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Von Superpatronen und Zufallstreffern

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Jagd- und Schiesskunst:
Haben Sie auch schon mal „einfach so hingehalten“? Natürlich in der Hoffnung, dass der turmhohe Fasan oder die weit streichende Ente durch die 36 Gramm-Vorladung vielleicht doch vom Himmel fällt? Wenn ja, sollten Sie diesen Beitrag lesen.

 

Von Gustav Freiherr v. Fürstenberg

Die Jagd kann nur sinnvoll sein und Spaß machen, wenn der Jäger seiner Waffe und seines Schusses einigermaßen sicher ist. Er muss also entweder die Jagdarten auf sein gegebenes Schießvermögen abstimmen oder dieses mit den Anforderungen seiner Jagdarten in Einklang bringen. Man kann ein sehr guter Schütze und dabei gleichzeitig ein sehr mäßiger Jäger sein. Man kann aber auch ein sehr mäßiger Schütze und dabei ein ausgezeichneter Jäger sein, wenn man die ausgeübte Jagdart auf seine Schießfertigkeit abstellt. Es kann nicht jeder alles können. Wer also erklärt: „Ich schieße nur auf ruhende Ziele“, der hat sich auf die ihm gemäßen Jagdarten beschränkt, und seine Schießfertigkeit entspricht den Anforderungen dieser Jagdarten. Er ist fast sicher ein waidgerechter Jäger.

Maßhalten ist eine seit dem Mittelalter gelehrte

Die Treibjagd ist nur ein ganz geringer Teil unseres Waidwerkes, aber sie ist spektakulär, und bei ihr kommt es auf gutes Schießen an. Und es macht jedem Schützen Spaß, die in ihn gesetzten Hoffnungen zu rechtfertigen oder gar zu übertreffen. So mancher gute Schütze wird durch seine Erfolge auf einigen guten Treibjagden immer sicherer und besser, und da liegt auch die Versuchung nahe, dem Ehrgeiz nachzugeben und im Schießen etwas leichtfertig zu werden. Maß, Maßhalten ist eine seit dem Mittelalter gelehrte, geübte ritterliche Tugend – bei weitem nicht nur auf der Jagd! Aber auf der Jagd zeigt der waidgerechte Jäger, dass er Hasardschüsse unterlässt und auf den Ruhm eines Zufallstreffers verzichtet. Unter Mitjägern, die etwas von der Sache verstehen, wird sein Ruhm vor allem darin bestehen, das Wild sauber zu erlegen, auch schwere und weite oder hohe Schüsse abzugeben, aber immer mit dem Bestreben, dass das Wild den Schuss nicht mehr hört, sondern sicher getroffen fällt. Wenn die Schussbedingungen so sind, dass infolge Höhe, Entfernung oder anderer Erschwernisse nur noch mit einem Teiltreffer mit Rest- oder Randschroten zu rechnen ist, dann wird er manchen Schuss unterlassen. Beim Tennis nimmt er jeden, auch den unmöglichsten Ball an, und oft wird er ihn erwischen. Aber auf der Jagd ist das eben anders. Ich will damit sagen: Wenn nur noch zwei oder drei Schrote treffen können, dann ist es ebenso wahrscheinlich, dass nur noch eines trifft. Es kann dann tödlich sein, es kann aber auch nur flügeln, ständern oder weich treffen.

Gewiss, da stehen Hundeführer mit wunderbaren Verlorensuchern bereit – es geht im besten Fall nichts verloren. Aber der Fasan ist nicht mehr schlagartig im Schuss verendet, und mag er auch zur Strecke kommen – es macht mir nicht den richtigen Spaß. Jagd ist ja nicht Wildbekämpfung! Und die Jagd – hier unterstützt durch gutes Schießen – soll Spaß machen!

Von einer gewissen Höhe an kann keiner seine Schrote mehr bändigen

Ich erinnere mich an einen sehr guten, sicheren und passionierten Schützen, den ich bei einer Jagd in England traf. Ich hatte öfters mit ihm gejagt und schätzte seine großartige Schießkunst und vor allem sein gleichbleibendes, sicheres, sauberes Erlegen. Das Wild fiel wirklich wie ein Stein vom Himmel. Da kam ihm mitten im Fasanentreiben eine sehr hohe Taube. Nun, nichts wäre verlockender gewesen, als einfach einmal hinzulangen nach dem Motto „Sie wird schon fallen!“ Er schwang mit, setzte die Flinte aber wieder ab. Auf meine Frage antwortete er später: „Ja, sie wäre wohl gefallen. Aber auf diese Höhe bin ich nicht mehr Herr meiner Schrotgarbe! Mit etwas Pech hätte ich in den Ständer oder in den Schnabel schießen können. Von einer gewissen Höhe an kann keiner seine Schrote mehr bändigen. Mit etwas Phantasie unterlässt man solche Schüsse lieber, mögen sie auch oft gelingen.“ Ein wahrer Waidmann!

Man ist nicht etwa unterbeschäftigt wenn man nicht jede Gelegenheit zum Schuss wahrnimmt

Gern und mit Achtung denke ich auch an Jäger, die zwar mit Leidenschaft zur Jagd gehen und davon auch viel verstehen, die aber nur auf ruhende Ziele schießen. Ich erwähne sie nochmals, weil sie ihren Platz auf der Jagd haben! Zum Beispiel sitzen sie an und beobachten das Wild und eine Menge anderer Tiere (und Menschen), oder sie betreiben die Lock- oder Reizjagd und erlegen alljährlich Dutzende von Elstern, Krähen und – als es noch erlaubt war – auch Bussarde, Habichte. Im Winter beim nächtlichen Ansitz oder mit der Hasenquäke kommt der Fuchs, im Herbst so mancher Marder, manche wildernde Katze dazu. Es ist nicht so, als ob diese Leute etwa unterbeschäftigt wären, nur weil sie nicht jede Gelegenheit zum Schuss wahrnehmen. Mit ihrem Drilling sitzen sie an, erlegen die abschussnotwendigen Rehe, den hoppelnden Ansitzhasen, die einfallende Taube. Ihre Art des Waidwerks braucht sich hinter der von Flug- und Flüchtig-Schützen nicht zu verstecken.

Wer wollte aber andererseits bestreiten, dass gutes, sicheres, ja brillantes Schießen auf flüchtige Ziele die Jagd stets gefördert hat und ihr einen besonderen Rang gibt? Richtschnur und Norm muss bei alledem das schlagartige Verenden des Wildes sein. Beim Kugelschuss ist das nicht entscheidend: Denn ein guter Treffer, oftmals zum Beispiel ein tiefer Blattschuss, wird unausweichlich zu einem schmerzlosen und angstlosen Verenden in wenigen Minuten führen, auch wenn das Stück noch abspringt.

Zu starke Patronen sind eine Pest

Experimente mit „Super“-Schrotpatronen lehne ich ganz ab. Wegen ihres hohen Preises und ihrer „Überladung“ verleiten sie unerfahrene Schützen nur zu riskanten Schüssen. Denn wenn ich schon viel Geld für diese wahren „Hämmer“ hingeblättert habe, und wenn ich harter Mann, der ich ja bekanntlich bin, mir den Kolben meiner Flinte wie ein Hackebeil um Schultern und Kinnladen schmettern lasse, dann will ich auch Strecke sehen! – Nein lieber Freund, lassen Sie doch den Quatsch! Sie werden immer schlechter mit der Flinte, Ihre Erfolge lassen nach, Ihre Kinnladen scheppern wie eine Ofenklappe, Ihre Schulter sehnt den Abend herbei, aber Ihre Hasen, wenn sie nur etwas Pech haben, können von Ihren verirrten Schroten elendig verludern.

Ich habe es doch erlebt, nicht einmal, sondern dutzende Male, wie zuverlässige Schützen ihre gesamte Sicherheit einbüßten, weil sie „überladene“ Patronen verschossen hatten. Sie erreichten genau das Gegenteil! Zu starke Patronen sind eine Pest. Sie mögen technisch noch so gut und wertvoll sein, schaffen auf der Jagd aber nur Probleme. Ich nenne Ihnen jetzt den Fall, wo Sie sie vielleicht gebrauchen können: Wenn Sie nämlich aus überschweren Gewehren dickstes Schrot sehr weit verschießen müssen – also etwa über einen Fluß hinweg. Dazu brauchen Sie eine gewaltige Schrotladung; denn auf diese Entfernung zählt jedes Schrotkorn – die Deckung lässt ja nach. Und natürlich grobes Schrot – am besten vier Millimeter – die Aufschlagkraft lässt ja auch nach. Da nehmen wir doch lieber eine Fernrohrbüchse für diesen Spezialzweck!

„Dickes“ Schrot ist nur etwas für Spezialbedingungen

Nun zum Gegenteil: „Dünnes“ Schrot, also Nummer 6 und 7 (2,7 und 2,5 Millimeter), in größeren „Dosen“ als 30 Gramm im Kaliber 12 zu verschießen, entbehrt jeder Logik: Denn soweit die Auftreffwucht des leichten Kornes noch ausreicht, ist der großen Körnerzahl wegen auch genügend Deckung da. Wenn das Schrot beim Weitschuss aber nur noch wie eine Handvoll Erbsen wirkt, nützt mehr Deckung ohnehin nichts mehr. „Dünnes“ Schrot gefährdet die Umgebung weniger und hat auf Wild eine gewaltige Schockwirkung. „Dickes“ Schrot ist nur etwas für Spezialbedingungen: Den Ansitz am Luder oder weite Feldhasen. Weite Feldhasen können wir heute aber vergessen, die kamen im Krieg bei Schützenmangel vor.

Ein Gutteil des Erfolgs liegt im Maßhalten

Leicht geladene Patronen lassen einen nicht so schnell ermüden und „schmerzen“ nicht, und daher vermitteln sie Sicherheit. Die „Bleihämmer“ vermitteln die Vorstufen einer Gehirnerschütterung und bewähren sich daher trotz ihrer Superleistung nicht. Und außerdem haben diese Patronen auch so manche gute alte Flinte ruiniert.

Zu der Zeit, da ich noch Hasen schoss wie ich etwa heute Kirschen pflücke – das ist viele Jahrzehnte her – habe ich das alles selbst erfahren. Ich kannte meine Läufe, ich benutzte gleichbleibend gute Normalpatronen, und ich wusste sozusagen vor dem Schuss, wie der Hase fallen würde. Hat man einmal diese Routine, so ist das ja kein schweres Schießen! Aber ein Gutteil des Erfolgs liegt im Maßhalten.

Als mein Vater sah, dass ich Hasen schießen konnte, ließ er mich im Alter von vierzehn Jahren bei der ersten winterlichen Hasenjagd als Schütze mitgehen. „Warte, bis sie dir breit kommen!“, war seine letzte Mahnung. Meine Übung war indessen hinreichend, die Kenntnis der Reichweite meiner Zwanziger-Flinte erlaubte mir auch die nötige Zuversicht, um sicher schießen zu können, und ich erlegte, was mir auf den Flügel- oder Hilfsständen kam: 17 Feldhasen, nur für einen brauchte ich zwei Schuss. Ich weiß es noch wie heute. Es wirkte sehr erwachsen, aber ich fand insgeheim, Hasenschießen sei keine große Kunst. Wenn ein Jäger allerdings mangels Hasen keine Übung mehr hat, ist es ein Zufall, ob er „dahinterkommt“.

Der Schütze wird zum Zielen verleitet

Das Ziel „Feldhase“ ist merkwürdigerweise schwer künstlich zu erzeugen, um sich darauf einzuschwingen. Der „Blechhase“ ist mangelhaft. Und die theoretische Belehrung vergisst immer den Hinweis darauf, dass viele Schützen nicht weiterschwingen, also mit den Läufen stehenbleiben, anstatt unbeirrt auch nach dem Schuss weiterzuschwingen. Der Grund hierfür ist einfach: Der Schütze wird bei dem an sich leichten Schuss vor allem durch die viele Zeit, die der Feldhase bietet, zum Zielen verleitet. Er macht alles richtig, aber statt abzudrücken, nimmt er den Blick zurück aufs Korn, und schon bleiben die Läufe reflexartig stehen. Der Hase ist gerettet – auch eine Lösung.

Diesen Schützen wird es oft viel leichter fallen, den Hasen im unübersichtlichen Waldtreiben zu erlegen. Hier sind sie durch die schlechte Sicht gezwungen, wirklich hinzusehen – und schon schwingen sie auch energischer. Daher brauchen sie auch im Wald kaum vorzuschwingen.

Ich habe in meiner Schießschule seit Jahrzehnten sicheres Jagdschießen erstrebt und erreicht. Dabei musste ich oft den Eifer beziehungsweise die Schießlust bremsen und Traumschüsse zurückstellen, bis die einfachen wirklich „saßen“. Wenn ein Schütze sich aber immer schnellere, höhere und weitere Ziele werfen lässt, so möge er bitte die altvertrauten, sozusagen heimischen nicht verachten. Es ist sein Rüstzeug, das er weiterhin brauchen wird!

Der Ablauf der Bewegungen wird immer besser

So schön und lustig es also ist, sich an den schwierigsten Zielen zu versuchen, so nötig ist es, die herkömmlichen weiterhin zu üben, mögen sie auch so manchen Schützen langweilen. Das ist ein gutes Zeichen. Er beherrscht sie, er giepert nach etwas Neuem! Der Ablauf der Bewegungen wird immer besser, immer selbstverständlicher, und der Schuss fällt wie von allein. Bitte weiter so! Noch zwanzigmal! Dann wird’s zur zweiten Natur.

Rolliert: Wenn der Hase so in der Schrotgarbe verendet, darf der Schütze sich zu Recht freuen, es sei denn, er hat auf zehn Meter geschossen

 

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