäftigung für den Hund in der jagdlosen Zeit dar. Das Nasentraining hält den Hund geistig beweglich und ist das beste Mittel, ihn zum freudigen, schnellen Zutragen im Galopp zu erziehen.
Die Abrichtung ist einfach. Vorausgesetzt, der Hund ist sauber im Apport durchgearbeitet und bringt verlässlich. Die ersten Übungen verlaufen immer auf kurzer Distanz und auf Sicht.
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Auf einem Waldweg wird ein Gegenstand fallen gelassen, sodass der Hund diesen eräugt.Fotos: Silvia Muuss |
Schritt 1
Gehen Sie mit dem Hund bei Fuß einen Waldweg entlang. Wege dienen dem Vierläufer als Leitlinie und erleichtern die ersten Schritte. Den gleichen Zweck erfüllt auch das „Bei-Fußgehen“.
Der Hund soll sich später an den Weg erinnern. Ein Gegenstand, den der Hund gerne bringt, wie beispielsweise sein Lieblingsspielzeug oder -apportel wird fallengelassen. Zunächst soll der Vierläufer das genau beobachten können. Nach etwa zehn Schritten bleiben Sie stehen, knien sich hin und stimmen den Hund mit einem kleinen Ritual auf die bevorstehende Arbeit ein. Dazu greifen Sie ihm vor die Brust, streicheln seinen Kopf und wiederholen immer wieder: „Ich hab was verloren! Verloren!“ Zeigen Sie dabei mit gestrecktem Arm zum verlorenen Gegenstand. Wie immer ist der Erfolg maßgeblich von der Ruhe und Konzentration abhängig, die der Führer dem Hund entgegenbringt.
Dieser wird durch die ungewohnte Einstimmung freudig erregt und besonders aufmerksam bei der Sache sein. Mit „Bring Apport!“ (oder ihrem festgelegten Apportierkommando) schicken Sie den Hund dann los.
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Wenig später wird der Hund zum Bringen geschickt. |
Schritt 2
Hat der Hund die ersten Bringübungen auf kurze Distanz zuverlässig ausgeführt, vergrößern Sie die Entfernung. Aber nicht gleich zu weit, damit der Hund nicht überfordert wird. Bei allen Übungen darf der Führer nicht vergessen, den Hund durch freudiges Lob zur Arbeit zu motivieren. Ab und zu ein saftiger Brocken hilft, das Erlernte zu festigen.
Schritt 3
Bringt der Hund auf etwa dreißig Meter sauber und freudig, bauen Sie die erste Schwierigkeit ein. Der Bringgegenstand wird wieder so abgelegt, dass der Hund ihn sieht. Gehen Sie nun allerdings mit dem Hund um eine Wegbiegung herum, damit er den Gegenstand aus den Augen verliert. Jetzt muss er die ersten Meter aus dem Gedächtnis zurücklaufen. Das fördert zum einen die Konzentration auf den Apportiergegenstand, zum anderen fängt der Hund allmählich an, seine Nase einzusetzen.
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Anfangs sollte die Strecke, die der Vierläufer zurücklegen muss, nur wenige Meter betragen. |
Schritt 4
Diese Variante üben Sie nun immer weiter. Der Bringgegenstand wird so abgelegt, dass der Hund es sieht. Das Einstimmungsritual, das den Hund ruhig macht, muss immer wieder in der gleichen ruhigen Weise abgespult werden.
Mit der Zeit verinnerlicht der Vierläufer seine Aufgabe, und die Sache läuft wie geschmiert. Nun wird die Entfernung so weit vergrößert, dass der Hund mehr und mehr seine Nase gebrauchen muss. Zwischendurch legen Sie aber auch wieder kürzere Spuren, damit die Sache für den Vierläufer nicht eintönig wird.
Schritt 5
Zeigt der Jagdhelfer, dass er die Aufgabe verstanden hat und bringt zuverlässig, freudig und flott, kommt die gravierende Hürde, die erst ein Verlorenbringen aus der Übung macht. Dass der Hund nämlich den Gegenstand bringt, ohne dass er ihn fallen gesehen hat. Der Gegenstand wird dabei so fallen gelassen, dass der Hund dies nicht eräugt. Auf eine kurze Distanz von höchstens zehn Metern wird er nun zurückgeschickt. Jetzt zeigt sich der Wert des kleinen Rituals. Im ersten Moment wird unser Freund etwas ratlos um sich schauen, da er ja nichts von einem „verlorenen“ Gegenstand weiß. Kraft der Gewohnheit wird er jedoch auf unserer Spur zurücksuchen. Anfangs zögerlich und öfters zurückäugend. Durch Ermunterung wird er jedoch die paar Meter zurücklegen, bis er das Apportel sieht. Freudig wird er darauf zulaufen und es bringen. Natürlich ist ein ausgelassenes Lob dafür fällig.
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Sobald der Hund alle Übungen auf Wegen verlässlich ausführt, kann man die Ausbildung auf Wiesen oder ähnlich homogenem Gelände weiterführen. |
Schritt 6
Das Gröbste ist nun erledigt. Als nächstes wird in kleinen Schritten die Entfernung vergrößert. Zwischendurch lassen Sie den Hund das Fallen des Gegenstandes immer mal wieder eräugen, damit die Verknüpfung von Bringgegenstand und Spurarbeit im Kopf des Hundes gefestigt wird. Bringt der Vierläufer dann auf zweibis dreihundert Metern zuverlässig, wird die nächste große Hürde eingebaut: Verlassen Sie den Weg und legen Sie die Spur in einförmigem Gelände. Eine große Wiese, ein Stoppelfeld oder ähnliches bieten sich dazu an. Zunächst wird die Distanz wieder auf etwa zwanzig bis dreißig Meter verkürzt. Kürzer sollte die Strecke nicht sein, weil der Hund anfangs dazu neigt, erst einmal loszurennen. Dabei könnte er den zu nahe abgelegten Gegenstand überlaufen. Zwar kann dies auch bei einer Entfernung von 20 Metern passieren. Trotzdem sollte man den Hund aber noch nicht überfordern.
Aufgepasst! Die ersten Übungen auf freier Fläche können den Führer zur Weißglut bringen. Der Hund findet nämlich auf einmal gar nichts mehr und läuft kreuz und quer übers Feld, ohne seine Nase zu benutzen. Der Wechsel der Örtlichkeit und der Wegfall der optischen Leitlinie des Weges verunsichern den Zögling so stark, dass er anscheinend alles vergessen hat. Jetzt dürfen Sie nicht die Nerven verlieren! Legen Sie eine Spur nach der anderen und weisen Sie den jungen Hund ein. Arbeiten Sie geduldig und eisern bis er begreift, dass er sich jetzt nur noch auf seine Nase verlassen kann. Das kann dauern und mitunter zwanzig und mehr Übungsspuren brauchen. Selbstverständlich sollten Sie dieses Programm nicht an einem Stück durchziehen. Bei allen Abrichtübungen gilt es, langsam und Schritt für Schritt vozugehen, ohne den Auszubildenden zu überfordern. Hast und Übereifer rächen sich in der Hundeabrichtung immer.
Schritt 7
Ist diese Phase gemeistert, widmen Sie sich nun der gründlichen Suche. Dazu wird dem Hund ein kleiner Gegenstand (zum Beispiel eine Patrone) auf ganz kurze Distanz – etwa drei Meter – ausgelegt. Der Phylax wird losgeschickt. Sobald er überschießt, wird er eindringlich zurückgerufen, neu eingewiesen und bringen gelassen. Nach etwa zehn bis zwanzig Übungen zügelt der Hund deutlich seine Geschwindigkeit und sucht von Anfang an gründlich.
Schritt 8
Hat er das begriffen, erweitern Sie die Spur auf etwa einhundert Meter Länge. Dadurch wird der Hund wieder erinnert, sich nur auf seine Nase zu konzentrieren. Diese Variationen halten den Hund wach und verhindern das „Kenn-ich-schon-weiß-ich-schon-Gefühl“ des Adlatus, welches schnell zu oberflächlicher, schlampiger Arbeit verführt.
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Für jede gute Arbeit wird der Hund belohnt! Ebenso wie das Gelände sollten auch immer wieder unterschiedliche Apportiergegenstände verwendet werden.Foto: Silvia Muuss |
Schritt 9
Ist dieses Stadium überwunden und hat der Hund gelernt, dass nichts berechenbar ist, erhöhen Sie die Ansprüche Stück für Stück – sowohl im Bezug auf Länge als auch Stehzeit der Spur. Arbeiten Sie nun immer wieder in unterschiedlichem Gelände. Gehen Sie über Wege, durch Hecken oder überqueren Sie Bäche – der Phantasie des Jägers sind kaum Grenzen gesetzt. Auch die Wahl des Bringgegenstandes erhöht den Schwierigkeitsgrad. Vom Kirreimer bis zum einzelnen Schlüssel ist alles möglich.
Schritt 10
Im letzten Abschnitt lernt der Zögling das flotte Zutragen im Galopp. Dies erreichen Sie, indem Sie weitergehen, sobald der Hund zum Verlorensuchen gestartet ist. Für den Vierläufer ist das keine Schwierigkeit, denn er folgt ja sowieso der menschlichen Spur. Die Tatsache aber, dass Sie weitergehen, spornt den Hund zu schnellster Gangart an.
Steigern kann man dies, indem man schon beim Wegschicken des Hundes wieder losgeht. Merkt der Hund das, wird er zunächst unschlüssig zurückschauen. Am liebsten würde er seinem Herrn sofort folgen. Der Gehorsam fordert ihn jedoch, zuerst den gesuchten Gegenstand zu bringen. So wird er sich im gestreckten Galopp ins Zeug legen, um möglichst schnell wieder bei Ihnen zu sein. Das Ergebnis ist ein Hund, der freudig und mit langen Sätzen apportiert. Dass er nach vollbrachter Leistung für diese brave Arbeit ausgiebig abgeliebelt wird, versteht sich von selbst. Er ist dann ausgelassen wie ein Welpe und stürmt mit angelegten Behängen um uns herum und weiß sich vor Freude kaum zu fassen. So manches Messer, Handy und den einen oder anderen Schlüssel, aber auch schon eine verlorene Schere fanden meine Hunde. Erst vor Kurzem hatte meine Große-Münsterländer-Hündin auf einem meiner Seminare die verlorene Nylonhalsung eines Terrier-Welpens auf der Rückspur gefunden. Dabei war das Halsband nur etwas größer als ein Schnürsenkel. Obendrein waren wir mehrere Hundert Meter kreuz und quer über hohe Wiesen gelaufen. Natürlich sind das Arbeiten für geübte Hunde. Mit Geduld und Konsequenz kann das aber jeder Jagdhund lernen. Genauso schnell lernt der Hund auf dieselbe Weise das freie Verlorenbringen. Das Verlorenbringen ist ein weiterer Stein im reichen Mosaik der Fähigkeiten des firmen Gebrauchshundes.