Ringeltauben gelten nicht nur bei vielen Jägern, vielleicht durch ihre Häufigkeit, als “langweilig” – zu Unrecht! Denn wie ihre Bejagung birgt auch ihr Brut- und Aufzuchtverhalten allerhand Finessen und Besonderheiten.
Hässliche Entlein: Im Gegensatz zu den Altvögeln zählen junge Ringeltauben nicht grade zu den Schönheiten der heimischen Volgelwelt |
von Andreas David
Wildtauben gehören mit dem Fuchs und dem Rehwild zu jenen Wildarten, auf die wohl fast jeder “normale” Jungjäger seine ersten praktischen Jagderfahrungen sammelt. Genau die drei sind es auch, deren Jahresstrecken in Deutschland weit über der 600 000er-Grenze liegen. Und sie sind es, die mit größter Wahrscheinlichkeit – abgesehen von Hochgebirgsregionen – in fast jedem deutschen Revier vorkommen.
Wildtauben
Hinter dem Sammelbegriff “Wildtauben” verbergen sich vier heimische Taubenarten: Die Ringel- und die Türkentaube sowie die Hohl- und Turteltaube. Alle gehören zwar gemäß Paragraph 2 des Bundesjagdgesetzes zum Wild, doch haben nur die beiden ersten Arten eine Jagdzeit.
In höchstem Maße anpassungsfähig
Fast allgegenwärtig und “die Wildtaube schlechthin” ist die Ringeltaube. Einst als scheuer Waldbewohner beschrieben, begegnet sie uns längst auch als Brutvogel in großer Zahl in ländlichen Siedlungen und Großstädten und gilt heute als extrem anpassungsfähiger, ja fast penetranter Kulturfolger – eine weitere Gemeinsamkeit mit Reh und Rotfuchs.
Der alte Jägerspruch, dass “man eine Ringeltaube nie auf einem Haus, eine Haustaube aber nie auf einem Baum antrifft” hat folglich schon seit Jahrzehnten seine Gültigkeit verloren.
Der bevorzugte Lebensraum der tagaktiven Tauben ist heute die mit Waldungen und Feldgehölzen durchsetzte Agrarlandschaft, besonders in Nord- und Westdeutschland, wo auch die mit Abstand höchsten Taubenstrecken erzielt werden.
Ebenso interessant wie die Jagd auf die “Geringelten” ist ihre Brutbiologie und die Aufzucht der Jungtauben.
Tauben leben in Einehe, zumindest in Jahresehen. Ihr grob zusammengeschustertes Nest besteht meist aus mehr oder minder dünnen Zweigen und wird bevorzugt in Nadelbäumen erstellt. Ringeltaubennester findet man zumeist in Höhen zwischen acht und zwölf Metern.
Das Weibchen bleibt bei der Erstellung mehr am Nest und baut, während dem Tauber die Rolle des zutragenden “Lastenseglers” zufällt.
Wie anpassungsfähig Ringeltauben auch hinsichtlich ihres Nistverhaltens sind, zeigen Nester in Getreidefeldern oder niedrigen Sträuchern. Obwohl zumindest Teilzieher, sind Ringeltauben bezüglich ihres Fortpflanzungs- und Revierverhaltens sehr standorttreu. Etliche Beobachtungen zeigen, dass mitunter über Jahre dasselbe Nest genutzt wird.
Beide Partner bebrüten die taubentypisch zwei weißen Eier durchschnittlich 16 bis 17 Tage lang. Die Nachtschicht übernimmt dabei meist die Taube, der Tauber sitzt bei Tage. Dies erklärt, warum man den Tauber zur Brutphase vom Vormittag bis in die frühen Abendstunden nur ausnahmsweise hört oder sieht. Gelege mit mehr als zwei Eiern stammen sehr wahrscheinlich fast immer von mehreren Weibchen.
Tauben nutzen zum Trinken ihren Schnabel wie einen Strohhalm, unter Vögeln nicht eben ein alltägliches Trinkverhalten. Bei der Fütterung der bis zum etwa fünften Tag blinden Jungtauben (geschlossene Augen) wird’s dann aber ganz “absonderlich”: Dass beide Altvögel füttern, ist nicht ungewöhnlich.
Kropfmilch
Doch werden die Jungen die ersten etwa acht bis zehn Tage ausschließlich mit Kropfmilch gefüttert – eine nur bei Tauben vorkommende und weltweit einmalige Entwicklung in der Vogelwelt.
Der quarkig-käsige Brei entsteht unter dem Einfluss von Prolaktin – jenem Hormon, das bei weiblichen Säugetieren die Milchbildung stimuliert.
Während der Brut verdickt sich die Schleimhaut des Taubenkropfes, und die jeweils äußerste Schicht (Epithel) wird in die seitlichen Hohlräume der beiden Kropftaschen abgestoßen. Die Kropfmilch enthält (neben Fett und Wasser) vor allem Eiweiß, Lecithin und verschiedene Vitamine.
Die Alttauben würgen diesen Kropfinhalt direkt in den Schnabel der Jungen, die ihren eigenen Schnabel bei der Fütterung weit in den Rachen der Altvögel schieben. Dies ist der Grund, weshalb die Federn an Stirn und Kinn der Jungtauben zuletzt auswachsen.
Nach der “Kropfmilchphase” ernähren die Alttauben ihren Nachwuchs mit Sämereien, vor allem gequollenen Körnern, Früchten und anderer pflanzlicher Kost (Blatteile).
Nach etwa 24 bis 25 Tagen sind die Taubennestlinge flugfähig, werden aber als Ästlinge meist noch einige Tage von den Altvögeln weitergefüttert. Mit etwa 33 bis 35 Tagen sind die Jungtauben dann völlig selbständig.Die Geschlechtsreife erreichen sie nach etwa einem Lebensjahr.
Die Balz- und Brutphase der Ringeltaube in Mitteleuropa beginnt im zeitigen Frühjahr (März/April). Der Tauber besetzt das Brutrevier und markiert es akustisch und optisch mit Balzrufen und den auf und abführenden und von Flügelklatschen begleiteten Balzflügen. Noch im September kann es zu Spätbruten kommen.
Am häufigsten und erfolgreichsten scheinen Bruten im Juli zu sein. Bei der Ringeltaube und anderen Taubenarten kann es unter besonders guten Bedingungen zu Schachtelbruten kommen: Etwa neun bis zehn Tage vor dem Flüggewerden der einen Brut wird bereits ein neues Gelege bebrütet.
Die Dauer und mögliche Ausdehnung der Brut- und Aufzuchtzeit hat in jüngerer Vergangenheit zu vielen Diskussionen bezüglich der Jagdzeiten auf Ringeltauben geführt. Die alte Regelung im Bundesjagdgesetz aus dem Jahre 1977 (1. Juli bis 30. April) wird dem heutigen Wissensstand und einer tierschutzkonformen Jagdausübung in keinster Weise gerecht, weshalb abweichende Regelungen wie z. B. in Niedersachsen (1. September bis 31. März) überfällig sind oder waren.
Bei allem Verständnis für die von Taubenschäden betroffenen Landwirte und/ oder Jäger ist zu bedenken, dass z. B. auch Rotwild in der Schonzeit Wildschäden verursachen kann, ohne dass jemand vehement eine Verlängerung der Jagdzeit fordert.