Serie: Wildunfall (6)
Verkehrsunfälle mit Schwarzwild sind besonders gefährlich. Den „Durchgehern“ konnte hier aber keine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgewiesen werden |
I. Die Rechtsgrundlage
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch
II. Der Sachverhalt
Landwirt L. hatte ein Maisfeld entlang der Hunsrück-Höhenstraße, in dem Sauen ausgemacht worden waren. Gemeinsam mit vier Familienmitgliedern und dem Jagdhüter H. kontrollierte er das Feld auf Wildschäden. Die Gruppe durchquerte verteilt den Mais, um Schadstellen festzustellen. Plötzlich flüchteten mehrere Sauen in Richtung der Straße und verursachten einen Verkehrsunfall. Es entstand Sachschaden in Höhe von rund
1 900 Euro. Der geschädigte PKW-Halter verlangte vom Jagdhüter sowie vom Landwirt und seinen Familienangehörigen den Beklagten Schadensersatz. Zur Begründung machte er geltend, dass sie die Sauen aus dem Feld getrieben und trotz der nahen Straße keine Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze des Straßenverkehrs getroffen hätten. Die Beklagten lehnten jede Zahlung ab; sie erwiderten, dass sie kein Schwarzwild zur Straße hin getrieben hätten, sondern lediglich in Reihe ohne Waffen von der Straße weg durch das Feld gegangen seien, um Wildschäden festzustellen. Als sie etwa in der Mitte des Feldes gewesen seien, hätten sie von der Straße her einen dumpfen Schlag gehört. Daraufhin seien sie zu dem Unfallort gegangen.
III. Das Urteil
Das Gericht wies die Klage ab, da eine fahrlässige Eigentumsverletzung nicht erwiesen sei. Der Geschädigte habe nämlich nicht nachweisen können, dass die Beklagten das Schwarzwild in Richtung der Straße getrieben hätten. Der zum Beweis als Zeuge vernommene Sohn des Geschädigten habe lediglich ausgesagt, dass die Beklagten nach dem Unfall aus dem Maisfeld gekommen seien. Zuvor habe er sie nicht gesehen, so dass er über deren Verhalten im Mais keine Angaben machen könne. Allein aus der Tatsache, dass die Beklagten nach dem Unfall auf die Straße zugegangen seien, könne noch nicht geschlossen werden, dass sie auch das Schwarzwild zur Straße hin getrieben hätten. Denn es sei eine normale Reaktion, dass man nach einem lauten Schlag zur Straße gehe. Dies sei nur möglich gewesen, indem die Beklagten zur Straße hin gegangen seien. Sollten die Beklagten tatsächlich in einer Kette von der Strasse weg durch den Mais gegangen sein, so läge hierin keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Denn mit Einhaltung dieser Richtung hätten sie die ihnen obliegenden Vorsichtsmaßnahmen erfüllt, zu mehr seien sie nicht verpflichtet gewesen.
Amtsgericht St. Goar, Urteil vom 18.07.2002 – 3 C 572/01 –
IV. Anmerkungen
Der vorliegende Fall wies die Besonderheit auf, dass der Geschädigte keine Kaskoversicherung besaß, also nicht gegen Wildunfälle versichert war. Seine einzige Chance bestand daher darin, vom Jagdhüter und den übrigen Durchgehern Schadensersatz zu erlangen. Als Haftungsgrundlage machte er die Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht geltend. Danach ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer eine Gefahrenlage schafft und es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen Dritter zu treffen. Vorliegend entschied das Gericht, dass der geschädigte Kfz-Halter die Schaffung einer solchen Gefahrenlage und damit die Voraussetzungen des Anspruchs nicht nachgewiesen habe. Hiervon abgesehen hätten die Beklagten ihre Sorgfaltspflichten eingehalten, wenn sie wie sie vortragen das Feld in einer Reihe von der Straße weg durchquert hätten. Zu weiteren Vorsichtsmaßnahmen seien sie nicht verpflichtet gewesen.
Mit dieser Einstufung knüpft das Gericht an die bei Treib-, Bewegungs- und Drückjagden notwendigen Sicherheitsmaßnahmen an. Auch dort sind die Treiben grundsätzlich in Richtung von der Straße weg durchzuführen. Allerdings ist bei diesen Jagden die Gefahr eines Unfalles wesentlich höher, weil das Wild weiträumig und systematisch hoch gemacht wird. Deshalb sind bei Treib-, Bewegungs- und Drückjagden grundsätzlich zusätzlich Warnschilder und/oder Warnposten aufzustellen, die die Verkehrsteilnehmer rechtzeitig warnen. Die Rückwechsel sind verstärkt abzustellen und in besonderen Gefahrenlagen zusätzlich zu verlappen (siehe hierzu ausführlich WuH Nr. 20/2002, S. 24). Ob auch bei einem alleinigen Durchstreifen von Feldern, Dickungen und anderen Einstandsgebieten des Schalenwildes in unmittelbarer Straßennähe in gleicher Richtung (von der Straße weg) vorzugehen ist, bleibt offen. Zu empfehlen ist dies auf jeden Fall, um sich erheblichen Ärger zu ersparen. Denn ein Jäger sieht nicht gut aus, wenn erst ein Stück Schalenwild auf die Straße flüchtet und kurz darauf er aus derselben Richtung erscheint.
V. Ergebnis
1. Durchstreifen mehrere Personen ein dichtes Feld an einer Straße, in dem sich Schalenwild aufhalten kann, so hat dies aus Sicherheitsgründen in Richtung von der Straße weg zu erfolgen. Dabei ist unerheblich, ob das zu Jagdzwecken, zur Feststellung von Wildschäden oder aus sonstigen Gründen geschieht. Entscheidend ist allein die dadurch bewirkte Gefahrenerhöhung durch hoch gemachtes Schalenwild.
2. Das gilt in gleicher Weise für das systematische Durchstreifen von Dickungen, Hochwald, Wiesen und ähnliches Gelände, das sich in unmittelbarer Straßennähe befindet.
3. Für Treib-, Such-, und Drückjagden sind zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen erforderlich.