Ein wahres Schreckgespenst für die Führer kurzläufiger Hunde ist die Teckellähme. Die Meinungen darüber, ob und wann eine Rückenoperation zu verantworten und ein Heilungserfolg zu erwarten sind, gehen auseinander. Aber die moderne Medizin macht vieles möglich.
Zeno, ein Jagdgebrauchsteckel, wie er im Buche steht. Aber plötzlich ging es für ihn um „alles oder nichts“ |
Von Rosemarie Gerber
Die gefürchtete Teckellähme hängt immer noch wie ein Damoklesschwert über unseren Dachshunden. Trotz verantwortungsbewusster Zuchtprogramme der Teckelverbände kann man nie ganz ausschließen, dass diese erbliche Krankheit wieder durchbricht. Doch wie atypisch sich ihre Symptome zeigen können, musste ich bei meinem fünf Jahre alten Rauhhaar-Rüden „Zeno“ erleben. Angefangen hat alles völlig unerwartet an einem heißen Sonntag im August.
Sofort in die Tierklinik!
Die Küche wird nach draußen verlegt und die Grilldüfte halten, was sie versprochen haben – der Rehrücken schmeckt vorzüglich. Selbst die Knochen erweisen sich als wahre Leckerbissen, über den sich meine beiden Dackel wie die Löwen hermachen – trotz des warnenden Klingelns in meinem Hinterkopf: An Hunde soll man keine Knochen verfüttern! Den Vierläufern hat es auf jeden Fall geschmeckt, und munter sind sie auch. Doch schon zwei Stunden später steigert sich das besagte Klingeln zu einem Sirenengeheul, denn Zenos steinharter Bauch und gekrümmter Rücken versprechen nichts Gutes.
Da sich über Nacht nichts daran ändert, gibt’s als Medizin einen langen Waldspaziergang. Der Rüde verhält sich wie immer, liegt ordentlich im Riemen, zeigt jede Wittrung, die unseren Weg kreuzt, mit giftigen „Jiff-Jiff“an – also ganz so schlecht kann er sich demnach nicht fühlen. Nur dass er seinen sonst so heiß geliebten Weiher einfach links liegen lässt, stimmt mich nachdenklich.
Vorsichtshalber wird ein „Reis-Tag“ eingelegt, der zwar bei Zeno keine Begeisterung auslöst – aber er frisst. Tags darauf zeigt er verstärkt Schmerzen und klagt laut, wenn ich ihn hochhebe. Da kann kein weiterer Reis mehr helfen, sondern nur noch ein Tierarzt, und ich melde uns umgehend in der Tierklinik an.
„Wo liegt das Problem?“, fragt der Veterinär, als ich mit Zeno ins Sprechzimmer komme. „Ich habe meinen Hunden Rehrückenknochen gegeben. Die Elfi, unsere Teckeline, ist okay, aber dem Zeno muss ein Stück davon irgendwo stecken geblieben sein. Hoffentlich hat er keine inneren Verletzungen.“ Mit gerunzelter Stirn schaut mich der Arzt an. „Ich bin von vornherein immer recht skeptisch, wenn mir eine Diagnose bereits fix und fertig mitgeliefert wird.“ Was soll diese blöde Äußerung, denke ich verärgert. Auch ohne Medizindiplom ist Zeno’s Zustand doch wohl eindeutig. „Hat er gefressen?“ Ich nicke zustimmend. „So viel steht schon mal fest, würde bei ihm ein Knochen feststecken, hätte er jede Nahrung verweigert.“ Aha!
Rückenprobleme = Teckellähme?
Zeno’s Reflexe werden kontrolliert, Rücken und Bauch abgetastet und jetzt beginnt mein lammfrommer Hund wie eine Furie um sich zu beißen. „Da werden wir sofort röntgen müssen“ meint der Arzt nachdenklich und ich kommentiere völlig überflüssig: „Natürlich müssen wir röntgen, es muss ja festgestellt werden, wo genau der Knochen steckt.“ Ein grimmiger Seitenblick des Veterinärs lässt mich verstummen.
Und beim Betrachten der Aufnahmen kommt es ans Licht. „Hab’ ich mir doch gleich gedacht. Da ist nichts von Knochen zu sehen – das ist der Rücken!“ Ziemlich verdattert und betreten höre ich den weiteren Erklärungen des Arztes zu: „Sehen Sie mal, die anderen Wirbelsegmente haben einen normalen Abstand, aber beim 12. und 13. Wirbel sind die Zwischenräume deutlich vergrößert und die kleinen Häufchen hier, das sind Kalkablagerungen. Ihr Hund hat eindeutig Rückenprobleme, die eine sofortige Therapie nötig machen.
“Als ich mich vom allerersten Schrecken etwas erholt habe, frage ich kleinlaut: „Aber diese Rückenprobleme bedeuten doch nicht etwa Teckellähme?“ Der Kommentar: „Tut mir leid, aber es sieht so aus“, trifft mich hart.
Schon öfter hatten wir unter Jägern und Teckelleuten über das Pro und Kontra von Rückenoperationen diskutiert. Immer wieder war dabei zum Ausdruck gekommen, dass solche Eingriffe mit nicht kalkulierbaren Risiken verbunden sind.
Nach meiner Meinung bedeutet eine solche Operation für einen Stöberhund die Versetzung in den Früh-Ruhestand, denn ich habe noch keinen Dachshund gesehen, der danach seine volle Bewegungsfähigkeit wieder erlangt hätte. Ich würde mich eher dazu durchringen, den Hund einschläfern zu lassen, als einer Rückenoperation mit zweifelhaftem Ergebnis zuzustimmen. Aber noch ist es nicht so weit.
Zeno spricht zunächst auf die konventionelle Behandlung gut an, bis sich nach etwa einer Woche sein Zustand rapide verschlechtert!
Wie immer in den letzten Tagen, trage ich ihn morgens raus, damit er sein Geschäft verrichten kann – aber da geht gar nichts mehr! Schwankend, wie ein Matrose auf hoher See, steht er da und den Hinterlauf zu heben ist für ihn ein Ding der Unmöglichkeit. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis seine Hinterläufe ihren Dienst völlig versagen, deshalb melde ich unseren Notfall in der Tierklinik. Der Arzt bestätigt, was ich befürchtet habe: „Jetzt wird ihm nur noch das Skalpell helfen können“, und damit bringt er mich in eine verflixte Zwickmühle.
Die Operation
Doch bevor ich etwas sagen kann, redet er weiter: „Ich weiß, was Sie von solchen Operationen halten, aber trotzdem können Sie nicht von mir verlangen, dass ich ihren Zeno einschläfere. Seine Heilungschancen sind optimal, all seine Reflexe sind noch vorhanden, er hat eine Superkonstitution und überhaupt – geben wir ihm doch eine Chance!“ Immer mehr wird mir der Wind aus den Segeln genommen und nach einem zögerlichen: „Ja, aber“, nicke ich zustimmend. „Ich werde Ihren Hund auf schnellstem Weg an eine Fachklinik für Chirurgie überweisen.“ Nach einer kurzen Wegbeschreibung, bekomme ich noch ein Formular in die Hand gedrückt und nun werde ich, besser gesagt mein Hund, wohl oder übel in diesen sauren Apfel beißen müssen. Eben bin ich einer langjährigen Überzeugung untreu geworden und frage mich, ob es richtig ist, was ich da meinem Hund zumute, aber versuchen wollen wir es. Basta!
In der Klinik werden wir bereits erwartet, Zeno wird nochmal untersucht, und dann erklärt man mir den operativen Eingriff: „Als Erstes müssen wir ihn mit einem Kontrastmittel röntgen. Dazu müssen wir Zeno narkotisieren, aber aufwachen lassen wir ihn danach nicht mehr, sondern operieren sofort weiter. Sie können unbesorgt sein, Eingriffe dieser Art sind bei uns reine Routine und wenn es keine Komplikationen gibt, können Sie ihn bereits morgen abholen – vorausgestzt, dass seine Blase funktioniert.
“ Schweren Herzens überlasse ich Zeno seinem Schicksal und mir wird bewusst, wie machtlos Tiere doch den Menschen ausgeliefert sind. Gefragt werden sie jedenfalls nicht!
Lautstark begrüßt mich daheim unsere Elfi, doch als sie Zeno nirgends finden kann, rollt sie sich sichtlich enttäuscht in ihrer Ecke zusammen, als wolle sie sagen: Allein macht mir das Leben überhaupt keinen Spaß.Und ich zweifle ernsthaft daran, ob die beiden je wieder zusammen herumtoben werden.
„Der Eingriff ist gut verlaufen und wenn Zeno pinkelt, darf er morgen heim“, werde ich abends telefonisch informiert. Ich atme auf, mache mir Sorgen über die vielen Stufen in unserem Haus. Denn Stufensteigen ist in den nächsten Wochen für Zeno absolut tabu. Also muss ein Laufstall her. In einem Baby-Ausstattungsgeschäft erstehe ich so ein Ding und hole das alte Welpenabsperrgitter aus dem Keller. Doch je näher der Abholtermin rückt, desto nervöser werde ich.
„Ach, kommen Sie um Zeno abzuholen?“, fragt mich eine junge Ärztin am Empfang der Tierklinik und nach einigen Minuten kommt sie mit einem Bündel Hund zurück, das sie mir in die Arme legt. Mit den notwendigen Pflegeempfehlungen werden wir entlassen. Zenos Rücken ist von den Vorder- bis zu den Hinterläufen blank rasiert und vom kreidigen Weiß einer etwa zehn Zentimeter langen, blau vernähten Wunde „geziert“.
Der Kampf ums Überleben
Wie ein rohes Ei trage ich meinen Hund zum Auto, lege ihn auf meinen Schoß, und sofort schiebt er seinen Kopf unter meinen rechten Arm in seine Wohlfühlstellung. Elfi ist vor Freude kaum zu bremsen, als ich mit Zeno ins Haus komme, und ihn neben ihr auf den Boden stelle. Aber Zeno, der Muskelprotz, fällt wie ein nasser Lappen in sich zusammen und liegt hilflos flach auf dem Teppich.
Obwohl ich nicht erwartet habe, mit einem quickfidelen Hund nach Hause zu kommen, bringt mich sein Zustand doch ziemlich aus der Fassung. Auch Elfi ist verunsichert, weicht jedoch keinen Schritt von seiner Seite. Doch als sie unbedingt die frische Wunde ihres Gefährten belecken will, muss ich energisch einschreiten.
Zeno liegt immer noch auf dem selben Fleck und winselt leise. Sicher muss er mal raus. Aber wie ich das anstellen soll, ist mir schleierhaft.
Im Garten versucht er „seinen“ Baum anzusteuern, zieht sich mit den Vorderläufen vorwärts, die Hinterläufe wie überflüssige Anhängsel nachschleifend. Und als das Bächlein zu rinnen beginnt, liegt er mitten drin. Dieses jämmerliche Bild bringt meine Tränenschleusen zum Überlaufen, und ich könnte mich ohrfeigen, dass ich das meinem Hund angetan habe. Für die Nacht wird der Laufstall neben meinem Bett platziert. Doch dieser Holzkäfig passt Zeno ganz und gar nicht und durch seine andauernde Quengelei, wird der Schlaf zu einer ziemlich gestückelten Angelegenheit. Entsprechend gerädert stehe ich morgens mit ihm im Garten, aber bis die Pinkelei endlich klappt, braucht es eine Engelsgeduld.
Noch vor kurzem konnte er schwungvoll den Lauf heben, danach seine Düfte scharrend verteilen, jetzt hängen seine Hinterläufe wie zwei tote Fische am Körper. Und ich frage mich ernsthaft, ob die positiven Vorhersagen der Ärzte wohl eintreffen werden.
Es geht Berg auf!
Laufen kann Zeno noch nicht, aber Bewegungstherapie tut Not, damit seine Verdauung in Gang kommt, und außerhalb der Dorfes finde ich ein geradezu ideales Therapiegelände in Form eines eingezäunten Grundstückes mit Obstbäumen. Um sich am Fallobst gütlich zu tun, haben Fuchs und Dachs unter dem Zaun hindurch an mehreren Stellen einen Durchschlupf gegraben, und genau das ist es, was Zeno jetzt als Motivation braucht. Sein Kopf will, aber sein Hinterteil kann nicht. Doch was sich ein Dackel in seinen Dickschädel setzt, muss gehen – und es geht!
Langsam hoppelt er davon, schafft es bis zum ersten Loch unterm Zaun. Dort bleibt er erschöpft im Gras liegen, aber er wedelt. Diese „Therapie“ wird von nun an mehrmals täglich verordnet, die Distanz sukzessive gesteigert, und seine Fortschritte sind gewaltig. Als zehn Tage nach der Operation die Fäden gezogen werden müssen, läuft Zeno auf allen vier Läufen in die Praxis. Für mich grenzt das alles an ein kleines Wunder.Inzwischen sind zwei Monate vergangen, mein Hund ist wieder ganz der Alte, nur der spezielle „Haarschnitt“ und sein etwas watschelnder Gang erinnern noch an das Häufchen Elend, das er noch vor kurzem war. Mein nicht ganz freiwilliger Sinneswandel – Rückenoperationen betreffend – hat sich doch gelohnt! Trotz aller Fortschritte muss Zeno in den nächsten Monaten geschont werden, darf noch nicht wieder stöbern und jagen, und das bedeutet Zwangsurlaub für mich und meine Hunde.
Teckel Zeno nach seinem operativen Eingriff |