Merkel Bergstutzen: Gut kombiniert

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Der Drilling ist Schrotflinte und Büchse in einem. Doch es gibt viele, die die Bockbüchsflinte wegen ihres geringeren Gewichts favorisieren. Wie oft aber kommt der Fuchs auf Schrotschuss-Entfernung? Warum also nicht zwei Kugeln kombinieren!

 

Der Merkel Bergstutzen „Jagd“ mit englischen Gravuren und zwei Tierstück-Gravuren auf den Seitenplatten. Von außen nicht zu sehen, macht das Einschloss-System aus ihm keinen Spezialisten für die schnelle Dublette.

Von Sascha Numßen

Mein Schussbuch mit der Fuchsstrecke und den eingetragenen Schussentfernungen der letzten Jahre auf den Knien, gab es für mich keine andere Wahl als den Bergstutzen. Mit dieser Waffe und einer idealen Kugelkombination ausgestattet, ist man für alle jagdlichen Eventualitäten gerüstet.

Der Bergstutzen wird gern als österreichische Erfindung „verkauft“, eine Waffe mit Alpen-Feeling, wo die Bergjäger ein Gewehr für alles – vom Birkhahn bis zum Hirsch – brauchen. Der Ursprung ist jedoch ein anderer, denn schon unsere Suhler Büchsenmacher kombinierten große und kleine Kugel in Bockwaffen. Aber erst die Ferlacher gaben dieser Kombination den Namen Bergstutzen.

So viel zum Ursprung, nun zu den entscheidenden Fragen: Einschloss- oder Zweischloss-System und welche Kaliberkombination? Man sollte schon vorher die eigenen jagdlichen Möglichkeiten und Vorlieben ergründen, bevor man bestellt. In meinem Falle war es einfach: Bei der Drückjagd bevorzuge ich den Repetierer. Ansonsten hier und da mal ein Stück Schalenwild und kein Zwang, Hochwild-Dubletten schießen zu müssen, sowie eine ausgesprochene Vorliebe für den Fuchs.

Die ideale Kombination

So war ich sehr erfreut, dass uns Merkel einen Bergstutzen mit Einschloss-System in den Kalibern 5,6x52R und 8x57IRS als Testwaffe zur Verfügung stellte. Eine langsame Rehwildpatrone, die keine extremen Blutergüsse hinterlässt, und mit der 8x57IRS ein bewährter „Riese“ für die Waldjagd. Für meine Verhältnisse die ideale Kombination.

Leicht und zierlich mit eleganter Linie, das war mein erster Eindruck. Ein formschöner und gut gemaserter Schaft aus Nussbaumholz mit leichtem Schweinsrücken sowie doppelgefalzter, bayerischer Backe.

Dazu hat der Bergstutzen Modell „Jagd“ auf den Seiten und der Unterseite des Duralumin-Systemkastens feine englische Gravuren.

Vervollständigt wird das Ganze auf den Seitenplatten durch zwei Tierstück-Gravuren: rechts treibender Bock mit Ricke und links ein Hirsch mit Alttier. Montiert wurde mittels Suhler Schwenkmontage ein Zeiss Diavari V 2,5-10×50 T* (mit Leuchtabsehen 44). Zehnfache Vergrößerung und 50-Millimeter-Objektiv verpackt in den Maßen eines 1,5-6×42. Ein schönes Gewehr, vor allem eines, das nicht durch eine Lichtkanone erschlagen wird.

schnelle Serien

Eingeschossen ab Werk war der Bergstutzen mit RWS 4,6-Gramm-Teilmantel-Spitz und RWS 12,7-Gramm-Teilmantel-Rundkopf. Auch wenn bei einigen Thermo-Stabil draufsteht und Merkel von frei schwingenden Läufen mit mündungsseitiger Lauflagerung spricht, hatte ich so meine Zweifel am Warmschussverhalten. So ging ich gleich aufs Ganze und schoss sechs Schuss hintereinander auf die 100-Meter-Distanz, ohne dazwischen die Scheibe reinzuholen. Überzeugen konnte die Abzugs-Charakteristik. Beide Abzüge lösten dank des Einschloss-Systems bei Werten deutlich unter der Ein-Kilo-Marke aus: Der vordere und damit die große Kugel bedienende Direktabzug löste bei etwa 400 Gramm aus. Der hintere hielt ebenfalls die vom Hersteller vorausgesagten 800 Gramm ein.

Zwei Werte, mit denen man präzise schießen kann. Das zeigte dann auch die Scheibe: Alle sechs Schuss lagen – davon drei mit der großen und drei mit der kleinen Kugel – sauber beieinander und ließen sich mit dem Objektiv des Zeiss abdecken. Kann man mehr erwarten?

Von nix kommt nix! Und so sitzt der obere, kleine Lauf frei schwingend in einem Trägerrohr und ist nach vorn mit einem Ring gegen Nässe abgedichtet. Die Laufschiene ist an diesem Trägerrohr angelötet, so ist auch der untere Lauf frei von temperaturbedingten Spannungen.

Sollten die Geschosse jedoch in der Jagdpraxis nicht die gewünschte Wirkung zeigen, kein Problem, die Waffe lässt sich auch auf andere Laborierungen einschießen. Dabei wird das Zielfernrohr auf die neue große Kugel eingestellt und der kleine Lauf mittels dreier Einstellschrauben dort hin justiert. Diese Schrauben sitzen etwa in der Mitte des Laufs, die obere ist am Ende der Laufschiene zu sehen, die beiden anderen werden erst nach Abnahme des Vorderschafts sichtbar.

Apropos Laufschiene – in die ist auch eine Rechteckkimme eingelassen. Zusammen mit dem Balkenkorn aber nicht mehr als ein Notbehelf. Allerdings ist der Bergstutzen sowieso keine Drückjagdwaffe. Ein weiterer Bestandteil der Laufschiene ist die serienmäßige Vorbereitung für die Suhler Schwenkmontage.

Plastik statt Gummi

Und der Rückstoß? Trotz Kunststoff-Schaftkappe – ich hätte mir eine aus Gummi gewünscht, und vor allem ohne Kreuzschlitzschrauben – fiel er bei nur 3,79 Kilogramm mit Zielfernrohr (3,2 Kilo ohne ZF) moderat aus. Das lässt sich auf die gute Schäftung zurückführen. So gerüstet und mit der Waffe vertraut, fieberte ich dem Bockansitz und den Sommerfüchsen entgegen.

Der fünfte Abendansitz am Stück auf dem Geiersberg blieb mir allerdings unvergessen. Kurz nach 21 Uhr kam etwa zehn Meter links neben der Kanzel ein abnormer Bock heraus – links ein dünner, lauscherhoher Spieß und rechts eine mindestens daumenstarke und ebenfalls lauscherhohe Stange, die in einer kleinen Krebsschere endete – und wechselte langsam vor den Hochsitz.

Die Waffe vorsichtig in Anschlag gebracht, das Schloss mittels Schieber – oh, ein leichtes Knacken – gespannt, und schon ließ ich die 5,6x52R auf etwa 15 Meter fliegen. Im Schuss schnellte der Bock nach oben, drehte sich und fiel auf die Seite. Eh ich überhaupt Luft holen und einen zweiten Schuss anbringen konnte, war er schon verschwunden.

Warum ich nicht auf 2,5-fach runtergedreht und höher gehalten habe – in dem Artikel „Verflixte Nahschüsse“ von Wolfram Osgyan in Ausgabe 23/2000 konnten Sie und ich ja darüber lesen – das weiß ich bis heute nicht. Nur so viel: Bekommen haben wir ihn trotz intensiver Nachsuche nicht. So verfluchte ich erstmal die 5,6x52R, obwohl ich wusste, dass sie bei einem ordentlichen Treffer beste Wirkung zeigt.

Ein Knacken…

Das vorher erwähnte Knacken beim Spannen und Entspannen ist zwar ärgerlich, fällt aber nicht so laut aus, als das es Jagdchancen verderben könnte. Das zeigten dann auch die beiden wenig später auf knapp 60 und 75 Meter erlegten Sommerfüchse bei einem Jagdaufenthalt in Thüringen. Wieder im WILD UND HUND-Revier angekommen, vertraute ich allerdings bei Rehwild vorerst nur der 8x57IRS, die mir einen ordentlichen Sechser bescherte. Auf Sauen war mir leider kein Waidmannsheil vergönnt.

Doch auch wenn ich nicht groß Strecke machen konnte, führte ich den Bergstutzen über mehrere Monate. Dank seines Gewichts und der Länge von nur 102 Zentimetern wurde er mir ein führiger Begleiter und war selbst in engen Kanzeln gut zu handhaben.

Eines muss aber noch mal deutlich gesagt werden: Eine schnelle Dublette – zum Beispiel Kitz und Ricke – lässt das Einschloss-System zwar auch zu, dazu muss man den Ablauf „Schuss-Spannen-Schuss“ aber schon zu Hause im Trockentraining und dann auf dem Schießstand üben. Mit dem Zweischloss-System ist die Dublette jedoch kein Problem – nur das gibt es bei Merkel nicht. Aber auch Zweischloss-Ausführungen haben für Stecher gewöhnte Jäger einen Nachteil: Das sind die höheren Abzugsgewichte.

Mängel an der Oberfläche

Eines enttäuschte mich am Merkel Bergstutzen dann doch noch: Und das war die Oberflächen-Beschichtung des Systemkastens, die nach dem Einwirken von Handschweiß, Reinigungsöl sowie Wind und Wetter am Abzugsbügel vorn und hinten erst Blasen zeigte und dann langsam abblätterte.

Für ein Gewehr, das immerhin über 6.000 Mark kostet, nicht akzeptabel. So rief ich doch etwas erbost in Suhl bei Lutz Morgenroth an und schilderte ihm die Angelegenheit. Er erklärte mir, dass dieser Mangel mittlerweile behoben sei. Dazu muss man wissen, dass der Systemkasten bei den Suhlern gefräst und die Vernickelung aber außer Haus gemacht wird. Dabei ist die Art der Vorbehandlung ganz entscheidend, und die war wohl nicht astrein. So stellten auch die Suhler fest, dass die Vernickelung bei normaler jagdlicher Beanspruchung abblätterte. Und das entspricht natürlich nicht den Qualitätsansprüchen, die Kunden an eine Merkel-Waffe stellen. So haben die Suhler blitzschnell den Zulieferer gewechselt und damit das Problem aus der Welt geschafft.

Alles in allem ist der Merkel Bergstutzen eine gelungene und ausgereifte Konstruktion, die durch eine elegante Linienführung, die Führigkeit und vor allem durch die hervorragende Präzision überzeugt. Natürlich ist der Preis von 6155 Mark für das Modell „Jagd“ nicht von Pappe, und mit einem ordentlichen Zielfernrohr und der Suhler Schwenkmontage kommt man schnell in den fünfstelligen Bereich. Doch dafür hat man auch zwei Büchsen in einer – und ist mit einer Flinte im Schrank wohl für die meisten jagdlichen Gegebenheiten bestens gerüstet. Nur eben nicht für die schnellen Dubletten!

 


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