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Mit Fuchs und Flatter-Krähe

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Krähen-Lockjagd:
Wer hat sie nicht in seinem Revier, die schlauen schwarzen Räuber?
Die Jagd auf sie scheint aussichtslos. Aber Gerhard Hans, Jäger und Tüftler, hat sich eine ganz besondere Strategie einfallen lassen, wie er die Krähen vor seine Flinte lockt. Wir haben einen Morgen lang mit ihm gejagt.

 

Von Julia Numßen

Vier Uhr dreißig in der Früh, es ist noch stockdunkel. Kein Stern leuchtet vom Himmel, der Mond ist wolkenverhangen, und es ist schwülwarm, um die 20 Grad. Gerhard Hans, der vor zwei Jahren mit seinem Tauben-Karussell für Furore sorgte (WuH 16/2000, Seite 32), rumpelt mit seinem Geländewagen langsam über die Wiese und bremst schließlich an einem Hang ab. Die Scheinwerfer leuchten auf eine einzeln stehende Eiche.

„Hier ist es, hier bauen wir unsere Dekoration auf. Ein idealer Platz.“ Hans kennt sich gut aus in dem sauerländischen Revier am Mohnsee. Schon Wochen vorher ist er seine Runden abgefahren, hat geschaut, wo die Flugrouten der Krähen sind und auf welchen Weidezäunen und Bäumen die schwarzen Räuber am liebsten aufpflocken. „Die sind hier echt eine Plage. An einem Morgen habe ich über 40 Stück gezählt.“ Und zwar genau an diesem Platz, an dieser Wiese, auf der die Eiche steht.

Ein Monster aus dem Gruselkabinett

Gerhard Hans zieht die Handbremse an, springt aus seinem Auto in die Nacht, geht mit langen Schritten hinten an den Kofferraum, wuchtet eine Autobatterie heraus. Dann greift er nach einigen Drahtgestellen, klemmt sich schließlich Tarnnetz, Plastik-Krähen, frisch erlegte Krähen und einen ausgestopften Fuchs unter die Arme. Rund 20 Meter von der jungen Eiche entfernt legt er im Auto-Scheinwerfer-Licht vier Krähen in einem Kreis wie Locktauben aus. Dann fingert er auf jedes der zwei V-förmigen Drahtgestelle, die in die Erde gesteckt werden, jeweils eine Krähe. An deren Schwingen wiederum knotet er Bindfäden, die mit einem Scheibenwischer-Motor verbunden sind. Dieser Motor sitzt am unteren Ende der Metall-Stange. Jetzt noch Klemmen dran, Kabel zur Autobatterie und: Strom an. In die Drahtgestelle kommt plötzlich Leben. Im Scheibenwischer-Rhythmus klackern die Schwingen aufgeregt nach oben und unten. „Ist ganz einfach nachzubauen“, sagt Hans und stellt die zweite Flatter-Krähe auf.

Zwischen die zum Leben erweckten schwarzen Räuber schiebt er den ausgestopften Fuchs ins Gras, der eigentlich nicht wie ein Fuchs, sondern wie ein Monster aus dem Gruselkabinett aussieht. „Den hatte ich mal selbst für meine Mutter präpariert. In den Vorderbranten hielt er damals ein Tablett – deshalb sieht der ein bisschen merkwürdig aus“, sagt der Tüftler. Statt Tablett klemmt er Reineke eine frisch erlegte Krähe zwischen die Branten, die ebenfalls verdrahtet wird und dank Motor mit der linken Schwinge klappert. Zufrieden guckt Hans auf die ratternde, flatternde Dekoration: „Passt.“

Schlechte Sicht

Zurück zum Auto. Hans will heute nichts dem Zufall überlassen. „Ich hab’ noch zwei Plastik-Krähen, die kommen in den Baum.“ Mit einer leichten Alu-Stange hebt er die Lift-Krähen auf die Äste der Eiche (siehe Tauben-Lifter, WuH 6/2001). Er schaut auf die Uhr, fünf ist es: „Jetzt noch schnell das Tarnnetz aufbauen.“ Rund dreißig Meter von den Attrappen richtet er unter vier dicken Eichen in einer Mulde seinen Stand ein. Ruckzuck sind die vier dünnen Eisen-Pfähle in Form eines schmalen Vierecks in den Boden gesteckt und mit dem Tarnnetz umschlungen. Hier drin wird Hans nachher sitzen. Aber er ist noch nicht ganz zufrieden. „Ich bin von oben bis unten spitze mit dem Netz eingedeckt, dafür kann ich aber schlecht gucken und mich beim Schießen nicht drehen.“ Der Krähen-Experte zieht die Flinte aus dem Futteral und stellt sie vorsichtig an die Tarnung. „Bin ich nicht so optimal gedeckt, kann ich besser den Luftraum überwachen und bin beim Mitschwingen beweglicher. Der Nachteil: Ich werde leichter eräugt.“ Gerhard Hans geht einen Kompromiss ein, das Tarnnetz umschließt ihn an allen vier Seiten, aber über seinem Kopf wird es nur halb über den Stand gezogen.

Ein kleiner grüner Kasten

Viertel nach fünf: Der Krähen-Jäger klettert in seinen Geländewagen, versteckt ihn hinter einem Wäldchen und kommt zurückgelaufen. Es wird langsam hell, ein grauer Schleier liegt über der Wiese, der Himmel ist eintönig milchig – kein blau, kein weiß. Es geht kein Wind, und es riecht nach Kühen. Ich laufe zu meinem Stand, der am Weidezaun für mich eingerichtet wurde und ebenfalls nur aus einem Tarnnetz besteht. Das allerdings ist oben herum völlig verschlossen, sieht also von weitem aus wie ein kleiner grüner Kasten. Ich schlüpfe unter dem Netz hindurch, lade die Kamera und schnippel mir ein kleines Loch in die Tarnung für das Objektiv. Ich sehe gerade noch, wie die lange Gestalt von Hans hinter der Kuppe verschwindet. Den Schützen-Stand selbst kann ich von meiner Position nicht ausmachen, der liegt hinter dem Hang.

Krähen sind nachtragender als Tauben

Der graue Dunst schwebt immer noch wie ein leichter Schleier über der Wiese. Vor mir das Lockbild, rund 40 Schritt entfernt. Die klappernden Schwingen, der Rhythmus der Motoren kommen nur gedämpft bei mir an. Es ist jetzt fünf Minuten vor sechs. Ich setze mich auf meinen Rucksack, Mücken schwirren um mich herum, eine hat mich schon an der Stirn gestochen. Warum muss man immer so früh aufstehen, wenn man jagen will? Gerhard Hans behauptet, dass die beste Zeit zum Krähen jagen zwischen sechs und neun Uhr morgens liegt. Hat man dann Dampf gemacht, kann man einpacken und die Jagd auf die Räuber in dem Revier für einen Monat einstellen. Krähen sind nachtragender als Tauben. Und viel schlauer. Ich gähne. Plötzlich höre ich Schwingen schlagen, ein Greif, wahrscheinlich ein Bussard, streicht über das Lockbild und verschwindet im grauen Himmel.

Fünf nach sechs. Ringeltauben baumen Schwingen-klatschend in den alten Eichen auf, sechs, sieben Stück. Sie äugen interessiert auf die am Boden wedelnden Krähen und den Mörder-Fuchs. Die könnte man jetzt wunderbar aus den Bäumen pflücken, ach, verflucht, die Zeiten sind ja vorbei. Dann plötzlich „Kräh, Kräh, Kräh.“ Es geht mir durch Mark und Bein. Ich schalte die Kamera ein, rücke das Objektiv durch das Tarnnetz. Mein Puls beschleunigt sich. Ist das Hans mit seinem Krähen-Lockinstrument, dem Shaker, oder sind es echte? Wie aus dem Nichts tauchen plötzlich drei schwarze Punkte aus dem grauen Himmel auf, kommen näher und näher. Sie krächzen, streichen hoch weg über das Lockbild. Krähen! Die schwarzen Räuber fliegen einen Bogen, kommen zurück, eine von ihnen bleibt über dem Standbild in der Luft stehen. „Los, Krähen-Jäger!“ Und als hätte er es gehört: Bumm, Bumm, die Krähe fällt mit dem zweiten Schuss zu Boden. Sauber! Mist, ich hab’ vergessen zu fotografieren. Ich könnte mich ohrfeigen!

Krächzende

Die schwarzen Boden-Attrappen spulen weiter ihr Programm ab, und die beiden anderen Räuber kommen tatsächlich zurück. Nicht zu fassen! Jetzt ist es Hans, der mit seinem Krähen-Shaker das Hassen nachahmt. Die Rabenkrähen streichen wieder über das Lockbild, krächzen, sind aggressiv. Hans schießt – dieses Mal leider vorbei, und die Krähen schwirren ab. Schade, jetzt wäre ich drauf gewesen, noch immer kein Bild. Die Tauben sind inzwischen längst abgestrichen.

Zehn nach sechs, wieder höre ich anpfeifenden Schwingen-Schlag und ein lautes „Kräh, Kräh!“ Sie kommen in meinem Rücken, streichen über mich hinweg geradewegs aufs Lockbild zu, hassen von weit oben auf den ausgestopften Fuchs und seine Spießgesellen. Hans schießt, eine fällt zu Boden. Jetzt geht es Schlag auf Schlag, mal kommt eine Krähe allein, mal rücken sie zu zweit oder zu dritt an. Die einzelnen sind vorsichtig, bleiben ziemlich weit oben. Kommen sie zu zweit oder dritt sind sie mutiger und aggressiver, halten sich länger über der Dekoration auf.

Eine Selbstlade-Flinte wäre nicht schlecht

Zwanzig nach sechs: Vier Krähen hat Hans schon geschossen, zwölf hat er bis jetzt heranlocken können. Es fängt an zu nieseln, dann werden die Tropfen dicker und schließlich tropft es langsam durch das Tarnnetz hindurch. Blitze zucken am grauen Himmel, es donnert. Ich verstaue meinen Fotoapparat wieder im Rucksack. In der Luft ist nichts mehr los. Auf der Wiese sammelt sich das Wasser – wir brechen ab.

Gerhard Hans ärgert sich: „Mensch, acht hätte ich sicher haben können.“ Wir schauen in den Himmel. Das sieht nicht gut aus. Der Krähen-Jäger gönnt seinen Flatter-Krähen eine Pause und klemmt sie ab. Jetzt schüttet es wie aus Eimern. Schnell sammeln wir die heute gestreckten Krähen ein, meine Tarnklamotten saugen sich in der kurzen Zeit wie ein Schwamm mit Wasser voll.

Wir lassen alles stehen wie es ist, nur seine Bockflinte hat Hans dabei. Ab zum Geländewagen. Der Regen trommelt auf das Dach. Ich sehe schwarz. „Für die Krähen-Jagd wäre eine Selbstlade-Flinte nicht schlecht“, sagt Gerhard Hans. „Dann hat man drei Schuss und muss beim Nachladen nur die Patronen reinstopfen. Mit der Bockflinte ist es doch ein bisschen mühsam. Die muss ich erst abkippen, und dabei bleibt man dauernd im Tarnnetz hängen.“ Langsam beschlagen die Scheiben. Draußen wird’s nicht heller, sondern dunkler. „Oder eine Repetier-Flinte, noch besser. Ich bin aber echt froh, dass ich 36-Gramm Patronen geladen hatte.“ Die Krähen sind einfacher zu treffen als Tauben, weil sie größer und langsamer sind. Aber meist muss man auf weitere Entfernung schießen, und hier machen sich die 36-Gramm doch bezahlt. „Da sitzt natürlich ordentlich Dampf dahinter, hundert Schuss pro Tag sind damit aber nicht drin, da bekommt man’ne blaue Schulter. Aber für die Krähenjagd sind sie ideal.“

Das kleine Resümee

Sieben Uhr: Es regnet und regnet. Nein, denke ich, das wird heute nichts mehr. Hans scheint dasselbe zu glauben und zieht schon ein kleines Resümee. „Aber die Krähen haben spitze auf die Flatter-Kameraden und den Fuchs reagiert, oder?“ Ich nicke und gucke aus meinem halb beschlagenen Seitenfenster. Es regnet fette Bindfäden. „Und der Shaker schien die schwarzen Räuber zusätzlich angelockt zu haben.“ Das ist mir auch aufgefallen, als hätten sie sich dadurch bestärkt gefühlt. Ich starre weiter aus dem Fenster hinaus. Hoffentlich sind die Fotos was geworden. Mieses Licht, feucht gewordener Blitz. „Nächstes mal mache ich das Lockbild nicht ganz so aggressiv, vielleicht weniger Flatter-Krähen. Dann baumen sie auch bestimmt mal auf.“ Aber das nächste Mal gibt’s heute bestimmt nicht mehr.

4.30 Uhr: Der ausgestopfte Fuchs wird in Position gerückt. Doch der alleine reicht Gerhard Hans nicht aus

 


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