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Was tun mit ewigen Streithähnen?

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Aggressionsverhalten des Hundes:
Warum beißen sich Hunde, wie verhindere ich dies und wie trenne ich die Vierläufer? Im Eifer des Gefechts ist nicht immer gleich eine Antwort parat. Christine Steimer erzählt Beispiele aus der täglichen Praxis und beleuchtet mögliche Ursachen. Dass es unterschiedliche Ansätze gibt, aggressivem Verhalten vorzubeugen, zeigen die Kommentare von Fachleuten.

 

Während des Jagdgeschehens haben sie noch gemeinsam gestöbert. Kaum ist man am Sammelplatz, fallen sie übereinander her. Szenen, wie sie fast jeder schon einmal erlebt hat

Von Christine Steimer

Nun halte ich seit knapp 20 Jahren Hunde und habe noch nie eine ernsthafte Beißerei erlebt. Doch im letzten Dezember passierte es: Mein Teckel wurde von einem West Highland Terrier in einer belebten Bahnhofshalle in die Rute gebissen. „Shiras“ wehrte sich, in dem er den Angreifer in dessen Keule biss und festhielt. Kein Knurren, kein Schütteln – er hielt nur fest und war durch Nichts zu bewegen, wieder loszulassen. Kein Brüllen meinerseits half, kein Schütteln am Nackenfell, und den Versuch, den Fang mit bloßen Händen zu öffnen, gab ich erfolglos auf – und der Terrier kreischte die ganze Zeit über was das Zeug hielt. Das „Spiel“ dauerte endlos erscheinende Minuten. Dann hob ich meinen Hund am Würgehalsband hoch und nahm ihm somit die Luft – dies half. Den Menschenauflauf können Sie sich lebhaft vorstellen: Peinlich, peinlich!

Das nächste Mal wollte ein junger Basset-Rüde meinen Hund besteigen – da war es wieder passiert. „Shiras“ packte stumpf einen Behang seines Gegners und hielt fest. Sie glauben gar nicht, welch einen Resonanzkörper ein Basset besitzt – ein Stier in Todesangst brüllt nicht lauter. Diesmal kam zum Glück ein Anwohner mit einem Eimer Wasser und kippte ihn über die Vierläufer – diese Methode half sofort, mein Teckel ließ von dem anderen ab.

Vierschiedene Faktoren spielen eine Rolle

Warum beißen sich Hunde? Es hat sicherlich immer etwas mit Aggressivität zu tun – die aber nicht nur negativ behaftet sein muss. Beleuchten wir hier einige Formen der Aggressivität: Im ersten genannten Fall verteidigte sich der Teckel – zu Recht. Dies war eine rein schmerzbedingte Aggression – Notwehr zum Schutz vor Schmerz.

Der zweite Fall ist ein klassisches Beispiel der Dominanz-Aggressivität. Kaum ein Rüde lässt sich von einem anderen Rüden besteigen. Dieses Verhalten wird häufig mit übertriebenem Sexualtrieb in Verbindung gebracht. Weit gefehlt! Das Aufreiten ist ein Zeichen des Dominierenwollens. Häufig versuchen Rüden dies auch bei Menschen. Das muss sofort und energisch verboten werden.

Unsicherheit ist ein weiterer, häufiger Faktor. Sie ist der Angst-Aggression zuzuschreiben. Der Hund ist mit der Situation überfordert und geht durch Angstbeißen sofort in die Verteidigung. Ein solches Verhalten kann seine Ursache in mangelnder Prägung haben, oder wenn er von seiner Umwelt isoliert gehalten wird. Der Vierläufer kann ohne Sozialkontakt zu anderen Hunden keine Erfahrungen sammeln. Gesammelte Erfahrungen sind durch die beste Veranlagung nicht zu kompensieren.

Genau über das Wesen der Elterntiere informieren

Unsicherheit kann allerdings auch auf einer angewölften Wesensschwäche beruhen. Übertrieben aggressive Hunde sind bei Jagdhunden nicht rassetypisch, sondern finden sich oft in bestimmten Linien wieder.

Es gibt Zuchtlinien, in denen „Raufer“ die Ahnen sind und dieses Verhalten weiter vererben. Vor Anschaffung eines Welpen sollte man sich genau über das Wesen der Elterntiere informieren – hoffen wir nur, dass die Züchter die Wahrheit sagen.

Die territoriale Aggression ist eine von uns sicherlich erwünschte Form. Auf unserem Grund und Boden hat kein anderer Hund zum Beispiel an den Lieblingsbaum unseres Jagdhelfers zu pinkeln. Auch hat unser Hund nicht einfach jeden auf das Gelände zu lassen. Ist dies der Fall, würde ich mir ernsthafte Gedanken über meinen Vierläufer machen.

Beißereien können aber auch innerhalb des „Hunderudels“ bei Haus- oder Zwingerhaltung auftreten. Hier kommt die rivalisierende Aggression zum Tragen – entweder um Futter, einen bestimmten Platz oder die Zuwendung. Die häufigsten Fehler begeht hier der Mensch, der sich im Grunde genommen in die Rudelhierarchie einmischt. Kommt zum Beispiel ein neuer Hund ins Haus, so hat dieser den letzten Rang im Rudel einzunehmen. Das heißt: Er bekommt als letzter sein Fressen, er bekommt als letzter sein Leckerchen, er wird als letzter abgeliebelt. Wenn die Hunde auf einem erhöhten Platz, wie zum Beispiel einem Sessel liegen dürfen, dann darf der „Neue“ es nicht, und er geht natürlich als letzter durch die Tür.

Wenn dieses „Antidominanzprogramm“ nicht fruchtet und es trotzdem immer wieder zu Beißereien kommt, dann hilft nur ein Maulkorb für den Stänkerer, oder man trennt sich von ihm. Auch wenn das sicher kein leichter Schritt ist.

Ist aber der Größenunterschied der Hunde enorm, wie zum Beispiel Deutsch- Drahthaar und Teckel, was ja eine sehr häufig anzutreffende Konstellation in Jägerhaushalten ist, gibt es nur eine von diesen beiden Möglichkeiten. Denn kommt es zu einer Eskalation – egal wer nun angefangen hat – wird der Erdhund immer den Kürzeren ziehen.

Was gibt es für Möglichkeiten, Raufbolde zu trennen? Hier einige Alternativen, die nicht unbedingt als Empfehlung gelten sollen: Wenn Dein Hund sich verbissen hat, dann …

– „Stecke alle beide in ein Wasserfass, oder kippe einen Eimer Wasser über sie aus!“ Funktioniert hervorragend – nur ist oftmals kein Wasser zur Stelle.

– „Pfefferspray!“ Ist mit Sicherheit nicht gut für die empfindliche Hundenase und kann weitreichende und langwierige Folgen haben. Es darf daher nur letztes Mittel sein, wenn schlimmere Verletzungen drohen.

– „Drücke ihm die Luft ab!“ Funktioniert sicher. Am besten wenn der Hund ein Würgehalsband ohne Stopp trägt. Eine normale Lederhalsung drehen, bis die Luft ausbleibt. Hierbei könnte allerdings das Kehlkopfsegel verletzt werden.

– „Der Break-Stick“: ein langer, schmaler Keil aus Hartholz, der dem Hund zwischen die letzten Backenzähne geschoben wird, um den Kiefer durch Drehen des Keils aufzuhebeln. Funktioniert wirklich immer – sofern man so ein „Break-Stick“ griffbereit hat.

– „Bitter-Appel-Spray“ aus dem Fachhandel. Der Geruch ist äußerst widerlich, aber vollkommen harmlos für die Hundenase. Wird häufig eingesetzt, um Hunden das Annagen von Tapeten oder Tischbeinen abzugewöhnen.

– „Beide Hunde an den Hinterläufen hochheben!“ Funktioniert meistens, ist aber nicht ganz ungefährlich für die Becken- und Rückenmuskulatur des Hundes. Bei kleineren Rassen aber durchaus zu raten.

– „Einen Schuss in unmittelbarer Nähe!“ Soll häufig geholfen haben, motiviert aber einen jagderfahrenen Hund unter Umständen erst richtig zum Festhalten.

– „Die Lefzen gegen die Fangzähne drücken!“ Das hilft, je nachdem wie weichmäulig der Vierläufer ist. Allerdings begibt man sich mit dieser Methode selbst sehr nah an die Gefahrenquelle Hundefang.

– „Schlage mit einem Knüppel auf die Hunde ein!“ Eine eher altertümliche Methode. Dadurch machen die Hunde oft nur noch mehr „dicht“. Sie befinden sich ohnehin in der so genannten Rotphase. Dies bedeutet, dass der Kiefer sich verkrampft und ein Reagieren so gut wie ausgeschaltet ist. Die Wahrnehmung ist gleich Null.

Von Anfang an die Rauferei unterbinden

Wenn es zu Beißereien kommt, dann heißt es für Sie als Hundeführer, ruhig zu bleiben. Ruhig zur Tat schreiten und versuchen zu trennen. Dabei sollte immer bedacht werden, dass man sich selbst in Gefahr begibt. Das heißt: Verletzungen oder Sachbeschädigungen, beispielsweise an der Kleidung, hat man oft noch selbst zu tragen.

Die beste Methode ist aber immer noch, Raufereien und Beißereien von Anfang an zu unterbinden. Für Jäger kann dies auch bedeuten, dass ihr „Raufbold“ morgens nicht mit zum Sammelplatz geht und auch beim Streckeverblasen das Auto hütet.

Eine wilde Beißerei entwickelte sich

Aber alle Ratschläge sind für die Katz, wenn Hundehalter reagieren, wie es einer Hundeführerin passierte: Diese spazierte mit ihrem wirklich führigen Kleinen Münsterländer. Zwei Leonberger, beide im Freilauf, den Führer mindestens 200 Meter hinter sich gelassen, fielen über den Vorstehhund her. Eine wilde Beißerei entwickelte sich. Der Besitzer der Leonberger ging einfach weiter und kümmerte sich nicht um die Keilerei. Auf das verzweifelte Zurufen, ob er denn nichts unternehmen wolle, kam lapidar die Antwort: „Ach, die lassen auch wieder los!“ Da steht selbst der erfahrenste Hundeführer machtlos daneben.

Die Tierärztin und Verhaltenstherapeutin Dr. Renate Jones-Baade hält die frühzeitige, positive Gewöhnung an Umwelteinflüsse für die beste Vorbeugung

 

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