Bei allem Nutzen, den Wildäcker prinzipiell auch im Wald bringen können, bergen sie auch die Gefahr erhöhter Schäl- und Verbissschäden im unmittelbaren Umfeld. Was gilt es zu beachten?
Äsungsflächen erfüllen ihren Zweck aus Sicht des Wildes nur dann vollkommen, wenn sie im Äsungsrhythmus verfügbar sind. Ruhige, ungestörte Revierteile sind angesagt |
von Dr. Michael Petrak
Wildäsungsflächen im Wald müssen die wesentlichen Nahrungsansprüche der vorkommenden Schalenwildarten berücksichtigen. Diese werden exemplarisch repräsentiert durch das Schwarzwild als Allesfresser und die Wiederkäuer, angefangen vom Reh als Konzentratselektierer über das Rotwild als Intermediärtyp bis hin zum Muffelwild als weitgehenden Rauhfutterfresser.
Äsungsflächen im Wald sollen dem Wild artspezifische Äsung bieten, Mängel im Lebensraum ausgleichen, vor allem aber eine regelmäßige Nahrungsaufnahme auch am Tage ermöglichen und so zur Wildschadenverhütung beitragen. Darüber hinaus sollten sie so attraktiv sein, dass insbesondere Schwarzwild in Waldrandbereichen von gefährdeten landwirtschaftlichen Flächen abgelenkt wird.
Ein Vergleich von Grünäsungsflächen und Wildäckern unter den Gesichtspunkten Aufwand, Äsungszeit und Attraktivität macht die Bedeutung der Wildäcker für die Steuerung des Wildbestandes deutlich.
Sie können – am richtigen Standort richtig angelegt – viel Äsungsmasse bereitstellen und andere Pflanzengemeinschaften entlasten. Selbst die geeignetsten Einsaaten erfordern aber die Aufnahme ergänzender Fasern.
Deshalb ist es wichtig, dass in möglichst unmittelbarer Nachbarschaft Grünäsungsflächen („Heu auf der Wurzel“) vorhanden sind und Wildäcker nicht in der Nähe schäl- bzw. verbissgefährdeter Bestände und Kulturen angelegt werden. Grünäsungsflächen sind in dieser Hinsicht unproblematisch.
Störung durch Jagd
Wildschäden in unmittelbarer Nachbarschaft zu Äsungsflächen können jedoch auch durch häufige Störung ausgelöst werden. Hierzu kann auch die Jagd zählen. Neben der Verfügbarkeit der Äsung kommt der Feindvermeidung bei der Bewertung der Flächen daher eine Schlüsselrolle zu.
Verschiedene Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass kleine, versteckt angelegte Äsungsflächen ohne Bejagung in den Einstandsbereichen sowohl dem Wild als auch dem Wald zugute kommen.
Wird der gleiche Flächenbedarf z. B. in eine Verbreiterung der Schneisen investiert, die dann durch Ansitzeinrichtungen entsprechend „gesichert“ werden, führt der gleiche prozentuale Äsungsflächenanteil fast automatisch zu wesentlich erhöhten Schäl- und Verbissbelastungen der angrenzenden Waldbestände.
Lange Schneisen als Äsungsflächen haben darüber hinaus den Nachteil, dass sie weit einsehbar sind. Die Störungen für das Wild durch Waldbesucher sind daher deutlich höher als bei versteckt gelegenen Flächen im Einstand.
Ebenso übereinstimmend zeigten Projekte in Waldrevieren, dass unter den Gesichtspunkten Aufwand und Nutzen, Grünäsungsflächen günstiger als Wildäcker sind. Sachgerecht angelegte Wildäcker erfüllen eher eine Lenkungsfunktion.
Zudem sind sie auch als Zwischenphase auf dem Weg zu einer neu angelegten Grünäsungsfläche im Rahmen eines bodenverbessernden Voranbaus in vielen Revieren die Methode der Wahl.
Der Anbau üblicher Feldfrüchte wie z. B. Mais, Kartoffeln, Rüben oder Rotkohl eignet sich nicht bei Wildäckern im Wald. Wer Wildäcker im Wald gewissermaßen als Konkurrenz zur intensiven landwirtschaftlichen Nutzung anlegt, löst fast zwangsläufig Wildkonzentrationen und die entsprechenden Probleme aus.
Unter dem Blickwinkel der Vielfalt in der Reviergestaltung und der kulturgeschichtlichen Entwicklung sind ältere Pflanzen wie Buchweizen, Hafer und Waldstaudenroggen ideale Wildackerpflanzen im Waldrevier.
Eine Auswahl geeigneter Pflanzen mit der gleichzeitigen Angabe der Attraktivität für die verschiedenen Wildarten bietet nebenstehende Tabelle. Als Winteräsung sind Raps und auch die Kohlarten als hochwüchsige Pflanzen geeignet.
Die Futtererbse lockt vor allem Schwarzwild an, so dass der Anbau in Verbindung mit der Wildschadenverhütung im Feld hilfreich sein kann. Intensivere Anbauten (Kohl) benötigen in der Regel auch Stickstoff. Stickstoffdüngungen und Leguminosenanbau verbieten sich in Wasserschutzgebieten.
Wildäcker sind keine Abschussrampen
Eine weitere Voraussetzung jeder Wildackerbestellung ist selbstverständlich, dass der Boden die Bearbeitung zulässt. Leider kommt es immer wieder vor, dass wertvolle Pflanzendecken auf 15 Zentimeter starkem Oberboden in Mittelgebirgslagen durch eine intensive Bodenbearbeitung beim Versuch einer Äsungsflächenanlage zerstört werden.
Unter diesem Gesichtspunkt kann sich auch ein Blick in die Kulturgeschichte und alte Kartenwerke lohnen. Bevor man Lebensmittel länger lagern und transportieren konnte, war es auch im Mittel- und Hochgebirge üblich, Ackerbau zu betreiben. Anschaulich zeigt dies das Beispiel des Sauerlandes, wo zu Beginn des Jahrhunderts noch Berghühner vorkamen.
So wurden die Rebhühner in den Hochlagen genannt, die bei den ersten Fichtenaufforstungen in den früheren Feldern sogar in den Fichten überwinterten.
Angesichts der Attraktivität der Wildäcker gilt es zu bedenken, dass sie ihre volle Funktion nur erfüllen, wenn sie nicht als bevorzugte Jagd- und Ansitzflächen missbraucht werden.
Sorgfalt erfordert auch die Auswahl des Standortes. Stets geeignet sind Sonnenhänge. Die Flächen sollten zwischen 0,25 und 0,35 Hektar umfassen. Im unmittelbaren Umfeld sollten ebenfalls ein ausreichend breiter Randstreifen und naturnahe Vegetation erhalten bleiben.
Wildäcker dürfen selbstverständlich nicht durch das Umbrechen schutzwürdiger und/oder geschützter Pflanzengemeinschaften begründet werden. Dieses Risiko ist aber in der Feldflur in der Regel höher, da hier kaum zu bewirtschaftende, dafür aber vielfach ökologisch wertvolle Flächen leichter abgegeben werden.
Bei Grünäsungsflächen sind die „eigens angelegten“ von meist artenreichen Wiesengesellschaften als Ergebnis früherer Nutzungen zu unterscheiden. Mit ersteren sind vor allem Flächen gemeint, die auf früheren Holzbodenflächen angelegt werden.
Hierzu eignen sich die in der Landwirtschaft üblichen Weidemischungen z. B. in Form der „Kräuterweide“. Wenn diese Kräuter fehlen, empfiehlt es sich, diese selbst unterzumischen. Von Bedeutung sind hier vor allem die Kleearten.
Da Rehe wenig Gräser annehmen, ist es hier besonders wichtig, die Flächen durch entsprechende Kräuteranteile attraktiv zu gestalten.
Bodenvorbereitung
Wenn Grünäsungsflächen auf vorher anders bestockten Flächen angelegt werden, wird die erforderliche Bodenvorbereitung durch eine Kultivierungsphase mit Raps oder Hafer wesentlich gefördert. In klimatisch besonders rauen Lagen ist es jedoch vielfach günstiger, nach einer entsprechend intensiven Bodenvorbereitung die Grünäsung selbst sofort einzusäen.
Bei der Anlage und Pflege von Grünäsungsflächen empfiehlt es sich, eventuell mit Ausnahme einer Startdüngung auf Stickstoff zu verzichten. Notwendig sind jeweils eine Kalkung im Abstand von drei bis fünf Jahren und eine jährliche Düngung mit Thomaskali, Urgesteinsmehl oder ähnlichem.
Wegen der Auswaschungsverluste wird diese Düngung im Frühjahr vorgenommen. Nebenstehende Grafik bietet eine Übersicht zur Pflege und Entwicklung von Grünäsungsflächen.
Stickstoffdüngung führt zu stärkerem Wachstum der Gräser, drängt damit die Kräuter zurück, so dass die Attraktivität für das Wild nachlässt. Natürlich kennt jeder Praktiker die auf bestimmte Wochen begrenzte Attraktivität der intensiv gedüngten Flächen in der Feldflur.
Intensiv gedüngte Grünlandflächen sind im Frühjahr als erste grün und deshalb attraktiv. Bezogen auf das gesamte Jahr sind diese artenärmeren Flächen – vor allem, wenn sie zusätzlich durch Gülle-Entsorgung überdüngt sind und zur Löwenzahnblüte leuchten – jedoch weniger ergiebig.
Eine sinnvolle Allianz: Naturschutz und Äsungsflächen
Für alle Wildarten lohnt sich die Pflege und Erhaltung der heute vielfach in Naturschutzgebieten liegenden bzw. allgemein geschützten kulturhistorisch älteren, artenreichen Grünlandgemeinschaften.
Mit ihrer Vielfalt von 25 bis 50 Pflanzenarten bieten sie allen Wildarten ein ausreichendes Äsungsangebot. Für diese Pflanzengemeinschaften ist ein Umbruchverbot selbstverständlich. Zu pflegen sind sie über regelmäßige Schnitte im Sommer mit Abtransport des Mähgutes. Mulchen führt hier zur Artenverarmung.
So gepflegte Flächen entsprechen gleichzeitig den Anforderungen des Naturschutzes und den an eine Wildäsungsfläche zu stellenden Anforderungen.
Liegen diese Flächen in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet, empfiehlt es sich in jedem Fall, Kontakt zur jeweiligen Kreisverwaltung aufzunehmen: Eine sachgerechte Mahd dient gleichzeitig dem Naturschutz und dem Wild.
Auch auf diesen Flächen ist vielfach eine extensive Düngung mit den oben genannten Düngemitteln möglich. Dies muss jedoch in jedem Einzelfall geprüft und ggf. genehmigt werden.
Wer Heu von Naturwiesen für die Winterfütterung haben will, muss darauf achten, die verschiedenen auch am Aussehen erkennbaren Pflanzengemeinschaften getrennt zu mähen und zu trocknen. So sind die typischen Magertriften mit hohem Artenreichtum auf ganzjährig trittfestem Boden ein ausgezeichnetes Winterheu.
Dort, wo viel Rasenschmiele wächst, ist zwar auch eine Mahd erforderlich, die Heuqualität reicht jedoch in der Regel zur Winterfütterung nicht aus. Das gleiche gilt für feuchtere Partien mit Binsen.
Diese Zonierungen lassen sich in der Praxis leicht erkennen. Wird dies nicht beachtet, passiert es leicht, dass lohnende und nicht lohnende Heupartien gemischt werden und dann fälschlicherweise der Eindruck entsteht, dass das natürlich im Revier gewachsene Heu für die Winterfütterung nicht geeignet sei.
Die Pflanzengemeinschaften feuchter Standorte sind als Äsungsflächen für das Wild wertvoll, da sie eine hohes Spektrum an frischgrüner Äsung gerade auch im Sommer bieten. Bestimmte Pflanzen, von denen viele Jäger meinen, dass sie nicht beäst würden, z. B. Wollgras, werden im Frühjahr durchaus angenommen.
Für die Entscheidung zwischen extensivem Grünland und der intensiveren eigens angelegten Variante gilt, dass überall dort, wo naturnahe Wiesen vorhanden sind, diese zu erhalten sind. Nur in den Fällen, wo auf völlig anderen Standorten eine Grünäsungsfläche neu angelegt wird, ist ein Rückgriff auf die intensivere Form angezeigt.
Aus vegetationskundlicher Sicht zeichnen sich Wiesen und Weiden durch eine dauerhafte Bestockung z. T. über mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte aus. Ein Beispiel hierfür bieten die artenreichen Wiesengesellschaften der Mittelgebirge. Die Landwirtschaft geht dagegen heute davon aus, dass auch modern angelegte Grünäsungsflächen in mehr oder weniger großen Abständen – schwankend etwa zwischen vier und zwölf Jahren – neu angelegt werden sollten.
Unter Revierbedingungen empfiehlt es sich, Grünäsungsflächen in jedem Fall langfristig anzulegen. Erst wenn sie spürbar an Attraktivität verlieren und dies durch Pflegemaßnahmen nicht mehr auszugleichen ist, sollte über eine Neuanlage nachgedacht werden. Hinsichtlich der Bejagung gilt für Grünäsungsflächen sinngemäß das selbe wie für Wildäcker.
Dokumentation
Als Richtwert sollten – so notwendig – dem Wild ein bis zwei Prozent der Waldrevierfläche sinnvoll verteilt als eigens angelegte bzw. gepflegte Äsungsflächen zur Verfügung stehen. Eine Übersicht gewinnt man am einfachsten, indem man alle Äsungsflächen in eine Revierkarte einträgt.
Zur Dokumentation auf Revierebene als auch zu einer über die Reviergrenze hinausgehenden Abstimmung empfiehlt es sich, die Äsungsflächen systematisch zu erfassen (s. Tab.). So lassen sich Räume mit Verbesserungsbedarf unschwer und großflächig erkennen.
Darüber hinaus fällt auch eher auf, wenn Äsungsflächen auf falschen Standorten liegen. So braucht man sich im Mittelgebirge über starke Schälschäden an Fichte in Südhanglage nicht zu wundern, wenn die Äsungsflächen ausgerechnet auf den Nordhängen liegen und deshalb wegen des kalten Klimas gemieden werden.
Äsungsflächen haben im Waldrevier eine wichtige Funktion sowohl zur Bereitstellung von Äsung als auch zur räumlichen Steuerung des Wildbestandes. Während Grünäsungsflächen – in entsprechend artenreichen Varianten – auch für Rehwild geeignet sind und in Revieren mit anderen Wildarten unter den Gesichtspunkten Aufwand und Nutzen die Grundversorgung stellen, überwiegt bei Wildäckern die Lenkungsfunktion.
Sie dürfen deshalb nicht in wildschadensgefährdeten Bereichen angelegt werden, können jedoch das Wild durchaus aus solchen Bereichen zumindest partiell herauslocken.
Äsungsflächen im Wald können ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie auch als solche zur Verfügung stehen und nicht so „belagert“ werden, dass das Wild sie nur nachts aufsuchen kann. Für Wildtiere geht im Zweifel Sicherheit vor Nahrung.