HECKLER & KOCH SELBSTLADEFLINTE SLS 2002:
Wer bei der Baujagd einmal den dritten Schuss benötigt hat, damit der Fuchs liegt, der will auf eine Selbstladeflinte nicht mehr verzichten. Peter Keller testete die neue Heckler & Koch SLS 2002.
Selbstlader spalten die Jagd-Nation. Die einen freuen sich über den dritten Schuss als „Reserve“, der hilft, so manche Nach- oder Verlorensuche zu verhindern. Die anderen lehnen den Vollernter per se ab. Auf der liebevoll gestalteten Einladungskarte steht dann ganz unten der kleine Zusatz „Selbstladewaffen unerwünscht“.
Der Ruf des „Vollernters“ entstand in einer Zeit, als es noch keine gesetzliche Begrenzung der Magazinkapazität auf zwei Schuss gab und Niederwildstrecken an der Tagesordung waren, von denen wir heute nur noch träumen können. Klar, dass damals die Doppelflinten-Fraktion gegenüber den „Halbautomaten“-Besitzern hoffnungslos im Nachteil war. Mittlerweile haben Selbstladeflinten aber einen ständig wachsenden Kreis von Anhängern für sich erschließen können – zum Beispiel bei der Baujagd, wenn während der Ranz mehr als ein Fuchs steckt oder ein kranker Reineke das Weite suchen will.
So machte man sich auch im Hause Heckler & Koch daran, ein Stück vom Selbstlade-Kuchen abzuschneiden. Dazu brauchten die Schwarzwälder nicht lange nach einem im Flintenbau mit reichlich Erfahrung gesegneten Partner zu suchen: die italienische Firma Fabarm. Die Italiener fertigen die SLS 2002, den Vertrieb übernehmen die Oberndorfer.
Wer die neue SLS 2002 in den Händen hält, fühlt sich unweigerlich an italienische Selbstlader erinnert – gerade, wenn man sich den eleganten, schlanken Systemkasten anschaut.
Keine Maserung an einer SLS 2002 gleicht der anderen
Die mattschwarze Färbung der Metallteile entsteht durch eine Phosphatierung, einer Oberflächenbehandlung, wie sie sonst auch im Militärwaffenbau verwendet wird. Durch Sandstrahlen, eine Wärmebehandlung mit Schwefelsäure und Eisenphosphat und anschließendem Tränken mit gefärbtem Öl entsteht eine rostbeständige, nicht reflektierende Oberfläche. Kommt diese allerdings mit scharfen Metallgegenständen in Berührung, können Riefen und Kratzer entstehen.
Zu der etwas rau anmutenden, mattschwarzen Oberfläche passt der perfekt gemaserte Holzschaft der SLS 2002 nicht so wirklich. In diesem Fall trügt jedoch der Schein; denn nicht alles was aussieht wie Wurzelmaserholz, ist es auch. Unter Zuhilfenahme einer aufgebrachten Folie wird aus Nullachtfünfzehn-Holz ein Traumschaft mit Traummaserung. Ganz individuell, denn laut Heckler & Koch gleicht keine Maserung an einer SLS 2002 der anderen. Wie die Folie auf das Holz kommt, blieb allerdings das Geheimnis der Oberndorfer.
Außer Frage steht jedenfalls die Pflegeleichtigkeit des Schaftes: Nach einem verregneten Tag auf dem Schießstand wurden Vorder- und Hinterschaft lediglich mit einem trockenen Tuch abgewischt. Der Regen konnte dem Schaft nichts anhaben, es blieben weder Flecken übrig noch quoll das Holz auf. Und solange man der Oberfläche nicht mit spitzen oder scharfkantigen Gegenständen zu Leibe rückt, bleiben auch keine hässlichen Kratzer zurück. Jackenknöpfe, Reißverschlüsse, Karabinerhaken und dergleichen verursachten jedenfalls keine bleibenden Schäden.
Mit Form und Ausführung des Schaftes können durchschnittlich gewachsene Mitteleuropäer durchaus zurechtkommen, die Fischhaut ist recht griffig. Senkung und Schränkung des Hinterschaftes kann man lassen. Notfalls verändert man diese durch den Einbau der mitgelieferten Keile, die zwischen Systemkasten und Hinterschaft eingebaut werden können. Somit ist es bei dieser Flinte möglich, die Schaftmaße auf die jeweiligen individuellen Körpermaße abzustimmen. Eine Maßschäftung hat man damit zwar noch nicht, aber für die meisten Schützen dürfte so ein vernünftiges Ergebnis erzielt werden.
Neue Wege geht Heckler & Koch beim Laufinnenprofil. Hier setzt man auf das „IQ-Barrel“-Konzept, bei dem das Laufinnere in drei Zonen eingeteilt ist: Unmittelbar nach dem Patronenlager misst die Laufbohrung des 12er-Kalibers 18,8 Millimeter im Durchmesser. Im mittleren Bereich verengt sich der Lauf dann wieder auf 18,4 Millimeter, bevor an der Mündung der eigentliche Choke kommt. Durch diese drei Segmente ergibt sich laut Hersteller neben einem weicheren Rückstoßverhalten eine maximale Geschwindigkeit der Schrotgarbe, die wohl durch den „Düseneffekt“ bei Eintritt in den engeren Laufteil erzielt wird. Da durch das neue Laufinnenprofil zudem weniger Randschrote deformiert werden sollen, verspricht der Hersteller eine bessere Deckung. In der Praxis zumindest schießt sich die Flinte wie alle Gasdrucklader relativ weich, ohne das man aber zu anderen Modellen einen fühlbaren Unterschied feststellen kann.
Probleme gab es weder mit Plastik- noch mit Papphülsen
Die Streuung der Schrotgarbe selbst kann durch den Wechsel der fünf im Verkaufspreis von 1031 Euro enthaltenen Chokeeinsätze beeinflusst werden, wobei der Hersteller für Stahlschrote Zylinder-, Viertel- und maximal Halbchoke freigibt.
Auf dem Trap- und Jagdparcoursstand erwies sich der Vollchokeeinsatz als etwas eng schießend. Wurde beispielsweise der Rollhase getroffen, blieb nur noch Staub übrig, beim Kipphasen fiel zuweilen nur ein Klappteil um. Besonders bei den Traptauben ist der Dreiviertelchoke die günstigere Wahl, da die Garbe bei noch ausreichender Deckung etwas weiter öffnet. Auf dem Schießstand kamen Patronen mit Vorlagen von 24, 28, 32 und 36 Gramm zum Einsatz.
Probleme gab es weder mit Plastik- noch mit Papphülsen. Alle Sorten von Fiocchi, Winchester, über die von Frankonia vertriebenen B & P und Dionisi bis hin zur Rottweil, verdaute die Flinte anstandslos. Auch bei den Jagdpatronen, ebenfalls von Fiocchi und Rottweil sowie von Sellier & Bellot, traten keine Funktionsstörungen auf.
Der moderne Gasdrucklader, dessen „intelligentes System“ über ein Ventil gesteuert wird, macht es möglich, dass die Funktion der Flinte bei Schrotvorlagen von 24 bis jenseits der 50 Gramm-Marke gewährleistet ist. Das Ventil leitet überschüssiges Gas, das nicht für den Repetiervorgang benötigt wird, ab. Dadurch entsteht ein weitgehend gleichbleibender, auf den Verschluss wirkender Gasdruck.
Auch ohne Zielfernrohr nahm ich die Flinte mit an den Luderplatz. Die 32 Gramm Stahlschrotpatrone von Fiocchi (3,75 mm) warf einen Fuchsrüden am Luderplatz auf knapp 30 Schritt mit dem Viertelchoke-Einsatz sicher in den Schnee. Ungewöhnlich war nur das Scheppern der automatisch ausgeworfenen Hülse an Kanzelwand und -boden.
Zum Entladen der Flinte muss nicht jede Patrone einzeln herausrepetiert werden: Beim Öffnen des Verschlusses wird die Patrone aus dem Lager gezogen, der Verschluss bleibt dann offen, und die Patronen aus dem Magazin werden nach zurückziehen des Multifunktionshebels auf der linken Systemkastenseite nach unten herausgenommen. Allerdings funktioniert das ohne sich die Finger zu klemmen nur bei den 70 Millimeter langen Hülsen. Bei den längeren Magnum-Patronen (76 Millimeter) muss nachgeholfen werden, wobei öfters die Fingerkuppen malträtiert werden.
Allrounderin für Jagd und Schießstand
Die Druckknopfsicherung direkt am Abzugsbügel ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, hat sich aber bei den Selbstladeflinten durchgesetzt. Man kann sich daran gewöhnen, genau wie an den Abzug. Bei leichtem Kriechen im Vorzug hielt die Schleppzeigerwaage bei etwa 26 Newton (rund 2 600 Gramm). Ein Wert, mit dem man bei einer Flinte durchaus zurechtkommen kann. Bauartbedingt misst der Selbstlader mit dem 71 Zentimeter-Lauf stattliche 122 Zentimeter bei einem Leergewicht von knapp drei Kilogramm.
Fazit : Die neueste Heckler & Koch-Flinte ist eine Allrounderin für Jagd und Schießstand, der intensive Schießnachmittage ebensowenig anhaben können wie die Wetterunbilden eines nasskalten November-Tages. Mit einem gezogenen 61 cmWechsellauf für Flintenlaufgeschosse (346 Euro) lässt sich der Einsatzbereich nochmals erweitern. Für einen runden Tausender bekommt man ein Stück solider italienischer Flintentechnik aus dem Schwarzwald.
Im Preis inbegriffen: Fünf Wechselchokes liefert H & K mit. stahlschrot darf maximal bis zum Halbchoke verschossen werden |