PIRSCHZEICHEN
Schwarzwild schubbert sich, besonders nach dem Suhlen,
gerne an bestimmten Bäumen. Welchem Zweck haben diese
und was kann der Jäger an den Scheuerstellen lesen?
Tobias Thimm
Die dicken Borsten dort am Malbaum stammen bestimmt von dem heimlichen Bassen, der immer mal wieder im Revier auftaucht! Und wie hoch der Lehm abgestreift ist! Es muss ein Riesenkerl sein“, murmelt der Revierinhaber. Aufgeregt untersucht er den Stamm an der Suhle. Malbäume stehen jedoch auch weitab vom Nass an Wechseln. „Vom dort abgestreiften Lehm oder Schlamm stammt auch der Name ,Malbaum‘ – vom Begriff Anmalen“, so der Biologe Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel. Die Scheuer- oder Schubberstellen, die bis auf den Splint reichen können, sind leicht zu erkennen und spielen eine wichtige Rolle bei der Wildbestätigung.
1. BAUMWAHL
Besonders Baumarten mit grober Rinde und starkem Harzfluß werden von den Schwarzkitteln bevorzugt. Sind diese nicht vorhanden, werden auch glattrindige Arten genutzt. Durch das Ausbringen von Buchenholzteer versucht der Jäger, den Harzfluß zu imitieren. Das Schwarzwild soll durch dessen Geruch angelockt werden und die mit Teer bestrichenen Bäume als Scheuerstelle nutzen. Es versteht sich von selbst, dass für künstlich angelegte Malbäume nur waldbaulich uninteressante und am Stammfuß astfreie Bäume vom Jäger ausgewählt werden sollten. Alle sechs bis sieben Wochen ist – je nachdem wie gut er angenommen wird – nachzupinseln, damit die Lockwirkung anhält.
Das Schubbern verwundet die Rinde, und der natürliche Harzfluss setzt ein (1). Der Geruch von Holzteer lockt. Die Textur imitiert das Baumharz am künstlich vom Jäger angelegten Malbaum (2).
2. KÖRPERPFLEGE
Im Tagesrythmus der Sauen dienen Malbäume primär dem sogenannten „Komfortverhalten“. „Vergleicht man die Ausführungen derjenigen, die sich in der Vergangenheit nicht nur sehr ausführlich mit Schwarzwild beschäftigt, sondern auch versucht haben, uns ihr Wissen und ihre Erfahrungen mitzuteilen, beispielsweise Lutz Briedermann, Heinz Meynhardt, Norbert Happ, Rolf Hennig, besteht Einigkeit darüber, dass Malbäume nach dem Verlassen der Suhle zur Körperpflege (Teil des Komfortverhaltens wie das Putzen, das Sich-Strecken, Suhlen oder Pürzelbewegungen) aufgesucht werden“, so ein Jagdwissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen. Nach Pfannenstiel dient das Abstreifen auch dazu, Ektoparasiten, wie Zecken, Läuse und Hirschlausfliegen, loszuwerden. Dr. Eberhard Saupe (Parasitologe) fügt hinzu, dass Malbäume daher bei Seuchen und Wildkrankheiten wie der Sarcoptesräude eine Rolle spielen können. Die Übertragung erfolgt hierbei durch Berührung der Rottenmitglieder untereinander, über mit den Milben verseuchte Lager oder eben an Scheuerstellen, die von vielen Stücken gemeinsam genutzt werden. Er nimmt an, dass das Schubbern dem Lindern von Juckreiz dient. Um die Unterwolle zu schubbern, werden vom Schwarzwild niedrige Stubben angenommen.
Hirschlausfliegen sind nicht wirtstreu und befallen neben Cerviden auch Sauen.
3. KOMMUNIKATION
Malbäume sind wichtige innerartliche Kommunikationspunkte im Streifgebiet. Sie dienen möglicherweise der Verständigung der Sauen untereinander. So streifen beispielsweise Keiler dort während der Rausche ihren schaumigen Speichel ab und setzen so Duftmarken. Experten nehmen an, dass die Bassen dabei versuchen, ihn möglichst hoch zu platzieren, um Rivalen zu beeindrucken. „Der Schaum enthält
Androstenon, ein Derivat des Testosteron. Es bewirkt bei Bachen eine Bereitschaft für den Beschlag – die ,Duldungsstarre’“, ergänzt Pfannenstiel. Die Schlamm-Harzmischung bildet mit den verdickten Bindegewebspartien an Blatt und Flanke den Schild des Keilers. Er schützt ihn bei Auseinandersetzungen. Durch Einschlagen und Reiben des Gewaffs markieren Keiler am unteren Stammbereich. Sie geben so ihre Gegenwart bekannt und stecken möglicherweise auch Einstandsgrenzen ab. „Alte Keiler drehen nach meiner Beobachtung alle paar Tage ihre Runde und kommen immer wieder an die gleichen Malbäume. Diese liegen bei uns meist an der Feld-Wald-Kante. Man hat den Verdacht, sie dienen dabei der Markierung des Streifgebietes“, resümiert Pfannenstiel. Der bekannte Schwarzwildforscher Heinz Meynhard war der Überzeugung, dass auch Bachen mit ihren Haken markieren. „Er fand selbst Hinweise, dass Malbäume als Orte dienen, an denen man sich untereinander geruchlich austauscht, sogenannte olfaktorische Kommunikation. Speichel- und Augendrüsensekrete werden ebenso angebracht wie Verletzungen der Baumrinde mithilfe der Eckzähne. Damit dienen Malbäume auch als Kommunikationspunkte und dem SichFinden, so der Jagdwissenschaftler aus NRW. Bachen fördern dadurch zu einen den Harzfluß, weisen wohl zum anderen auch auf ihre Paarungsbereitschaft hin.
Kleine angeschraubte Holzklötzchen am Stamm (hervorgehoben) helfen bei der Größenbestimmung auf Wildkamerafotos.
Die Höhe des abgestrichenen Schlamms am Stamm wird gerne von Jägern zum Ansprechen der Stärke der Stücke herangezogen. Dies ist jedoch recht ungenau, da Sauen beim Malen oft „buckeln“. „Die Stärke der Sauen kann man an frisch angenommenen Malbäumen kaum abschätzen, da die Scheuerbewegungen sowohl horizontal als auch vertikal erfolgen“, erklärt Pfannenstiel. Effektiver ist es, eine Markierung, beispielsweise ein Band in einem Meter Stammhöhe oder Holzklötzchen, in abgemessenen Abständen seitlich (nicht an der Scheuerfläche) festzuschrauben. Über die Fotos der Wildkamera kann der Jäger nun die Widerristhöhe der Stücke recht gut bestimmen und so Altersklasse und Körpergewicht einschätzen. Die Frische der Schlammschicht lässt erkennen, wann in etwa der letzte Besuch erfolgte. Abgestreifter Schlamm an der Bodenvegetation verrät, woher die Sauen anwechselten und wohin sie nach dem Scheuern zogen. Die Tropfenspitzen von Schlammspritzern zeigen dann in Zugrichtung. Sind Wildkameras verboten, geben Trittsiegelgrößen wertvolle Hinweise. Prof. Pfannenstie empfiehlt, auch die Fährten auf den Wechseln zum Malbaum in Augenschein zu nehmen, da im Erdreich am Stammfuß häufig nichts mehr zu erkennen ist. Um dem vorzubeugen, kann der Erdboden mit einem Rechen rund um den Baum hin und wieder glattgezogen werden. Überdies nimmt Rotwild nach dem Schlammbad gerne Malbäume an. Trotz der unterschiedlichen „Nutzungshöhe“ scheuern sich Sauen und Rotwild jedoch meist an getrennten Stämmen, selbst wenn diese nah beieinanderstehen. Mancherorts nutzen Hirsche diese Bäume zusätzlich als Schlagstelle. Haare der Rotwilddecke lassen sich dabei leicht von den dickeren Sauborsten unterscheiden. Färbung und Stärke der Borsten sind nur schlechte Indizien für die Altersklassen, da sämtliche Farbschläge durch alle Sauenaltersklassen gehen. So müssen halbjährige Frischlinge nicht immer braun sein und können durchaus über „dicke“ Federn verfügen. Lediglich die Anwesenheit der Schwarzkittel kann über die an der Reibefläche haftenden Borsten bestätigt werden. Sobald die Streifen der Frischlinge verblassen, beginnen sie, das Verhalten älterer Rottenmitglieder zu imitieren und suhlen. Erste Schubberversuche – vermutlich bei Juckreiz – machen sie schon früher.
Die Markierungen eines Keilers und Borsten sind gut zu erkennen. Experten vermuten, dass auch Bachen Malbäume kennzeichnen.(2) Die Haare der Rotwilddecke sind von den Sauborsten leicht zu unterscheiden. Auch die „Nutzfläche“ des Malbaums liegt größtenteils weiter oben. (1)
Doch welche jagdliche Relevanz ergibt sich für den Jäger durch die Analyse „seiner“ Malbäume im Revier? Neben dem einfachen Bestätigen von Schwarz- und Rotwild vor Ort können wertvolle Hinweise auf den Bestand und möglicherweise auch auf kapitale Einzelstücke gewonnen werden. Werden Hilfsmittel zur Größenbestimmung angewendet, sind Bilder von Wildkameras detaillierter auswertbar. Außerdem können Rückschlüsse auf die lokalen Verhaltensweisen und Vorlieben gewonnen werden. „Bei Malbäumen, die als Bejagungshilfe angelegt werden, muss man austesten, welchen Geruch die Sauen am liebsten haben. Die Vorlieben können von Rotte zu Rotte sehr unterschiedlich sein“, ergänzt Pfannenstiel.
Schlamm an der Bodenvegetation kann verraten, woher die Sauen anwechselten und wohin sie zogen.
Viele Malbäume liegen direkt an der Suhle. Wenn nicht, kann durch den abgestreiften Schlamm auf die jeweilige Badestelle geschlossen werden.
Je nach Körperpartie nimmt das Schwarzwild auch niedrige Stubben als Scheuerstellen und zum Markieren an.
Da Malbäume jedoch eine zentrale Rolle für das Wohlbefinden des Wildes sind, halten diese Rotwild und Sauen im Revier und lassen sie nicht abwandern. Zudem befinden sich die Malbäume häufig in Einstandsnähe, wo ganzjährig Jagdruhe herrschen sollte. Auf dem Wechsel zur Suhle ist der Störeffekt beim Erlegen eines Stücks deutlich geringer. Gleiches gilt für solitäre Malbäume an Wechseln, die weitab von Suhlen liegen. „Nicht an jedem Malbaum muss unbedingt auf die Sauen Dampf gemacht werden. In ein paar Revierecken müssen sie auch mal Ruhe haben. Direkt an Suhlen beobachte ich Sauen nur, gebe dort aber nie einen Schuss ab“, so der erfahrene Schwarzwildjäger Pfannenstiel.