Der JGHV und die E-Reizgeräte:
Die Ausbildung des Hundes mittels eines Niedrigimpulsgerätes ist umstritten und spaltet derzeit die Hunde-Szene. Auf der Hauptversammlung des Jagdgebrauchshundverbandes kam es zum Eklat.
Viele meinen, dass E-Reizgeräte werder zur Hundeausbildung noch zur Jagd verwendet werden sollen. Moderne Hundeausbilder sagen etwas anderes |
Als die ersten Repetierbüchsen mit dem Militärkaliber 8×57 I die Waffenfabriken verließen, wetterten viele Jäger über die „Kilometerbüchse“. Ebenso wie über das Zielfernrohr schimpfte man über „hochrasante“ Kaliber und die verfluchte Technik, die zu verantwortungslosen Weitschüssen verleite. „Dieser jagdliche Sittenverfall sei das Ende der deutschen Jagd und Waidgerechtigkeit“, heißt es in der WILD UND HUND um die vorige Jahrhundertwende.
Heute, knapp nach der zweiten Jahrtausendwende, spricht im Zusammenhang mit der 8×57 und dem Zielfernrohr niemand mehr vom Ende der Jagd. Im Gegenteil. Die Wahl des richtigen Kalibers und eine präzise Optik sind Teil der waid- und tierschutzgerechten Jagd. Natürlich kann es mit neuen Techniken auch zu Missbrauch kommen, doch die Jägerschaft hat stets gezeigt, dass sie mit neuen Techniken umzugehen lernte.
Modernes Teufelszeug sind beispielsweise Niedrigimpulsgeräte zur Jagdhundausbildung. Sie erzürnten den Jagdgebrauchshundverband (JGHV), der nach eigenen Angaben 159 000 Mitglieder betreut und die Interessen aller Zucht- und Prüfungsvereine der Jagdhundrassen in Deutschland vertritt. Und wieder erinnert die Diskussion an die vor etwa 100 Jahren.
Der neue JGHV-Präsident, Werner Horstkötter, der seit einem Jahr im Amt ist, hat sich den Kampf gegen das Niedrigimpulsgerät (oder E-Reizgerät) zur Hundeausbildung auf die Fahne geschrieben. Vor der jüngsten JGHV-Vollversammlung wetterte er heftig gegen deren Einsatz und sprach vom „elektrischen Hund“, mit dem man scheinbar ohne Mühe über das Elektrogerät zum schnellen Erfolg kommen wolle. Weil der Hundeausbilder Uwe Heiss unter anderem bei seiner Arbeit Niedrigimpulsgeräte einsetzt und auch über deren Vorzüge offen spricht, war der Belzebub schnell ausgemacht. Weil darüber hinaus Uwe Heiss für WILD UND HUND als Autor tätig ist und in deren Auftrag Hundeseminare anbietet, war auch des Teufels Zeitschrift schnell benannt.
Trillerpfiff und Stromschlag
In einem Brief an den Geschäftsführer des Paul Parey-Zeitschriftenverlages, Thorn Twer, forderte er die Zeitschrift auf, die Seminare mit Heiss einzustellen. Er brandmarkte die Arbeit des Ausbilders als eine Methode nach amerikanischem Vorbild, von der bekannt sei, dass in den USA eine saubere und solide ausgeführte Grundausbildung nicht vorhanden sei und die dort eingesetzten Hunde ein Leben lang mit „Strom“ geführt würden.
Man könne den Amerikanern viel vorwerfen, dass sie aber grundsätzlich nichts von Hunden verstünden, sei ein billiges Vorurteil, sagt Wolfgang Hellmann, Geschäftsführer der Firma Innotek Deutschland. „Bei den Top-Ausbildern in den Staaten, wie beispielsweise der Familie Smith, könnte sich manch deutscher Ausbilder noch etwas abschauen“, meint der Geschäftsführer, der selbst mit Seminaren bei Polizei- und Zollhundeführern großen Erfolg hat. In Amerika gibt es eine professionelle Hundesportszene, die dort auch die Jagd umfasst. Der Leistungssport zwingt die US-Hundeausbilder auf dem neuesten Stand der Lernpsychologie und Verhaltensbiologie zu bleiben, um gegenüber ihren Konkurrenten nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dass die Hunde dort ein Leben lang mit Strom geführt würden, bezeichnet der Hundeexperte Hellmann als Märchen. Prüfungen und auch die Jagd fänden ohne E-Geräte statt.
Horstkötter sagte, dass der Gebrauch von E-Reizgeräten umfassende Erkenntnisse und Erfahrungen des Anwenders in der Hundeausbildung voraussetzten, die einem Hundeführer oder breiten Publikum unmöglich in Grundlehrgängen und Schulungen zu vermitteln seien. Wer dies trotzdem tue, nehme tierschutzrelevante Konsequenzen billigend in Kauf und schade dem Ansehen der Jagd in der Öffentlichkeit, sagte der neue Präsident. Gleichzeitig will der JGHV-Chef aber an der Option, E-Reizgeräte als Notbremse einzusetzen, festhalten. Denn ein gewissenhaft ausgebildeter Hund, der sich beispielsweise aufgrund intensiver Wildwittrung absetzt, kann durch Trillerpfiff und einen Stromschlag gestoppt werden, meint der JGHV.
Dem widerspricht der Ausbilder Heiss. Zunächst sei der starke Stromschlag für den Hund einfach nur äußerst unangenehm und unkonditioniert. Je nach Trieblage und Adrenalinausschüttung seien selbst stärkste Reize für einige Hund nicht zwingend aversiv. Das heißt, der Hund verknüpft den Stromimpuls nicht unbedingt mit einem Fehlverhalten oder einer Aufforderung, eine bestimmte Handlung auszuüben. Dazu sei es notwendig, dass der Hund zunächst lernt, dass ein elektrischer Impuls die Ausführung eines bestimmten Kommandos fordert, beispielsweise in Verbindung mit dem Trillerpfiff die Handlung „down“. Unterbleibt diese saubere Handarbeit und Konditionierung auf den niedrigen Impuls, führt der Stromschlag, wie ihn der JGHV propagiert, unter Umständen zu unerwünschtem Fehlverhalten: Der Hund reagiert mit grundsätzlichem Meideverhalten oder mit desorientierter Verunsicherung. Bei triebstarken und selbstbewussten Hunden, die auch über Wehrtrieb verfügen, könne der unkonditionierte Stromimpuls das Potential an Beuteaggression unter Umständen noch verstärken, weil der Hund den Impuls auf die beispielsweise direkt verfolgte Beute bezieht, sagt Heiss.
Zuckerbrot und Peitsche
Warum Horstkötter auf der einen Seite den Tierschutz als Argument gegen die Niedrigimpulsgeräte bemüht und auf der anderen Seite eine Lanze für den „Stromschlag als Notbremse“ bricht, ist Heiss schleierhaft. Hellmann von Innotek sieht gerade in dieser letzten Option ein Tierschutz-Problem, weil es nach Paragraf drei des Tierschutzgesetzes verboten ist, ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erheblich Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind. Wenn der Hund gar nicht wisse, wie er einen Stromschlag einordnen soll, sei dieser Einsatz aus tierschützerischen Erwägungen heraus mehr als bedenklich, meint Hellmann.
Während die Niedrigimpulsgeräte bei der Ausbildung einen Impuls aussenden, der in seiner Stärke ungefähr dem in der Reizstromtherapie der Humanmedizin entspricht, ist der Stromschlag bei rund 1 000 Joule eines „Teletakt“-Gerätes ein richtiger Hammer.
Heiss meint, dass das Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche heute nur noch bedingt anwendbar, aber vor allem nicht immer zielführend sei. Man gehe zu weit, wenn man meine, die bösen Gedanken bei einem hetzenden Hund durch einen elektrischen „Hammer“, quasi als Bestrafung, auszuschalten.
Bisher noch kein Ergebnis von der Expertenkommision
Der Gesetzgeber ist, was den Einsatz von E-Reizgeräten betrifft, gespalten. Eine Expertenkommission im Verbraucherschutzministerium soll Richtlinien für die Verwendung der Geräte entwickeln. Ein Ergebnis hat diese aber bislang noch nicht vorgelegt. Einzig Nordrhein-Westfalen verlangt einen Sachkunde-Nachweis für den Einsatz von Reizstromgeräten, der bei ein- bis zweitägigen Seminaren erbracht werden kann.
Die JGHV-Spitze meint, dass ein E-Reizgerät nur in die Hände eines erfahrenen, sachkundigen Hundeführers gehört. „Dem breiten Publikum“, also der Masse der Jäger, sei dieser Umgang in Schulungen nicht beizubringen, schreibt Horstkötter in einem Brief an den Parey Verlag.
Keine Reue vom „Angeklagten“
Diese Auffassung teilten die Verantwortlichen bei WILD UND HUND nicht. Der richtige Umgang mit den Niedrigimpulsgeräten und die schonendere Ausbildung des Hundes waren die Motivation der WILD UND HUND, den Hundeausbilder Heiss für Seminare zu verpflichten. In einem Brief an den JGHV-Präsidenten Horstkötter schreibt der Parey-Geschäftsführer Thorn Twer: „Durch diese Art der Ausbildung werden tierschutzproblematische Methoden und Hilfsmittel, wie Geräte mit starkem Stromimpuls, Stachelhalsbänder, Gerte und Hundepeitsche unter anderem beim klassischen Zwangsapport in aller Regel überflüssig. Zentraler Punkt bei der Jagdhundausbildung nach der Methode von Uwe Heiss ist aber die richtige Handarbeit in der Grundausbildung. Sie ist die Grundlage, dass der Hund die niedrigen Impulse des E-Gerätes versteht“, schreibt Twer. Und der Parey-Geschäftsführer führt weiter aus, dass es seiner Ansicht nach keinen besseren Weg gäbe, den falschen Einsatz der Reizstromgeräte in Jägerhänden zu verhindern, als Seminare mit ausgewiesenen Spezialisten anzubieten. Twer bot auch dem JGHV an, an den WILD UND HUND-Seminaren teilzunehmen und das Thema gemeinsam zu erörtern. Doch das JGHV-Präsidium hat bislang weder an einem Seminar teilgenommen (außer einem Beisitzer und dem JGHV-Ehrenpräsident Heinrich Uhde, der begeistert war), noch ist er auf das Gesprächsangebot aus Singhofen eingegangen.
E-Geräte-Inquisitor Horstkötter nahm den Brief Twers vielmehr zum Anlass, die Gespräche mit dem Parey Verlag abzubrechen, weil der „Angeklagte“ keine Reue zeigte: „Ich habe mich von einer persönlichen Unterredung zurück gezogen, nachdem in keinster Weise auch nur Ansätze einer gegenteiligen Auffassung zu erkennen waren“, sagte Horstkötter in der JGHV-Versammlung in Fulda.
Offensive Auseinandersetzung mit dem Thema
Interessant ist, dass es im JGHV bereits Überlegungen gab, sich mit dem Thema „Einsatz von E-Reizgeräten zur Hundeausbildung“ intensiv in Schulungen zu widmen. Der JGHV-Ehrenpräsident Christoph Frucht und das ehemalige JGHV-Präsidiumsmitglied Professor Dr. Hans Wunderlich seien sich einig gewesen, zusammen mit Uwe Heiss Seminare anzubieten, sagte Wunderlich in einem Gespräch mit der WILD UND HUND. Frucht und Wunderlich sahen, dass man sich mit dem Thema offensiv auseinandersetzen muss. Wunderlich kann nicht verstehen, warum Horstkötter sich für den Einsatz von E-Reizgeräten als letztes Mittel stark macht, ansonsten ihre Verwendung gerne unterbinden will: „Die Erklärung in Fulda ist verbandspolitisch schädlich“, sagt Wunderlich, der unter anderem in einer Expertenkommission des Verbaucherschutzministeriums zusammen mit den Landestierschutzbeauftragten und anderen Experten an Richtlinien für den korrekten Einsatz von E-Reizgeräten arbeitet.
Teil einer Normalität
Inzwischen feiern die Niedrigimpulsgeräte der Firma Innotek in Deutschland ihren Siegeszug. Hellmann schätzt, dass inklusive der Geräte von Mitanbietern derzeit rund 900 000 Niedrigimpulsgeräte bei der Hundeausbildung verwendet werden. In den Diensthundeschulen von Polizei und Zoll sind sie ein fester Bestandteil. Auch der Bundessieger und Bundeszuchtwart bei den Deutschen Schäferhunden (SV), Dr. Helmut Raiser, sieht momentan keinen sanfteren Weg als die saubere Ausbildung mit dem Niedrigimpulsgerät. „Mit dem Gerät ist Hundeausbildung erst richtig schön geworden. Früher mussten wir zu wesentlich härteren Mitteln greifen, um dasselbe Ziel in der Ausbildung zu erreichen“, sagt Raiser. Er hält die Schulung und Ausbildung von Hundeführern auf breiter Basis für unverzichtbar: „Unfug wird mit traditonellen und modernen Methoden getrieben. Im SV sehen wir, dass wesentlich weniger Blödsinn mit dem Niedrigimpulsgerät angestellt wird, wenn denn richtig geschult wird“, sagt der Bundeszuchtwart des größten Rassezuchtvereines der Welt. Ähnlich wie Uwe Heiss teilt Raiser nicht die Auffassung des JGHV, dass ein Hund der eine saubere Grundausbildung durchlaufen hat und mit Niedrigimpulsen konditioniert wurde, immer unter Strom stehen muss, um „zu funktionieren“. „Wer eingesteht, dass der Hund auf das Kommando „Sitz“ und den erhobenen Zeigefinger nicht mehr den Druck auf die Kruppe braucht, um den Befehl auszuüben, muss auch zugeben, dass ein taktiler Reiz mittels Niedrigimpulsgerät nicht zwangsweise ewig eingesetzt werden muss“, sagt der Ausbilder Heiss.
Das E-Reizgerät ist bereits jetzt auf dem Weg in der Hundeausbildung Teil einer Normalität zu werden. Über 2 000 Hundeführer ließen sich auf WILD UND HUND-Seminaren von den sanfteren Methoden einer modernen Hundeausbildung überzeugen. Jägern und der Öffentlichkeit muss man es nur richtig erklären. Für den JGHV wäre dies eine lohnende, anspruchsvolle Aufgabe gewesen.
Der Präsident des JGHV, Werner Horstkötter, will auf E-Geräte nur im „Notfall“ zurückgreifen |