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Zwischen Schweden und Slowenien

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Ursprünglich war Meister Petz in fast ganz Europa verbreitet. Heute beschränkt sich das Vorkommen des Europäischen Braunbären auf einige wenige Gebiete. Welche das sind und wie es um den Bärenbestand steht, sagt Burkhard Stöcker.

 

Etwa 50 000 Braunbären ziehen in Europa ihre Fährte. In einigen Ländern steht es jedoch schlecht um Meister Petz

von Burghard Stöcker

Der Braunbär war vor 1000 Jahren auf dem gesamten europäischen Festland beheimatet – er fehlte nur auf den großen Inseln wie Irland, Island, Gotland (Schweden), Korsika und Sardinien. Er verschwand großflächig in Folge der sich ständig weiter ausbreitenden menschlichen Siedlungen, der mittelalterlichen Waldrodungen und ihrer Folgenutzungen sowie der intensiven Verfolgung durch den Menschen. Die aktuelle Verbreitung präsentiert sich daher wie ein Flickenteppich, dessen Teile sich entweder auf sehr ausgedehnte Waldgebiete oder auf großräumige Gebirgslagen beschränken.

Bären dringen in nur bedingt geeignete Regionen vor

Der Gesamtbestand in Europa beläuft sich auf etwa 50 000 Exemplare, die sich auf einer Fläche von rund 2,5 Millionen Quadratkilometer verteilen. Es existieren in Europa nur noch zwei große Populationen mit deutlich über 5000 Tieren, drei mittelgroße mit 500 bis 5000 Bären, ein kleineres Vorkommen mit etwas über 100 Exemplaren und sechs Kleinbestände mit weniger als 100 Individuen.

Russland: Die mit Abstand größte Braunbärenpopulation Europas findet sich in Russland von der Grenze Finnlands bis an den Westabfall des Urals. Dort leben etwa 38 000 Bären – fast 80 Prozent aller europäischen Braunbären. Zusammen mit ihren Artgenossen östlich des Urals bilden sie das größte Braunbärenvorkommen der Erde. Teile der finnischen, norwegischen und baltischen Bestände – sofern sie direkte Verbindung an die russische Großpopulation haben – werden hier mitberücksichtigt, machen jedoch insgesamt nur etwa 1200 bis 1600 Bären aus. Diese profitierten bislang von Zuwanderungen aus der großen russischen Population. Nach dem Bau des Zaunes an der finnisch-russischen Grenze kann man hier aber schon fast von zwei getrennten Populationen sprechen. Estland hat eine verhältnismäßig große Bärenpopulation zwischen 400 und 600 Tieren, während es in Lettland nur im Osten des Landes einige Bären gibt.

Karpaten: Hier befindet sich die zweitstärkste europäische Population mit vermutlich knapp über 8000 Bären. Die Karpaten verteilen sich auf die Slowakei, Polen, die Ukraine und Rumänien, dessen Anteil am Karpatenbogen mit Abstand der größte ist. Die Karpatenpopulation ist sehr wahrscheinlich an ihrer Obergrenze angelangt – alle geeigneten Lebensräume sind besiedelt. Aufgrund der hohen Dichten dringen die Bären bereits in Regionen vor, die nur als bedingt geeignet gelten.

Alpen Diese Population erstreckt sich vom östlichen Alpenraum unseres Nachbarlandes Österreich und Nordost-Italiens im Norden ihres Areals über das Dinarische Gebirge im ehemaligen Jugoslawien bis ins griechische Pindos-Gebirge. Die Gesamtpopulation umfasst etwa 2800 Bären. Im gesamten Siedlungsraum existieren keine derart großen zusammenhängenden Waldkomplexe wie in den Karpaten. Die Population ist daher deutlich unterteilt und zersplittert, vermutlich aber überall noch durch geeignete Wanderkorridore miteinander verbunden. Über die Teilpopulationen im heutigen Jugoslawien, in Bosnien, der Herzegowina und Albanien gibt es nur grobe Schätzungen. Inwieweit die Kriege und politischen Unruhen die dortige Bärenpopulation beeinflusst haben, ist unklar.

Skandinavien (Schweden und Norwegen🙂 Nach intensiver Verfolgung – vor allem im vorletzten Jahrhundert – war der skandinavische Bärenbestand auf etwa 130 Tiere abgesunken. Bis heute hat sich die Population wieder auf 800 bis 1300 Tiere stabilisiert, von denen rund 95 Prozent in Schweden leben. Die Verbreitung und Anzahl der schwedischen Braunbären entspricht heute wieder dem Stand des Jahres 1800. Damals waren ebenfalls fast 50 Prozent der Landesfläche von Bären besiedelt.

Die norwegischen Bären finden sich fast ausschließlich entlang der schwedischen Grenze. Es handelt sich überwiegend um aus Schweden einwandernde Jungbären. In Skandinavien ist offenbar die zur Zeit produktivste Braunbärenpopulation der Erde beheimatet – die Zuwachsrate beträgt zehn bis 15 Prozent jährlich.

Rila- und Rhodopengebirge: Dieses Braunbärenvorkommen liegt in Südwestbulgarien und Nordostgriechenland und umfasst insgesamt etwa 520 Tiere in drei Teilpopulationen. Zwei davon liegen in den bulgarischen Rila-, und Pirinbergen, die dritte in den Rhodopen im griechisch-bulgarischen Grenzraum. Nur 15 bis 25 Tiere leben in Griechenland. Mit einem Anwachsen des Bestandes oder einer Arealerweiterung ist nicht zu rechnen, da die Wilderei hier eine offenbar begrenzende Rolle spielt.

Stara-Planina: Diese rund 200 Tiere umfassende Population erstreckt sich von Zlatitsa-Teteven im Osten bis in die Tyravna Berge im Westen Zentralbulgariens. Das Vorkommen ist weitgehend isoliert. Auch hier ist aufgrund der weit verbreiteten Wilderei nicht mit einer Ausbreitung oder einem zahlenmäßigen Anstieg zu rechnen.

Interessen-Konflikte zwischen Mensch und Bär

Fünf weitere, zum Teil extrem kleine Bärenbestände existieren im Süden und Westen Europas. Es sind die kümmerlichen Relikte der auch hier einst flächendeckenden Verbreitetung. Die drei kleinsten Vorkommen sind akut vom Aussterben bedroht. Wenn nicht schnellstmöglich gehandelt wird, kann innerhalb weniger Jahre ein völliger Zusammenbruch erfolgen.

Kantabrisches Gebirge: In Spanien existieren zwei voneinander räumlich isolierte kleine Populationen, die aufgrund einer massiven Barriere (Autobahn und Schnellbahntrasse) kaum noch Verbindung zueinander haben. Der westliche Bestand umfasst 50 bis 60 Bären. Die Population ist kontinuierlich rückläufig, da sich immer wieder Bären in Schwarzwildschlingen fangen oder vergiftete Wolfsköder aufnehmen. Im östlichen Kantabrischen Gebirge leben nur noch etwa 20 Tiere. Ähnlich wie im westlichen Teil ist die durch Menschen bedingte Todesrate sehr hoch und die Rest-Population stark gefährdet.

Abruzzen: Im Abruzzen-Nationalpark Italiens und in den umliegenden Gebieten existiert ein Bärenvorkommen von etwa 40 bis 50 Stück. Die fast völlig eingedämmte Wilderei und die Schaffung geeigneter Lebensräume im Umfeld des Nationalparks sind günstige Voraussetzungen für einen Fortbestand dieses Vorkommens. Die Bären leben hier jedoch in einem relativ dichtbesiedelten Landstrich, und die Interessen-Konflikte zwischen Bär und Mensch sind vielfältig.

Pyrenäen: In den Pyrenäen zu beiden Seiten der spanisch-französischen Grenze leben vermutlich nur noch sechs Bären auf rund 1000 Quadratkilometern. Die letzten Jungbären wurden in den Jahren 1995 und 1998 registriert. Ohne eine Stützung der Population von außen ist dieser kleine Bestand kaum zu halten. In den Zentralpyrenäen wurden in den Jahren 1996 und ‘97 drei Bären ausgesetzt. Der Bestand hat sich aktuell auf mindestens fünf Bären vergrößert.

Süd-Alpen: Nur noch vier Bären leben in den Südalpen im italienischen Trentino. In den vergangenen zehn Jahren kam es in dieser Population nicht mehr zur Fortpflanzung. Seit 1999 wurden mehrere slowenische Bären ausgesetzt, und es bleibt zu hoffen, dass dieser Rettungsversuch nicht zu spät kam.

(Die Flächen- und Zahlenangaben stammen aus dem „Aktions-Plan für den Schutz des Braunbären in Europa“ des norwegischen Wissenschaftlers Jon E. Svenson.)

Viele Nachkommen: Skandinavische Braunbären haben eine Zuwachsrate von zehn bis 15 Prozent. Die Bären im italienischen Trentino hingegen pflanzten sich nicht mehr fort – Bären aus Slowenien wurden deswegen dort ausgewildert

 

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