Verspätet und vermischt
Mark G. v. Pückler,
Vors. Richter am Verwaltungsgericht a. D.
I. Die Rechtsgrundlage
„Der Anspruch auf Ersatz von Wildschaden erlischt, wenn der Berechtigte den Schadensfall nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Beobachtung gehöriger Sorgfalt erhalten hätte, bei der für das beschädigte Grundstück zuständigen Behörde anmeldet.“ § 34 S. 1 BJagdG
II. Der Sachverhalt
Am 20. Oktober und 21. Januar meldete ein Landwirt Wildschäden an denselben Flächen an. Hierzu gab er an, am 13.10. und 16.1. von den Schäden Kenntnis erlangt zu haben. Die Flächen seien alle drei bis vier Wochen von ihm oder seinen Helfern kontrolliert worden. Letztere benannte er als Zeugen.
III. Das Urteil
Vor Gericht hatte der Landwirt keinen Erfolg. Das Amtsgericht wies seine Klage ab,
weil die fristgerechte Anmeldung der Schäden nicht erwiesen sei. Die ein dem Tag, an dem der Geschädigte von dem Schaden tatsächlich Kenntnis erhalten hat, sondern auch an dem Tag, an dem er bei Beachtung gehöriger Sorgfalt Kenntnis hätte erlangen können. Deshalb
muss der Geschädigte „darlegen und erforderlichenfalls auch beweisen, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen hat, um etwaige Wildschäden zu entdecken, und wann er diese Schäden tatsächlich festgestellt hat“, so das Gericht. Nach diesen Grundsätzen sei unklar
geblieben, wann die Wochenfrist begonnen hat. Nach den Angaben des Geschädigten
habe er von den Schäden am 13.10. und 16.1. Kenntnis erlangt, vorher hätten seine Helfer keine Schäden festgestellt. Diese Angaben seien jedoch in der Beweisaufnahme vor Gericht nicht bestätigt worden. Die als Zeugen angehörten Helfer hätten hierzu unterschiedliche und sich widersprechende Angaben gemacht, sodass nicht erwiesen sei, dass die Schäden
rechtzeitig angemeldet worden seien. Dies geht zu Lasten des Geschädigten. Ferner sei nicht erwiesen, dass unter den nachgemeldeten Schäden nicht auch solche seien, die schon zwischen Oktober und Januar entstanden sind und deren Anmeldefrist bereits abgelaufen gewesen ist (Vermischung von Alt- und Neuschäden). Amtsgericht Schleiden, Urteil vom
16.10.2012 – 9 C 62/11 – IV. Anmerkungen
1. Beweispflicht
Wer einen Anspruch geltend macht, muss grundsätzlich einen Sachverhalt vortragen
und im Streitfalle auch beweisen, aus dem sich die Voraussetzungen dafür ergeben.
So ist es auch bei Wildschäden. Es ist daher allein Sache des Geschädigten, die einzelnen Voraussetzungen seines Anspruchs darzulegen und zu beweisen. Der Ersatzpflichtige sollte sich hier heraushalten, er kann Fehler bei der Schadensfeststellung später vor Gericht rügen.
2. Die Anmeldefrist
Wird die einwöchige Anmeldefrist versäumt, gibt es keinen Wildschadensersatz. Diese Frist beginnt ab dem Tage, an dem der Geschädigte von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erhalten hätte. Hieraus folgt, dass immer zwei Anfangstermine zu beachten sind, erstens der Tag des Kenntniserhalts und zweitens der Tag, an dem er von dem Schaden bei Beachtung gehöriger Sorgfalt Kenntnis erhalten hätte. Hierzu sind regelmäßig konkrete und die letzte Kontrolle unerlässlich.
Werden hierzu keine Angaben gemacht oder werden sie im Streitfalle nicht bewiesen,
entfällt der Anspruch. Denn es bleibt ungeklärt, ob der Geschädigte bei sorgfältigem
Verhalten den Schaden nicht früher hätte entdecken können und ihn damit auch eher hätte anmelden müssen. Das geht aus dem obigen Urteil sehr deutlich hervor, es ist sein wichtigster Teil (siehe auch Amtsgericht Siegburg, Urteil v. 18.2.2011 – 117 C 413/10 –, WuH 15/2011, S. 96). Die Wochenfrist läuft stets von einem Wochentag zum gleichen der folgenden Woche, also zum Beispiel von Dienstag zum Dienstag der nächsten Woche.
Fällt das Ende auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag, so endet sie erst am
nächsten Werktag, beispielsweise am Montag. Das Ende ist immer um 24.00 Uhr.
„Bei Beachtung gehöriger Sorgfalt“ Kenntnis erlangt hätte der Geschädigte an dem Tag, an dem er bei objektiv vernünftigem und sorgfältigem Verhalten den Schaden entdeckt hätte. Zwar gibt es gesetzlich keine feste Frist, innerhalb der Kontrollen durchzuführen sind. Vielmehr richtet sich die zeitliche Dichte der Kontrollen nach der jeweiligen Schadensanfälligkeit des Grundstücks. Je mehr mit einem Schaden zu rechnen ist, desto kürzersind die Abstände der Kontrollen. Als Grundregel haben die Gerichte eine Mindestgrenze festgelegt und erklärt, dass jedenfalls Schäden, die bei Kenntniserhalt
bereits älter als ein Monat sind (manche Gerichte nennen auch nur vier Wochen), regelmäßig nicht mehr zu ersetzen sind. Das bedeutet, dass der Geschädigte mindestens monatlich kontrollieren muss (zum Beispiel Amtsgericht Plön, Urteil vom 27.1.1983 – 2 C 416/81 und Landgericht Kiel, Urteil vom 19.8.1983 – 7 S 48/83 –; Landgericht Hechingen,
Urteil vom 11.2.1990 – 3 S 105/89 –; Bundesgerichtshof, Urt. v. 15.4.2010 – III
ZR 216/09 –, WuH 14/2010, S. 96; Mitzschke/ Schäfer, § 34 RandNr. 7; Schuck, Bundesjagdgesetz, § 34 RandNr. 5). Diese monatliche Kontrollpflicht erstreckt
sich vom Tag der ersten Kontrolle zum gleichen Tag des Folgemonats, also beispielsweise vom 10. Juni bis zum 10. Juli. Fehlt der entsprechende Tag im Folgemonat, endet die Frist mit dessen letzten Tag, zum Beispiel 31. August bis 30. September. Einmal im Monat genügt nicht, beispielsweise 10. Juli und 20. August. Die Kontrollfrist verkürzt sich auf zwei Wochen oder gar auf nur eine, wenn das Grundstück erhöht gefährdet ist, zum Beispiel
auf Grund seiner Lage oder seiner Frucht, oder wenn in der Vergangenheit wiederholt Schäden auf dieser Fläche entstanden sind. Fortlaufende Schäden sind wöchentlich anzumelden, nachträglich hinzugetretene Schäden neu anzumelden (Bundesgerichtshof, Urt. v. 5.5.2011 – III ZR 91/10 –, WuH 17/2011, S. 126). Hat der Geschädigte die hiernach notwendigen Kontrollen nicht fristgerecht durchgeführt oder nicht nachgewiesen,
erhält er keinen Ersatz. Deshalb genügt es nicht, wenn ein Landwirt erst kurz vor der
Ernte seine Flächen kontrolliert und die bis dahin aufgelaufenen Schäden innerhalb
einer Woche anmeldet. In diesem Falle erhält er nur die (letzten) Schäden ersetzt, die er bei Durchführung ordnungsgemäßer Kontrollen erhalten hätte. Alle früheren Schäden sind nicht zu ersetzen. Sind die früheren Schäden nicht zuverlässig von den zu ersetzenden Schäden zu trennen, gibt es ebenfalls keinen Ersatz (Vermischung, siehe unten).
3. Vermischung
Sind zu ersetzende Schäden mit nicht zu ersetzenden vermischt, müssen erstere mengenmäßig klar und nachvollziehbar von den anderen abgegrenzt werden. Ist
das infolge der Vermengung und eine Schätzung mangels sicherer Anhaltspunkte
nicht möglich, fehlt es an der genauen Schadenshöhe, sodass kein Ersatz zu leisten ist (Bundesgerichtshof, Urt. v. 5.5.2011 –, WuH 17/2011, S. 126; Landgericht Hagen, Urteil v. 17.2.1998 1 S 291/97, WuH 18/1999, S. 64; Amtsgericht Duisburg, Urt. v. 2.6.2009 – 2 C 756/08 -–). Das gilt für alle Vermischungen. Ist beispielsweise nur ein Teil des Schadens von Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen verursacht worden, der übrige Teil von sonstigem Wild (zum Beispiel Feldhase, Dachs, Wildtauben), von anderen Tieren (Haustieren, Krähen, Mäusen) oder von Krankheiten oder Unwettern, so muss der ersatzpflichtige Teil exakt festgestellt werden, damit die Höhe der Ersatzpflicht festgestellt ist. Gleiches gilt, wenn ersatzpflichtige Neuschäden mit verspätet angemeldeten Altschäden vermengt sind oder umgekehrt (siehe oben).
V. Ergebnis
1. Die Einhaltung der einwöchigen Anmeldefrist ist in der Regel – je nach Zeitpunktfolge
– nur nachweisbar, wenn feststehen:
(1.) der Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Schaden,
(2.) der Zeitpunkt des Eingangs der Schadensmeldung
bei der Gemeinde,
(3.) der Zeitpunkt des Schadenseintritts und
(4.) der Zeitpunkt der letzten Kontrolle des Grundstücks. Dafür hat allein der Geschädigte
zu sorgen, er muss die Daten vortragen und bei Bestreiten beweisen.
2. Ohne den Zeitpunkt des Schadenseintritts und der letzten Kontrolle lässt sich die Einhaltung der Frist zumeist nicht nachweisen, also kein Ersatz. Denn der Fristbeginn ab Kenntniserhalt schließt nicht aus, dass der Geschädigte bei ordnungsgemäßen Kontrollen bereits früher Kenntnis erlangt hätte.
3. Werden ersatzpflichtige und nicht ersatzpflichtige Schäden festgestellt, müssen die ersatzpflichtigen von den übrigen sicher abgegrenzt und geschätzt werden. Ist das im Termin unterblieben und nachträglich mangels greifbarer Anhaltspunkte nicht möglich, entfällt der Ersatzanspruch.
Einsender des Urteils:
RA Müller-Schallenberg, Präsident des LJV
NRW, 51379 Leverkusen