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Wo Träume wahr werden

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Gravurwerkstatt

Merkel Gravurwerkstatt
Der eine träumt vom gemaserten Wurzelholzschaft, ein anderer vielleicht von  Seitenschlossen – die Krone aufgesetzt bekommt eine Waffe, egal ob Büchse oder Flinte jedoch erst mit der Gravur. Doch wie entstehen die Kunstwerke aus Stahl eigentlich? Dorothee Holland-Merten von der Suhler Jagd- und Sportwaffen GmbH ließ sich beim Gravieren einer Side-by-Side über die Schulter schauen. Christian Schätze

Kein Zischen, kein Dröhnen ist mehr zu hören, und selbst das mächtige Hämmern aus der
Laufschmiede rückt in der Werkstatt der Merkel-Graveure in weite Ferne. Ein Ort der Ruhe. Nur aus einem Radio ertönt leise Musik. Die Werkstatt ist ein großer  lichtdurchfluteter Raum. Rund ein Dutzend Graveure veredeln hier mit Stichel, Punzen, Beitel und Hammer die Baskülen, Systeme und Seitenschlosse der begehrten Suhler Jagdwaffen. Eine davon ist Dorothee Holland-Merten, die schon seit über 20 Jahren für die traditionsreiche Firma arbeitet. Wie die meisten ihrer Kollegen erlernte sie das Handwerk
in Suhl. Damals hieß die Firma allerdings noch

„Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Ernst-Thälmann“, besaß aber seinerzeit schon einen ausgezeichneten Ruf – sowohl national als auch international. Die Suhler waren im Arbeiter- und Bauernstaat mit ihren Kipplaufbüchsen die Devisen-Bringer schlechthin.
„Einfach war es damals nicht, einen der begehrten Jobs zu ergattern“, erinnert sich die zierliche Thüringerin, „schließlich kamen auf die vier Ausbildungsstellen gut 40 bis 60 Bewerber!“ Ihr Vater – selbst Büchsenmacher von Beruf – riet ihr dennoch, sich zu bewerben. Sie tat es und wurde zum Eignungstest eingeladen. Hier stellte sie ihr Talent beim Zeichnen von Tierstücken unter Beweis. Alles lief wie gewünscht, und schon bald begann die harte zweieinhalbjährige Ausbildung zur Graveurin. Am Anfang sei viel gezeichnet worden, erzählt sie zurückblickend. „In Windeseile mussten dann Tierstücke in unterschiedlichen Größen zu Papier gebracht werden. Lange mussten wir nur mit Sticheln und Hammer „bewaffnet“ einfache Metallplatten bearbeiten, zogen Linien, stachen Muster und Bögen aus. Erst viel später bekam man auch einmal ein Waffenteil auf den Tisch“, erklärt die hübsche Graveurin. „Schwierig war es damals, die entsprechenden Werkzeuge
wie Fadenstichel oder Punzen zu besorgen“, sagt Dorothee Holland-Merten, schüttelt mit dem Kopf und winkt ab. „Manche Werkzeuge haben wir uns damals selbst gebaut – aus Sägeblättern von Eisensägen beispielsweise.“

Die attraktive Suhlerin nimmt eine der langen Seitenplatten in die Hand, die einmal eine „Side-by-Side“-Flinte im Kaliber 20/76 zieren wird, und streicht noch einmal sanft über das blanke Metall. Ein paar flinke Handgriffe und schon klemmt die Platte sicher zwischen den Backen des Schraubstockes. Mit einem Wachsstummel reibt die 40-Jährige über die glänzende Seitenplatte. Ein dünner, matter Film überzieht nun die Fläche – das Spiegeln
ist verschwunden. Dorothee Holland-Merten greift in eine der Schubladen ihrer Werkbank und holt einen dicken, schweren Ordner hervor. Kurzes Blättern. „Da ist sie ja“, sagt die Graveurin mit einem Lächeln auf den Lippen. Dann nimmt sie eine Plastikfolie heraus, auf der vorerst nur ein paar „Kratzer“ zu erkennen sind. Erst als sie die so genannte Pause so hält, dass die Sonne, die durch die großen Atelier-Fenster scheint, darauf fällt, werden
hauchdünne darin eingeritzte Tierstücke sichtbar. In diesem Fall sind es aufsteigende, abstreichende und im Schrothagel fallende Fasanenhähne, die von der Graveurin mit einer Reißnadel eingeritzt wurden – genau das Richtige für die zierliche Merkel-Doppelflinte 50 E, für die die langen Seitenplatten bestimmt sind.

Dorothee Holland-Merten legt die Folie vorsichtig auf den Tisch, nimmt ein kleines Döschen in die Hand und verteilt mit dem Finger ein rötliches Pulver auf einem der Fasane. Die Linien nehmen die Farbpigmente auf – das Negativ ist fertig. Vorsichtig legt die Thüringerin die Pause auf die Seitenplatte, kontrolliert noch einmal, dass alles am rechten Fleck liegt und reibt mit der flachen Seite der Reißnadel unter sanftem Druck über die Folie.
„Natürlich könnte ich den Fasan jedes Mal auch freihand aufs Metall zeichnen, doch das dauert zu lange und würde die Kosten der Waffen in die Höhe treiben“, weiß die schlanke Graveurin. Bei exklusiven Kundenwünschen wird jedoch immer noch so verfahren, da es für viele Sonderwünsche keine Vorlagen gibt. „Dann zeichnet man beispielsweise für einen begeisterten Flintenjäger ein paar abstreichende Rothühner oder Grouse und gestaltet die
entsprechende Landschaft darum“, erzählt sie mit leuchtenden Augen. „Da kann man sich als Graveur richtig ausleben“, fügt sie hinzu. Vor allem die Flinten- und Großwildjäger hätten ganz genaue Vorstellungen von dem, was sie auf ihrer Waffe – eine Merkel 303 E mit Seitenschlossen beispielsweise oder Safari-Doppelbüchse – haben wollen. Das  Hauptgeschäft wird allerdings nach wie vor mit Standard-Gravurarbeiten gemacht, wobei der Begriff Standard die Sache nicht wirklich trifft. Denn auch viele der Arbeiten im unteren
Preissegment werden von Hand gestochen und nicht gelasert oder gewalzt. In letzter Zeit geben immer mehr Kunden Luxus-Gravuren in Auftrag – Arbeiten, die diese Bezeichnung wirklich verdienen, weil selbst verwöhnte Auftraggeber glänzende Augen bekommen,
wenn sie das Ergebnis in den Händen halten. Doch Vorsicht! Wer bereits von der Fülle möglicher Motive in den Verkaufskatalogen „erschlagen“ wird, der sollte um die  Gravurmappe von Dorothee Holland-Merten und Kollegen besser einen großen Bogen machen. Fein säuberlich haben die Spezialisten über Jahrzehnte Fotos und Zeichnungen von Gravuren gesammelt, die hier angefertigt wurden. Wer zwar weiß, dass er eine Merkel
möchte, jedoch noch unschlüssig ist, wie deren Seitenplatten aussehen sollen – findet hier höchstwahrscheinlich eine Antwort darauf. „Es gibt tausende Möglichkeiten!“, fasst es Dorothee Holland-Merten zusammen und strahlt sichtlich stolz.

Dann wendet sie sich wieder ihrer Arbeit zu. So vorsichtig, wie sie die Vorlage draufgelegt hat, nimmt sie sie wieder herunter. Auf der hauchdünnen, matten Wachsschicht zeichnen sich die Umrisse des Fasans ab. Die zierliche Frau blickt prüfend auf das Positiv und nickt zufrieden. Mit einer Reißnadel zieht sie die aufgedruckten Linien nach, um sofort mit dem Ausstechen des Fasans zu beginnen. Mit Fadenstichel und unter flinken Hammerschlägen
arbeitet die Künstlerin konzentriert den Fasan aus dem harten Einsatzstahl heraus. Mit jedem Span, der dabei ausgestochen wird, nimmt das Bild mehr Gestalt an. Erst jetzt wird mit der Poliernadel – einem spitzen, dünnen Stahlstift – die Landschaft ins Einsatzblech geritzt. In den folgenden Stunden kommen wieder die verschiedensten Spitzstichel, Fadenstichel, Handstichel und Punzen zum Einsatz. Als Laie verliert man schnell den Überblick über die verschiedenen Werkzeuge, sehen sie doch alle irgendwie gleich aus. Die Graveurin hat jedoch alles fest im Griff und arbeitet wieselflink am Jagdmotiv weiter. Erst bei genauestem Hinsehen erkennt man die kleinen Unterschiede. „Den Spitzstichel benutzt man in Verbindung mit dem Hammer für Linienstrukturen, die man auf Grund der Härte der Seitenplatten oder der Basküle nicht mit dem so genannten Handstichel bearbeiten kann. Mit dem „Handstichel“ kann man dafür feinste Arbeiten ausführen“, erklärt die freundliche Graveurin. „Mit den Fadensticheln hebt man Hintergründe aus und geht in die Tiefe des Materials.“ Doch weil dadurch dünne Linien entstehen, benötigt man schließlich noch verschiedene Punzen – gehärtete Stahlstifte mit unterschiedlichen Stirnflächen. Mit denen
werden Strukturen geglättet, aufgerauht oder mit einem Muster versehen – das hängt ganz vom Schliff der Punzen ab. Insgesamt liegen etwa 20 verschiedene Werkzeuge auf der Werkbank, die regelmäßig angeschliffen werden müssen. „Das richtige Anschleifen der Stichel sind das A und O“, weiß die erfahrene Künstlerin und fährt mit dem benutzten Stichel über den neben dem Schraubstock liegenden feinkörnigen, rosafarbenen  Schleifstein.

Die Bezeichnung „Künstler“ hört Dorothee Holland-Merten allerdings nicht so gern – eher schon Kunsthandwerker. „Künstler sind oft Exzentriker. Und die können wir uns hier nicht leisten. Bei uns kommt es vor allem auf Fleiß, Disziplin und eine fehlerfreie Arbeit an“, sagt sie, lockert die Backen des Schraubstockes und entnimmt die erste Seitenplatte. Auch die zweite muss heute noch fertig werden, denn die Auftragsbücher bei Merkel sind randvoll.
Mit dem Angebot exklusiver Jagdwaffen hat man Begehrlichkeiten geweckt, die nun befriedigt werden wollen.

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