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Nicht mit Reizen geizen

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So verlockend die Reizjagd für Reineke sein mag, so verwirrend sind die vielen Tipps von Experten und aus der Fachliteratur für manch unerfahrenen Waidmann. Was Sie wirklich beachten sollten, erklärt WILD UND HUND-Experte Klaus Demmel.

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Foto: Regina Usher


Ist es nun sinnvoll vom Hochsitz aus zu reizen oder nicht? Schließlich pfeifen Hasen und Kaninchen nicht von den Bäumen? Darf ich die Hasenklage pro Stand wirklich nur einmal einsetzen, da der Hase bekanntlich nur einmal stirbt? Lockt die Kaninchenklage, auch wenn es dort überhaupt keine grauen Flitzer gibt? Kann ich die Vogelklage auch im Winter erfolgreich einsetzen, denn zu dieser Jahreszeit hört man doch kaum Vögel singen? Darf ich die Locker während eines Ansitzes wechseln?
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Auch vom Hochsitz aus kann Reineke herbeigelockt werden. Foto: Klaus Demmel
Doch nicht nur der Einsatz der Instrumente wirft Fragen auf, sondern auch die verschiedenen Locker an sich. Viele Jäger wollen wissen, welcher denn nun die besten Erfolge bringt. Auf diese Frage gibt es jedoch keine eindeutige Antwort. Füchse reagieren auf die Reizlaute zum Teil sehr unterschiedlich. Einige zeigen keine Reaktion, andere stehen sehr langsam zu, was besonders beim Mauspfeifchen zu beobachten ist. Teilweise fallen sie aber auch mit der Tür ins Haus und kommen förmlich angesprintet. Manche nehmen jedoch panisch Reißaus, sobald die erste Serie erklingt. Wahrscheinlich sind sie schon mal auf das Locken zugestanden und dann vom Jäger gefehlt worden – sie verknüpfen die Laute mit einer Gefahr.
Jäger, die auf der Suche nach der ultimativen Wunderpfeife sind, werden erfolglos suchen. Denn die gibt es nicht und wird es sicher auch nie geben. Der Locker alleine kann es nicht richten. Ein altes Sprichwort besagt: Ein Instrument ist nur so gut wie der Musikant, der darauf spielt. Erfolg wird daher derjenige haben, der es versteht, sich in die Stimmungslagen des Fuchses beziehungsweise seiner Beutetiere hineinzuversetzen. Er muss seine Locker möglichst natürlich am richtigen Platz zur richtigen Zeit einsetzen.
Die Hasenklage nimmt bei den Lockern eine Sonderstellung ein. Immer wieder höre ich von Jägern, dass sie damit keine großen Erfolge haben und die Füchse, anstatt zuzustehen, die Flucht ergreifen. In den meisten Fällen liegt das aber nicht an der Hasenklage, sondern am Musikanten. Mit einer Reichweite von bis zu 1 000 Metern (bei Windstille, offenem, ebenem Gelände) erreicht der Jäger auch weit entfernte Füchse. Die Hasenklage dient letztlich dazu, den Fuchs erst einmal in den Sichtbereich des Jägers zu lotsen. Ist Reineke in Anblick, bringt es nichts, ihn auf kurze Distanz erneut anzuquäken. In den meisten Fällen würde der Räuber flüchten.

 


Ein ausgewachsener, gesunder Hase ist ohnehin keine leichte Beute. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass der Fuchs die Hasenklage mit größeren Beutegreifern, wie Luchs und Wolf, in Verbindung bringt und eher als Beuteschmarotzer fungiert. Er steht daher nur sehr vorsichtig zu, um von den stärkeren Konkurrenten nicht überrascht zu werden. Diese Vermutung wird auch durch das Verhalten des Rehwildes bestärkt. Im Gegensatz zu anderen Lockern, von denen Rehe in der Regel keine Notiz nehmen, springen die Stücke bei der Hasenklage häufig ab. Ich rate, sie nur an Stellen mit ausreichend Sicht einzusetzen.
Das wäre in erster Linie die Feld-Waldkante am frühen Morgen, wenn die Füchse noch im Feld unterwegs sind, sowie Felder beim winterlichen Nachtansitz.

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Die Rottumtaler Hasenklage hat eine Reichweite von 1.000 Metern. Foto: Klaus Demmel
Der Hase stirbt nur einmal! Jeder hat diesen Spruch schon einmal gehört oder irgendwo gelesen. Auf den ersten Blick erscheint es logisch, dass die Hasenklage deshalb auch nur einmal pro Stand beziehungsweise nur einmal in der Nacht eingesetzt werden darf. Meine Erfahrungen zeigen jedoch, dass der Hase mehrere Tode sterben darf und soll. Bei der eigentlichen Reizjagd am Tage oder in der Früh an der Waldkante setze ich die Hasenklage aber tatsächlich nur einmal ein. Nicht weil der Hase nur einmal stirbt, sondern weil ich lediglich etwa 40 Minuten an einer Stelle bleibe und in dieser Zeit auch noch andere Locker zum Einsatz kommen.
Ganz anders sieht es beim Nachtansitz aus. Füchse legen im Dunkeln weite Strecken zurück. So besteht immer die Möglichkeit, dass ein Räuber in den Hörbereich der Hasenklage kommt. Man sollte es zwar nicht übertreiben, trotzdem aber alle 40 Minuten zwei bis drei Serien vom sterbenden Hasen spielen. So wird mancher Rotrock erbeutet, der ohne die Klagelaute erst gar nicht in Anblick gekommen wäre.

 


Einen Wirkungsbereich von gut 500 Metern hat die Kaninchenklage. Sie kann im Unterschied zur Hasenklage auch auf kurze Distanz eingesetzt werden, ohne dass der Fuchs eingeschüchtert wird. Dieser Locker ist ideal zur Waldjagd, bei der die Sicht meist begrenzt ist. Anscheinend kann der Fuchs anhand des Klagelautes die Größe der vermeintlichen Beute und des Räubers, der sie gefangen hat, sehr wohl einschätzen: Je kleiner die vermeintliche Beute, desto mutiger steht Reineke zu. Doch ist der Einsatz der Kaninchenklage in einem Revier sinnvoll, in dem es überhaupt keine grauen Flitzer gibt? Die Antwort lautet eindeutig: ja! Mit der Kaninchenklage kann in allen Revieren erfolgreich gelockt werden. Auch dort, wo es noch nie Kaninchen gab. Selbst in Bergrevieren fällt Reineke auf die Todesschreie herein.

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Die Rottumtaler Vogelklage hat eine Reichweite von etwa 400 Metern. Foto: Klaus Demmel
Der Einsatzbereich der Vogelklage (Vogel angstgeschrei) ähnelt dem der Kaninchenklage, wobei die Reichweite etwas geringer ist. Sie liegt bei etwa 400 Metern. Sowohl im Wald als auch im Feld rate ich, auf genügend Sicht zu achten. Mindestens 50 Meter sollten es sein, denn gerade auf die Vogelklage stehen Füchse häufig schneller und näher zu als uns lieb ist. Bereits vor 100 Jahren wussten Jäger die Vogelklage erfolgreich zu nutzen. Dennoch wird dieser Klageruf heute noch missverstanden.
Immer wieder bekomme ich die gleichen Fragen gestellt: Kann ich die Vogelklage auch im Winter einsetzen? Funktioniert sie auch nachts? Auf meine Frage, was dagegen spräche, bekomme ich eigentlich immer die gleiche Antwort: Nachts und im Winter singen doch keine Vögel! Aber: Der Vogel soll nicht singen, sondern sterben! Am Tag oder in der Nacht, im Sommer oder Winter – es werden immer Vögel von Beutegreifern geschlagen. Deshalb kann die Vogelklage zu jeder Zeit erfolgreich eingesetzt werden.

 


Das Mauspfeifchen hat den kleinsten Wirkungsbereich. Es müssen schon optimale Bedingungen herrschen, damit der Fuchs das Wispern der Maus noch auf 250 Meter wahrnimmt. Dieser Locker liefert aber am wenigsten Diskussionsstoff, denn die Nager sind überall zu finden. Daher kann er auch immer und überall eingesetzt werden – da sind sich die Jäger einig. Aber was mache ich, wenn der Fuchs zusteht? Höre ich auf zu reizen, piepse ich ständig weiter oder nur, wenn der Fuchs verhofft?

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Das Mauspfeifchen (Reichweite: etwa 250 Meter). Foto: Klaus Demmel
Grundsätzlich kann mit dem Mauspfeifchen nicht viel verkehrt gemacht werden. Ich halte immer Kontakt zum Fuchs und beschäftige ihn ständig mit kurzen Serien. Reineke verhofft immer wieder. Er orientiert sich, muss die Maus, bevor er sie fängt, erst einmal orten. Demnach ist es wichtig, auch zu mäuseln, wenn der Fuchs verhofft. Denn in diesem Moment erzeugt er selbst keine Eigengeräusche und konzentriert sich voll und ganz auf den Standort, von dem das „Mäusekonzert“ kommt.
Wie lange soll eigentlich generell mit den Lockern gereizt werden? Ist weniger mehr? Der Fuchs wird doch vergrämt, wenn ich zu lange und laut reize. Diesen Satz höre ich häufig. Doch auf meine Frage, warum das den Fuchs vergrämen solle, bekomme ich selten eine plausible Antwort.

 


Die Jäger sollten sich beim Locken mehr zutrauen. Denn, wie schon erwähnt, schätzt der Fuchs die Größe der vermeintlichen Beute und des Fraßkonkurrenten wohl anhand der Klagerufe ein. Wird zum Beispiel ein Kaninchen von einem Fuchs gerissen, verstummen die Klagerufe aufgrund der körperlichen Überlegenheit Reinekes recht schnell. Fasst jedoch eine Iltisfähe oder ein Wiesel das Kaninchen, ist meist ein lang anhaltendes und über mehrere Minuten andauerndes Klagen zu hören. Es ist daher nicht abwegig, dass der Fuchs langes und intensives Klagen mit kleinen Konkurrenten und leichter Beute verbindet.
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Die Bockbüchsflinte im Anschlag, den Locker im Mund, versucht Klaus Demmel einen Rotrock auf Schrotschussentfernung heranzulocken. Foto: Klaus Demmel
Alle Locker, die kleine Beutetiere simulieren (Hasenklage ausgenommen), sollten deshalb beherzt eingesetzt werden. Selbst dann, wenn der Fuchs zusteht, halte ich nicht nur mit dem Mauspfeifchen, sondern auch mit Vogel- und Kaninchenklage Kontakt. Sogar mit der Waffe im Anschlag beschäftige ich den Fuchs mit kurzen, verhaltenen Klagelauten weiter. Steht der Rote jedoch auf die Hasenklage zu, wechsle ich den Locker – egal ob Vogel-, Kaninchenklage oder Mauspfeifchen. So simuliere ich leichte Beute, und der Fuchs wird mutiger. Es verwirrt Reineke absolut nicht, wenn plötzlich ein anderes Tier klagt oder eine Maus piepst. Dem Jäger gibt es aber die Möglichkeit, den Fuchs auf Schussentfernung vor den Sitz zu dirigieren.
Eine weitverbreitete Meinung ist, dass das Reizen vom Hochsitz aus sinnlos ist: Hasen und Kaninchen klagen ja nicht von den Bäumen. Da wird doch jeder Fuchs misstrauisch. Auch die Vogelklage ergebe von erhöhter Warte aus keinen Sinn. Denn wenn der Sperber oder die Eule mit dem geschlagenen Vogel auf dem Baum sitzt, ist die Beute für Reineke ohnehin unerreichbar. All diese Argumente leuchten scheinbar ein. Doch die Praxis zeigt auch hier das Gegenteil. Ich empfehle sogar, wenn möglich, Hochsitze zu nutzen.

 


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Die Rottumtaler Kaninchenklage hat eine Reichweite von etwa 600 Metern. Foto: Klaus Demmel
Die erhöhte Sitzposition bringt gewisse Vorteile, wie eine bessere Übersicht und einen sicheren Kugelfang. Voraussetzung für die Reizjagd vom Hochsitz aus ist allerdings, dass dieser am richtigen Platz steht. Genügend Sichtfeld (mindestens 50 Meter) ist ein absolutes Muss. Nur dann hat der Jäger genügend Zeit, den Fuchs zu entdecken und sich auf das Schießen zu konzentrieren. Bei richtigem Verhalten ist es durchaus möglich, Reineke vom Hochsitz aus auf gute Schrotschussentfernung heranzulocken. In manchem Lehrbuch wird geraten, das Mauspfeifchen mit einem vier bis sechs Meter langen Kunststoffschlauch zu verbinden. So könne der Locker am Boden verbleiben und der Jäger ihn vom Sitz aus bedienen. Dieser Tipp ist vielleicht gut gemeint, aber vollkommen überflüssig.
Gerade beim Mauspfeifchen zeigt der Fuchs häufig ein eigenartiges Verhalten, denn obwohl „unsere“ Maus vom Hochsitz aus piepst,  vermutet der Fuchs diese am Boden. Ich habe schon provokativ Füchse auf zehn Meter vom Hochsitz aus angemäuselt. So mancher Rotrock vollführte daraufhin Scheinattacken, als müsste die Maus ebenerdig in seiner Nähe sein. Obwohl Reineke den Standort der Klagelaute auch auf größere Entfernung punktgenau orten kann, bemerkt er normalerweise keinen Höhenunterschied, solange er nicht auf zu kurze Distanz angereizt wird.
Kommt der Fuchs zielstrebig auf den Sitz zu, sollte nicht mehr gereizt werden. Das Risiko, entdeckt zu werden, wäre zu groß. Der Räuber weiß ohnehin, von wo die verlockenden Töne kamen und nähert sich auch so. All dies sind Erfahrungen aus der Praxis, und dennoch lässt sich unser Wild nicht in ein Schema pressen und zeigt zuweilen außerplanmäßiges Verhalten. Allerdings wird derjenige, der sich mit der Reizjagd beschäftigt, schnell Erfahrungen sammeln und so das Verhalten der Füchse lesen lernen. Er erlebt im wahrsten Sinne eine „reizende Sache“ oder besser gesagt: Spannung pur.

 

 

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