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Blattjagd-Praxis: Wechseln oder warten?

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Der eine hetzt von Sitz zu Sitz, um an möglichst vielen Plätzen blatten zu können. Der andere verharrt stur am gleichen Ort, setzt auf Geduld und Sitzfleisch. Aber welche Taktik bringt wirklich den Erfolg?

 

Allzeit bereit: Wenn`s wirklich schnell geht, bleibt oft keine Zeit zum Umdrehen. Daher zu zweit raus und einfach Rücken an Rücken auf den Boden setzen. Jeder Jäger hat „seine“ Hälfte. So kann man nach allen Seiten Chancen nutzen, die einer allein verpasst hätte.

von Klaus Weißkirchen

Der letzte Fiepton war kaum verhallt, da kam er wie eine Rakete aus der Dickung.

Ich die Waffe hoch, der Bock voll auf die Bremse. Als er mir kurz das Blatt zeigte, zog ich ab. Das waren höchstens zehn Sekunden, höchstens 20 Meter. Mann oh Mann, Blattjagd vom Feinsten.“

Das sind sie, die Geschichten, die das Blut in Wallung bringen, Passion wecken – aber leider manche Jäger zu Fehlern verleiten. Von derlei Erfolgsmeldungen „verdorben“, warten sie nämlich nach dem Fiepen gerade mal zehn oder 15 Minuten, und schon geht’s weiter zum nächsten Platz.

Das Ende vom Lied? An einem Tag das halbe Revier verblattet und keinen oder einen blutjungen Bock auf der Strecke.

Das andere Extrem sind die „Hockenbleiber“. Einmal gefiept, weichen sie nicht mehr von der Stelle, gehen nach Stunden als Schneider heim und stempeln die Umgebung des Sitzes als „bockfrei“ ab.

Das Ende vom Lied? An einem anderen Ort vielleicht die große Chance verpasst und ein trügerisches Bild über den anscheinend erfolglosen Platz gewonnen.

Wie so oft im Leben liegt die Wahrheit in der Mitte. Grundsätzlich sollte man an einem Tag maximal drei Plätze zum Blatten ansteuern. So kann man die „fängigsten“ Zeiten füllen.

„Balttakt“

Ein Blattakt dauert inklusive Wartezeit etwa zwei Stunden, und dann sieht die Einteilung wie folgt aus:

  • Erster Blattakt von 9 bis 11 Uhr;
  • Platzwechsel (mindestens 400 Meter entfernt) und zweiter Blattakt von 11.15 Uhr bis 13 Uhr;
  • Brotzeit machen, „Siesta“ halten und dritter Blattakt an neuem Platz (wieder mind. 400 Meter weg) von 16 bis 18 Uhr.

 

Die richtige Dramaturgie

Diese zwei Stunden gilt es natürlich „mit Leben“ zu füllen, und daher muss man die richtige „Dramaturgie“ drauf haben. In vielen Jahren hat sich bei mir folgende Methode bewährt:

Nachdem ich meinen Standort bezogen habe, warte ich eine Viertelstunde. Dann nehme ich den Buttolo-Gummiblatter, wickle ein Taschentuch drum und sende vier bis fünf leise Fieptöne in alle Himmelsrichtungen.

Um die Abstände zwischen den einzelnen Lauten naturgetreu wieder zu geben, atme ich zwischen den Fingerdrücken tief durch.

Erneut warte ich 15 Minuten. Dann wiederhole ich die Strophe – jetzt allerdings ohne Taschentuch. So vergrößert sich automatisch das „Einzugsgebiet“.

Regt sich nach weiteren 15 Minuten immer noch nichts, blatte ich heftiger, indem ich an das Fiepen ein bis zwei „Piu“-Töne anhänge. Und dann heißt es warten und zwar ungefähr eine Stunde.

„Warum so lange?“, werden einige fragen.

Nun, die ersten erfolglosen Strophen verraten, dass kein Bock in der Nähe ist, der verzweifelt eine Geiß sucht. Doch das muss nichts heißen. Durch die letzte Strophe mit den „Piu“-Tönen reize ich vielleicht einen älteren Bock, der weiter entfernt oder bei einem weiblichen Stück steht. Und der wird meist nicht wie die Feuerwehr zustehen, da er erstens erfahrener und zweitens vielleicht schon abgebrunftet ist.

Abwarten und die Ohren spitzen

Bedächtig, aber zielgenau wird er „mit tiefer Nase“ dem Ursprung der Geräusche auf den Grund gehen. Entweder um das weibliche Stück zu begutachten oder um einen möglichen Nebenbuhler zu vertreiben.

Das dauert seine Zeit, und wer zu früh abbaumt, wird die ersehnte Beute höchstens noch hören – wenn sie schreckend abspringt.

Natürliche Alarmanlagen

Apropos hören: Einige Vogelarten sind hervorragende „Alarmanlagen“. Die meisten Jäger kennen ja das Schlagen der Amsel oder das Krächzen des Eichelhähers, wenn Fuchs, Reh oder Sau durch den Bestand ziehen.

Doch gerade um die Mittagsstunden zeichnen sich diese beiden Arten durch eine gewisse „Maulfaulheit“ aus. Kein Problem, kleinere Vögel sind da recht aktiv, und wenn Kleiber oder Blaumeise aufgeregt zetern, sollte man tunlichst in Voranschlag gehen.

Wer gezielt den starken Bock heranblatten will, sollte meine Eifersuchtsmethode (siehe WuH 16/1999, Seite 22) anwenden. Das sieht dann so aus: 20 Minuten nachdem ich den Stand eingenommen habe, fiepe ich vier- bis fünf Mal leise mit dem Gummiblatter in alle Himmelsrichtungen.

Zehn Minuten Pause.

Jetzt fiepe ich mit dem Buttolo-Mundblatter, dann kommt das spezielle Angstgeschrei, das den Starken locken soll. Tut sich aber nach einer Viertelstunde immer noch nichts, verlasse ich den Platz. Das Ganze dauert also rund 45 Minuten.

Länger sitzen bringt nichts. Doch Vorsicht – diese Methode versetzt in 600 Meter Umkreis jedes Reh in Panik. Ein zweiter Platz sollte also mehr als einen Kilometer Luftlinie entfernt sein.

Weil aber nicht alle Tage Fangtag ist, kann es passieren, dass sich trotz aller Taktik „kein Halm“ rührt. Jetzt darf man nur nicht den Rückschluss ziehen, die falschen Sitze gewählt zu haben. Schon am nächsten Tag kann’s da nämlich so richtig „rappeln“.

 

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