Ein Stückchen davon – ein Häppchen davon:
Eine neue Kanzel aus Fertigteilen zu errichten, ist nicht unbedingt große Baukunst. Aber nur aus „Resten“ eine passable Reviereinrichtung zu erstellen, braucht etwas Phantasie.
Von Heiko Hornung
Eigentlich bin ich kein Freund von geschlossenen Kanzeln, die immer mehr in Mode kommen und in dem „gut eingerichteten Revier“ alle paar hundert Meter die Landschaft verschandeln. Allzu überdeutlich erinnern diese Reviermöbel daran, wer hier sitzt und lauert – der „Homo venator“. Lieber hocke ich in einem Schirm, auf einer gedeckt stehenden Leiter oder suche mir mit dem Sitzstock einen passenden Platz. Allerdings gibt es Revierecken, an denen man mit den bescheidenen Ansitzeinrichtungen nicht weiter kommt. Auf so einer offenen Leiter kann es im Winter beim Sauen- und Fuchsansitz doch recht ungemütlich werden
In den vergangenen beiden Jahren haben wir uns intensiv um unsere Kanzeln gekümmert. Einige wenige wurden neu errichtet. An den meisten „Jägerhäuschen“, die noch aus der Zeit des Vorpächters stammten, nagte allerdings intensiv der Zahn der Zeit, was deren Entsorgung notwendig machte. Während zunächst der Versuch groß war, die Abriss-Kanzeln kurz und klein zu schlagen, rührte sich in mir die fränkisch-sparsame Seele und forderte: „Ausschlachten“! So wanderten in unseren Baubunker Fenster, Türen, Scharniere und Schlosse. Hinzu kamen bald Kanthölzer, Schalbretter, Restpappe, Dachlatten vom Zwingerbau und Teppichstücke von einem abgebauten Messestand. Die penible Sammelwut von Sperrmüll kratzte bereits bedenklich an meinem Image in der Redaktion.
Die Geburtsstunde der „Villa Kunterbunt“
An einer recht zugigen Waldkante, an der der Fuchs gerne entlangzieht, um von dort seine Pirschgänge ins Feld zu starten, platzierte ein Landwirt im Frühjahr einen großen Misthaufen. Strohballen und ein Kuhstall sind auch nicht fern, ideal also für einen Luderplatz. Die Geburtsstunde für unsere „Restekanzel“ oder die „Villa Kunterbunt“. Zunächst existierte die Restekanzel bloß in meinem Kopf. So nach und nach konnte ich die Kollegen von meinen Recycling-Plänen überzeugen. Dabei war jeder Arbeitseinsatz ein kleines Redaktions-Event.
Jeder wollte und konnte beim Planen, Nageln, Sägen, Bohren sein Bestes geben. Dabei kommentierten alle den vierten Versuch eines Kollegen, einen Nagel kompetent zu setzen genauso hämisch, wie die verlorene Fingerkuppe meinerseits. Oft saß man nach getaner Arbeit noch zusammen, trank ein Bier und lachte über die Arbeitswut von Jagdjournalisten. „Ja, und eigentlich bräuchte man noch hier und vielleicht auch dort eine Kanzel, oder? Aber haben wir dazu noch genug Reste?“