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Feistzeit beim Rehwild: Kleine Feisthirsche – Fette Böcke

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Feistzeit, Brunftzeit – Sie dachten, den Stress mit dem Zu- und Abnehmen hat nur der Rothirsch? Weit gefehlt. Auch Rehböcke haben so ihre Last – im wahrsten Sinne des Wortes.

 

In der sogenannten Frühsommer-Ruhe wird bei verminderter Aktivität hauptsächlich geäst – es ist Feistzeit

von Andreas David

Feistzeit – welcher Jäger denkt dabei nicht sofort an Hirsche? An Rothirsche! An die heimlichen Recken, die sich kaum bewegen, deshalb nur selten in Anblick kommen und immer „feister“ werden.

Die eigentliche Feistzeit der Rothirsche beginnt, nachdem die Geweihbildung abgeschlossen ist. Vorher investieren die Hirsche viel Energie in den Geweihaufbau.

Anschließend gilt es, Energiepolster in Form von Feist für die kraftraubende Brunft zu sammeln. Rothirsche („Feisthirsche“) können zur Brunft im September/Oktober – je nach Verlauf – 20 bis 25 Prozent ihrer Körpermasse verlieren. Zum einen, weil sie kaum Äsung aufnehmen, zum anderen, weil ihre Bewegungsaktivität zu keiner Zeit höher ist.

Grundlagen

Gibt es etwas vergleichbares beim Reh? Haben auch Rehböcke eine Feistzeit? Was ist eigentlich Feistzeit, was ist eine Feiste?
Zu den Grundlagen: Wie alle heimischen Wildtierarten stehen auch Rehe einem ständig wechselnden Äsungsangebot gegenüber. Stark vereinfacht könnte man es etwa so zusammenfassen: Im Sommer satt, im Winter matt.

An diesen extremen Wechsel zwischen Sommer- und Winterhalbjahr, an weitere Schwankungen (z. B. Herbstmast) und zahlreiche artspezifische Lebensäußerungen ist das Reh über seine Aktivitäts- und Stoffwechselrhythmik natürlicherweise gut angepasst.

Rehe gelten als stoffwechselintensive Säugetiere. Schon ihr Grundumsatz ist vergleichsweise hoch. Der Grundumsatz bezeichnet die Energiemenge, die ein Tier – ohne Bewegung oder sonstige Anstrengungen – nur zur Aufrechterhaltung der in Ruhe ablaufenden Lebensvorgänge benötigt (Atmung, Herz, Kreislauf usw.).

Jede Form der Bewegung, jede weitere Aktivität steigert die notwendige, über die Äsung aufgenommene, Energiemenge. Wird exakt diese, den Grundumsatz übersteigende Menge durch verschiedene Tätigkeiten sofort oder relativ schnell wieder verbraucht, würde das Tier (das Reh) sein Körpergewicht theoretisch konstant halten.

Energiespeicher

Wird in einem gewissen Zeitraum oder dauerhaft über die Äsung aber mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird, kommt es zur Anlage von Energiespeichern, von Reserven.

Hierbei handelt es sich in erster Linie um Fett, das in der Bauchhöhle (Nieren-, Netz- und Darmfett), unter der Haut oder als sogenanntes Zwischenmuskelfett ablagert, gespeichert wird. Dies wird beim Reh besonders in der Herbstfeiste deutlich.

Im übertragenen Sinne sind Fettmoleküle – von uns Menschen oft genug verteufelt – eigentlich kleine Kraftwerke.

Sie beinhalten bei gleicher Menge deutlich mehr Energie (Joule) als z. B. Kohlenhydrate oder Eiweiße. Letztere sind für den Organismus trotzdem überlebensnotwendig, Kohlenhydrate sind darüber hinaus an der Fettbildung beteiligt.

Fettreserven können ,wie erwähnt, nur dann aufgebaut werden, wenn mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird. Am effektivsten kann ihr Aufbau also in Zeiten besten Äsungsangebotes bei gleichzeitig herabgesetzter Aktivität erfolgen.

Verfolgt man nun den Lebensrhythmus bzw. die Aktivitätsunterschiede von (älteren) Rehböcken im Jahreslauf, so, wie sie Professor Hermann Ellenberg im Rehwildprojekt Stammham (1977) erforschte und darstellte und wie sie später von Praktikern bestätigt wurden, fallen Phasen hohen Energieverbrauchs, weil hoher Aktivität, sofort ins Auge (s. Grafik).

Lebensrhythmus bei Böcken

Erstmals im Frühjahr bis etwa Mitte/Ende Mai, steigt der Energieverbrauch deutlich an. Im Zuge der Territorialität (Einstandskämpfe bzw. Verteidigung der Territorien), werden die Kräfte der Rehböcke nach der Winterruhe erstmals in hohem Maße strapaziert.

Je nach Dauer und Härte des Winters können die Böcke jetzt noch immer von ihren im Herbst und Frühwinter angelegten Fettreserven zehren. Die Beobachtbarkeit der Böcke in dieser Zeit ist durch ihre gesteigerte Bewegungsaktivität entsprechend hoch, unsere jagdlichen Chancen ebenfalls.

In fließendem Übergang folgt der Frühjahrshaarwechsel, eine weitere Phase hohen Energieverbrauchs. Etwa gleichzeitig setzt aber die Frühsommer-Ruhe der Rehböcke mit deutlich verminderter Bewegungsaktivität ein. Die Rehböcke werden „faul“, ihre Beobachtbarkeit sinkt deutlich ab.

Im Gegenzug steigt die durchschnittliche Anzahl der Pirschgänge oder Ansitze bis zum angestrebten Jagderfolg. Dies auch, weil die Vegetation jetzt sowohl im Feld als auch im Wald Höhen erreicht hat, die die Sichtbarkeit der Rehe deutlich schrumpfen lässt. Im Feld je nach den angebauten Früchten, im Wald zumindest dort, wo ausreichend viel Licht den Boden erreicht.

Sommer-Hyperphagie

An diese Ruhephase, zu Zeiten besten Nahrungsangebotes (!), ist im Juni und Juli die sogenannte Sommer-Hyperphagie gekoppelt.

Hinter dem wissenschaftlichen Wortungetüm Hyperphagie verbirgt sich nichts anderes als „Überernährung bzw. Überfressen“ – es ist die Feistzeit der Rehböcke.

Hinzu kommt, dass die Verdaulichkeit beliebter Äsungspflanzen der Rehe im Mai, Juni und Juli ihren Höhepunkt erreicht. Es kommt zum sommerlichen Fettansatz. Die Feistzeit der Rehböcke ist für führende Ricken durch die Kitzaufzucht eine Phase höchsten Energieverbrauchs.

In der anschließenden Brunft von etwa Mitte Juli bis Mitte August – Ausnahmen bestätigen die Regel – werden die angelegten Reserven der Böcke normalerweise vollständig verbraucht. Darüber hinaus bewegt oder treibt sich der Rehbock im wahrsten Sinne des Wortes in ein Energiedefizit – er verliert an Gewicht.

Wobei hier grundsätzlich auch das Gewicht des Magen- bzw. Darminhalts zu berücksichtigen ist. Mit beginnender Spätsommer-Ruhe nach der Blattzeit aber, bis weit in den Herbst hinein werden die Verluste ersetzt und deutlich aufgestockt, als lebensnotwendige Energiereserven für die bevorstehende Winterzeit.

Um an die Energiequellen zu gelangen, muss sich das Rehwild jetzt bewegen. Dies ist der Grund weshalb unsere Chancen bei der Einzeljagd oder im Rahmen gemeinschaftlicher Ansitzjagden auf weibliches Rehwild und Kitze im September und Oktober besonders gut sind.

Schon ab November sinken sie wieder deutlich.

Auf und ab beim Gewicht

Im Frühsommer steigt also die Energieaufnahme mit gleichzeitiger Gewichtszunahme, zur Brunftzeit ist die Energie- bzw. Äsungsaufnahme stark herabgesetzt, der Bedarf aber besonders hoch.

Die Folge ist eine mehr oder minder deutliche Gewichtsabnahme. Während der Feistzeit des Rothirsches also eine Zeit hohen Energieverbrauchs durch die Geweihbildung vorausgeht, erfolgt dieser Verlust bei den Rehböcken hauptsächlich durch ihr artspezifisches Territorialverhalten.

Beiden Arten gemeinsam ist der energiezehrende Frühjahrshaarwechsel, dessen Niederschlag in der Stoffwechselbilanz vielfach unterschätzt wird.

Jahreszeitliche Veränderungen des Verdauungsapparates

Sämtliche geschilderten Vorgänge werden begleitet von Veränderungen des Verdauungsapparates. Der winterlichen Mangelsituation mit herabgesetzter Bewegungs- und Stoffwechselaktivität angepasst, verkleinert sich der Rehpansen zum Winter hin um etwa 20 Prozent wie Prof. Dr. R. R. Hofmann, heute Leiter des Institutes für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, nachwies.

Damit einher geht eine ebenso deutliche Verringerung der Pansenzotten, ihrerseits als Anpassung an die langsamere Vergärung der nun aufgenommenen faserreicheren und nährstoffärmeren Äsung.

Etwa mit Beginn der Vegetationsperiode erfolgt der neuerliche „Umbau“ des Verdauungsapparates in Anpassung an den wiederum gesteigerten Stoffwechsel und die nun wieder faserärmere und nährstoffreichere Äsung.

Die Umstellungsphase währt etwa drei Wochen – ein neuer Jahreslauf in der Bewegungs- und Stoffwechselaktivität des Rehwildes beginnt.

Die frühjährlichen Einstandskämpfe kosten die grade durch den Winter gekommenen Rehböcke viel Kraft

 

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