Sauer 202 „Take Down“:
Eine Büchse und trotzdem für jede Jagdart das passende Kaliber – Sauer machts möglich. Die 202 „Take Down“ verspricht einen schnellen, präzisen Laufwechsel ohne Werkzeug. Claudia Elbing, Eugen Seyboldt und Michael Schmid haben mit der Neuen aus Eckernförde „im fliegenden Wechsel“ gejagt.
Von Claudia Elbing, Eugen Seyboldt und Michael Schmid
Variationen a là Sauer: Morgens mit der 6,5×55 auf Rehwild, die Saujagd am Nachmittag mit der schweren 9,3×62 und der Abendansitz an der Feldkante mit einer weittragenden .300 Winchester Magnum. Und dann erst auf Reisen: Die rasante .270 Winchester für die Gamspirsch, die 8×68 S auf den Brunfthirsch in Ungarn und auf gefährliches Großwild natürlich die .416 Remington Magnum.
Will man die Möglichkeiten der 202-„Take Down“ voll ausschöpfen, ist mit den geschilderten Szenarien der Gipfel der Vielfalt noch lange nicht erreicht. Der neue Serienrepetierer bietet, was bisher nur mit teuren Exklusiv- und Sammlerwaffen möglich war. Kein Wunder, dass den Begriff „Take Down“ eine Aura von Luxus und Exotik umgibt.
Der andere Weg
Angefangen hat die Geschichte der abnehmbaren Läufe zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Schon der Mannlicher Schönauer, Modell 1900, und seine Folgevarianten waren als „Take Down“-Ausführungen erhältlich. Beim Mauser 98er haben sich dabei besonders englische Büchsenmacher hervorgetan. Während des Zweiten Weltkrieges experimentierte Mauser sogar mit einem „Take Down“-Karabiner 98 k für Fallschirmjäger und Kommandotruppen. Als Wechselverbindung diente bei den historischen Büchsen in aller Regel das Laufgewinde, das mittels Schrauben, Bolzen oder Riegeln arretiert wurde.
Bei der Sauer 202 „Take Down“ gingen die Konstrukteure einen anderen Weg. Das System basiert auf einem Patent von Manfred Orth, das sich bisher vor allem bei hochpreisigen Custom 98ern bewährt hat. „Kegel-Steckpassung“ heißt das Zauberwort, mit dem bei Sauer eine spielfreie und wiederkehrgenaue Verbindung von Lauf und Gehäuse hergestellt wird. Die sich minimal nach hinten verjüngende Laufwurzel wird in die kegelförmige Aufnahmebuchse des hochfesten, einteiligen Stahlgehäuses eingeführt. Eine Nut- und Federpassung auf der Unterseite sorgt für die korrekte Ausrichtung des Rohres.
Die bei der Sauer 202 serienmäßige Verriegelung der Kammer direkt im Lauf garantiert eine robuste, präzise Verbindung und vermeidet die Abgabe von Gasdruckkräften an das Gehäuse. Diese Technik stellt zudem einen stets gleichbleibenden Verschlussabstand sicher. Ist die Kammer geöffnet, wird der Lauf durch den abnehmbaren Vorderschaft in Position gehalten. Die Metallplatte an der Schafttrennlinie blockiert in diesem Fall die Laufnut. Der Vorderschaft wird mittels einer einfach zu lösenden Steckbolzenverbindung mit dem Systemgehäuse verbunden. Mit einer Toleranz von nur 2/1 000 Millimetern im sensiblen Wechselbereich ist die Sauer 202 Take Down eine fertigungstechnische Meisterleistung. Die damit angestrebte Schuss- und Wechselpräzision blieb bisher teuren, überwiegend in Handarbeit hergestellten Waffen vorbehalten.
Das Handling beim Lauftausch ist denkbar einfach: Die Waffe wird senkrecht auf eine Unterlage gestellt und der Vorderschaft per Knopfdruck in axialer Richtung abgezogen. Mit der linken Hand übt man einen leichten Zug auf den Lauf in Richtung Mündung aus. Danach gleitet die (geöffnete) Kammer ungebremst nach unten. Schlägt sie dann am Schlosshalter an, wird durch die „Erschütterung“ die Kegelsteckpassung gelöst und der Lauf freigegeben. Der Einbau des Wechsellaufs erfolgt in umgekehrter Reihenfolge. Dabei muss darauf geachtet werden, dass sich kein Magazin im Schacht befindet und die Nut- und Federpassung auf der Laufunterseite ineinander greift.
Nach dem Aufsetzen des Vorderschaftes wird die Kammer geschlossen. Treten hierbei keine Störungen auf, ist der Wechsel perfekt. Egal ob im Camp oder auf dem Autorücksitz, der Lauftausch geht blitzschnell. So viel Zeit muss sein: Bei jedem Wechsel müssen aus Sicherheits- und Präzisionsgründen die Take Down-spezifischen Bauteile auf Schmutz und Fremdkörper überprüft und gegebenenfalls gereinigt werden. Eine dicke Fett- oder gar Ölschicht führt im engen Toleranzbereich der Laufverbindung unweigerlich zu Passungsproblemen. Nach der Pflege müssen deshalb Laufwurzel und Aufnahmebuchse sorgfältig abgewischt werden.
Das Kaliberangebot der „Take Down“ gliedert sich in zwei Gruppen: Im Mediumbereich stehen die 6,5×55, .270 Win., 7×64, .25-06, .30-06, 8×57 IS und 9,3×62 zur Verfügung. Die Magnums sind mit neun Patronensorten, von der 6,5×68 bis hin zur .416 Rem. Mag., vertreten. Wechselt man innerhalb einer Kalibergruppe, kann die Kammer beim Lauftausch beibehalten werden. Pendelt man zwischen Medium und Magnum, muss mit Ausnahme der 6,5-284 neben dem Lauf auch die Kammer gewechselt werden. Achtung, die beiden Verschlusszylinder sehen sich – mit Ausnahme des bei der Magnum deutlich größeren Stoßbodendurchmessers – zum Verwechseln ähnlich. Eine unbeabsichtigte „Fehlbesetzung“ macht sich weder beim Umbau noch bei einer Funktionsprüfung (ohne Munition) durch Störungen bemerkbar. Glück für das Wild: Sollte es wirklich zu einer Verwechslung kommen, ist die Waffe beim scharfen Durchladen entweder blockiert (Magnumpatrone mit Mediumkammer) oder der Schuss wird nicht, oder nur unzuverlässig ausgelöst (Mediumpatrone mit Magnumkammer). Ein Sicherheitsrisiko besteht laut Hersteller in beiden Fällen nicht. An einer gut sichtbaren und dauerhaften Markierung arbeitet Sauer.
Platz für vier bis fünf Patronen
Vier Magazin-Grundtypen sind für die Aufnahme der angebotenen Kaliberpalette notwendig. Die Standardausführungen fassen je nach Patrone zwei (Magnum) beziehungsweise drei Schuss (Medium). Die ebenfalls im Lieferumfang enthaltenen „Drückjagdpackungen“ bieten Platz für vier bis fünf Patronen. Will man die Vorteile der „Take Down“ konsequent nutzen, empfiehlt sich für jeden Wechsellauf ein gesondertes Zielfernrohr. Auf ein lästiges Einschießen oder Korrigieren der Treffpunktlage kann so verzichtet werden.
Um Verspannungen und damit eine Beeinträchtigung der Wechsel-Funktion zu verhindern, müssen die Zielfernrohr-Montagesockel der Sauer-Schwenkmontage besonders sorgfältig angepasst, geklebt und anschließend verschraubt werden. Keine Baustelle für Heimwerker, hier sollte man das Feld versierten Büchsenmachern oder den Fachleuten im Werk überlassen.
Bei der Abzugsgruppe kann zwischen Kombi- und Flintenabzug gewählt werden. Ein fein justierbarer Matchabzug wurde mittlerweile auf der IWA vorgestellt. Fest in die Abzugsgruppe integriert steht auch beim neuen Sauer-Sprössling die 202-charakteristische, zweigeteilte Druckknopfsicherung zur Verfügung. Speziell für die „Take Down“ wird derzeit an einer Schichtholzvariante und an einer korrosionsgeschützten Ilaflonausführung gearbeitet.
Keinerlei Probleme mit Funktion
Schon seit Tagen warten wir auf ein Paket der Firma Sauer & Sohn. Endlich, der Postbote ist weg, und Stück für Stück fördern wir die Take Down aus der Verpackung. Die Testwaffe in „Elegance“-Ausführung mit fein gemasertem Nussbaum-Ölschaft wurde mit 65 Zentimeter langem Lauf in .300 Win. Mag. sowie einem 60 Zentimeter Wechsellauf in 8×57 IS geliefert. Zwei fast identische Kammern mit Sonnenschliff und zierlichem Stängel, drei Magazine, Vorderschaft und zwei Zeiss-Zielfernrohre liegen nur kurze Zeit später auf der grünen Filzunterlage der Werkbank. Sofort wird die Gebrauchsanweisung studiert, zusammengebaut, gesteckt und wieder gewechselt. Nach einer Stunde wissen wir in groben Zügen Bescheid und freuen uns auf einen ersten Kontrollschuss im Revier. Im Zentrum und nur drei Zentimeter auseinander liegen die beiden Schüsse mit der 11,7-g-Lapua Naturalis in .300 Win. Mag.. Eine kaum zu toppende Zielerfassung mit dem Zeiss 2,5–10×50 T* und ein angenehmes Schussverhalten sind die ersten Schlussfolgerungen nach der Premiere. Runter vom Hochsitz und auf der Motorhaube findet der erste „feldmäßige“ Laufwechsel statt – ohne Probleme. Die 8×57 IS mit der 12,7 Gramm schweren Norma-Vulkan-Laborierung schießen wir auf 50 Meter. Die Umstellung auf den Leuchtpunkt des Zeiss 1,1–4×24 Varipoint V ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch hier liegen die beiden Einschläge in der Mitte und nur wenige Zentimeter auseinander.
In den vergangenen drei Monaten ging die Büchse dann mit auf Ansitz, Drückjagd, Pirsch und Nachsuche, das ganze natürlich im fliegenden Wechsel – Jäger, Läufe und Optik im bunten Mix. Egal wo und wie oft der Lauftausch auch durchgeführt wurde, im gesamten Testzeitraum gab es keinerlei Probleme mit Funktion, Präzision und Handling. Einziges Manko aus unserer Waldjäger-Sicht ist die Länge der Standard-Wechselläufe: Das 65 Zentimeter Magnum-Rohr, und die daraus resultierende Waffenlänge von 117 Zentimetern machen aus der Sauer nicht gerde eine „Kurzwaffe“. Ständig kam die Mündung mit Türholmen, Kanzeldächern und Hochsitzleitern in Konflikt. Bei Magnum-Waffen sollten die „fünf Zentimeter mehr“ aber aus Leistungsgründen in Kauf genommen werden.
Kaufen
Unnötig lang erscheinen uns die 60 Zentimeter Läufe in den Mediumkalibern. Bei unserer 8×57 IS hätten wir gerne auf ein führiges 56 oder gar 51 Zentimeter langes Drückjagdrohr zurückgegriffen. Kein Problem sagt Sauer. Als Sonderausstattung und gegen Aufpreis werden Kurzlängen, dickere Wandstärken und unterschiedliche Visiere angeboten. Die Preise für Standardläufe (60/65 cm) fallen mit 650 bis 720 Euro moderat aus. Für ein Wechsel-Set (Standardlauf, Kammer, Magazin) werden je nach Kaliber 999 bis 1 070 Euro fällig. Kaufen, einsetzen, fertig – für einen neuen Lauf sind keine Nacharbeiten nötig.
Ansonsten überzeugt die Neue aus Eckernförde mit klassischen 202-Stärken. Der stabile Sechs-Warzen-Verschluss ist leichtgängig und erfordert einen geringen Kraftaufwand. In Verbindung mit dem geringen Öffnungswinkel sind so sehr schnelle Schuss-Serien möglich, die in geübter Hand an halbautomatische Waffen erinnern. Und das – zumindest bei den Magnums – in jeder Beziehung: Zwei plus eins lautet hier die Devise. Das schlanke Standard-Reihenmagazin bietet nur für zwei der dicken Magnum-Patronen Platz – das ist sowohl in kritischen als auch in günstigen Situationen für unseren Geschmack zu wenig. Wechselt man zur „Großpackung“ steigt die Kapazität, dafür steht auf der Schaftunterseite das Magazin über, was beim aufgelegten Schuss stören kann.
Schwerpunktmäßig auf den Zielfernrohreinsatz ausgelegt ist der Monte-Carlo-Schaft der „Take Down“. Wer „oben ohne“ auf das einfache Standvisier mit Messingbalkenkorn zurückgreift, muss den Anpressdruck der Wange deutlich erhöhen.
Wird viel über die Offene Visierung geschossen, sollte man die Sonderausstattung „Schweinsrücken“ oder „gerader Kolben“ wählen. Das Sonder-Schaftholz unserer „Elegance“-Ausführung ist lebhaft strukturiert, sauber verarbeitet und vor allem sorgfältig geölt. Wasserflecken sucht man trotz Schneeschauern, Regengüssen und sparsamer Pflege vergeblich.
Mehr kann man in Punkto Schuss- und Wechselpräzision nicht erwarten
Alles im Griff – egal ob nass oder kalt – hat man bei der 202 dank einer sauber geschnittenen Fischhaut. Will man beim Kammerstängel den gleichen Komfort, empfiehlt sich statt „Teelöffel“ der neu ins Sauer-Programm aufgenommene „Kugelabschluss“. Sauer „en Detail“: Zusätzlich zum Lauf lässt sich auch noch der Hinterschaft mittels Steckschlüssel abziehen. Ein derart zerlegter Repetierer passt in jeden Rucksack.
Zum Abschluss unseres Praxistests war Dauerfeuer angesagt. Obwohl es bei der Jagd keinerlei Verdachtsmomente gab, wollten wir die Schuss- und Wechseleigenschaften der „Take Down“ auf dem Schießstand noch einmal überprüfen. Zur Präzisionsermittlung zogen wir die ersten drei Schussbilder heran. Hier wurden zwischen den Fünf-Schuss-Gruppen Pausen von zehn Minuten eingelegt. Im Kaliber .300 Win. Mag. betrugen die Streukreise auf 100 Meter Entfernung 32 (Norma Plastic Point 11,7 g) und 28 Millimeter (Lapua Naturalis 11,7 g). Die 8×57 IS lieferte trotz des großen Leuchtpunktes der Drückjagdoptik respektable 48 Millimeter. Mit einem 4er-Absehen wären hier sicher noch ein- oder zwei Zentimeter weniger herauszukitzeln gewesen.
Danach nahmen wir die Sauer in die Mangel: Immer drei Schuss und danach ein Lauf- und Zielfernrohrwechsel. In diesem Rhythmus arbeiteten wir uns ohne Pause durch drei Patronenschachteln. Bedingt durch die heißgeschossene Waffe, Verschmutzung und die erheblich strapazierten Schützen wurden die Streukreise zwangsläufig größer. Mit Ausnahme von angesagten Fehlschüssen bleiben die Einschläge unter diesen „erschwerten“ Bedingungen jedoch innerhalb eines Streukreisdurchmessers von zehn Zentimetern bei insgesamt 60 Schuss.
Abgesehen von der Notwendigkeit, einen gefütterten Arbeitshandschuh einzusetzen, gestalteten sich die „heißen“ Laufwechsel ohne größere Probleme. Die Kegelsteckpassung gab das Rohr in jedem Fall nach zwei bis drei, durch das Zurückgleiten der Kammer ausgelösten Impulsen frei. Der Wechsellauf ließ sich „saugend“ in die Aufnahmebuchse einführen.
Deutlich mehr Kraftaufwand als im kalten Zustand war beim Abnehmen des Vorderschaftes aufzuwenden. Hier musste mit kräftiger Hand peinlich genau in axialer Richtung gezogen werden. Der krönende Schluss: Nach einer Abkühlpause mit anschließender Laufreinigung ließen sich die zu Beginn erzielten Schussbilder, allerdings von „frischen Schützen“, fast auf den Millimeter wiederholen. Mehr kann man in Punkto Schuss- und Wechselpräzision von einer Waffe beim besten Willen nicht erwarten. Dank hervorragender Schaftgeometrie und dem durch die Bauweise bedingten etwas höheren Nettogewicht von etwa vier Kilogramm (ohne Zielfernrohr), schoss sich die Sauer trotz dicker Pillen sowohl in der Jagdpraxis als auch bei der Schießstand-Ochsentour erstaunlich zahm. Auch der Kombiabzug gab keinen Anlass zur Kritik. Die trockene Charakteristik und das praxistaugliche Auslösegewicht von 1 200 Gramm ließen uns schon bald auf den justierbaren Stecher verzichten.
Der Traum geht in Serie
Mit der 202 „Take Down“ ist Sauer ein großer Wurf gelungen. Bei hoher Präzision bietet die Waffe ein Maximum an Vielseitigkeit. Und das zu einem Preis (Standard- beziehungsweise Select-Ausführung 2 950 Euro), der nur knapp über dem Niveau hochwertiger, vergleichbarer Repetierbüchsen liegt. Für Freunde eines optimierten Kalibersortiments und Jäger, die vom Rehkitz bis zum Büffel gern die gleiche Waffe führen, geht mit der 202 „Take Down“ ein Traum in Serie.