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260 JVG – Schaden an überlassener Waffe

1916

Haftpflichtversicherung muss zahlen – Schaden an überlassener Waffe

Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bezieht sich der Versicherungsschutz
nicht auf: … Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer … geliehen hat.“ (§ 4 Abs. I Nr. 6a der Allgemeinen Haftpflicht-
Versicherungsbedingungen)

II. Der Sachverhalt
Jäger J. wollte sich eine Gebrauchtwaffe kaufen. Von einem Jagdkameraden erhielt er
eine Waffe zur Ansicht und Erprobung, um sie bei Gefallen zu erwerben. Als er mit ihr vom
Hochsitz stieg, löste sich die obere Schlinge des Gewehrriemens. Die Waffe fiel aus einer
Höhe von rund fünf Metern zu Boden. Infolge des Aufschlags musste der Drilling neu geschäftet und das Zielfernrohr instand gesetzt werden. J. 1 500 Euro, anschließend
wandte er sich an seine Haftpflichtversicherung zwecks Erstattung der Kosten. Diese
lehnte eine Regulierung des Schadens ab, da Schäden an geliehenen Sachen von der Haftung ausgeschlossen seien. J. gab sich damit nicht zufrieden und ging vor Gericht.

III. Das Urteil
Das Gericht gab J. recht; es verurteilte die Versicherung zur Erstattung des Schadens, weil J. die Waffe nicht auf Grund eines Leihvertrages, sondern im Rahmen eines  Gefälligkeitsverhältnisses erhalten habe. Der Haftungsausschluss für geliehene Sachen sei daher nicht gegeben. Die Leihe sei ein Vertrag, durch den sich der Verleiher verpflichte, eine Sache einem anderen für eine bestimmte Zeit unentgeltlich zu überlassen. Eine solche rechtliche Verpflichtung habe der Eigentümer der Waffe nach Sachlage nicht eingehen wollen. Das Überlassen des Drillings sei vielmehr nach Lage der Dinge als ein unverbindliches Entgegenkommen  des Eigentümers und damit auf Grund eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses erfolgt. Denn J. habe die Waffe lediglich für drei Tage zur Ansicht und Erprobung im Revier erhalten, auch habe er mit ihr nicht beliebig umgehen, sondern nur einige Probeschüsse abgeben dürfen. Landgericht Düsseldorf, Urteil v. 12.12.2001 – 23 S 221/01 – IV. Anmerkungen Nach den Allgemeinen Haftpflicht- Versicherungsbedingungen
sind Schäden an gemieteten, gepachteten und geliehenen Sachen vom  Versicherungsschutz ausgenommen, um Missbräuchen entgegenzuwirken. Das setzt aber
voraus, dass tatsächlich ein Miet-, Pacht- oder Leihvertrag abgeschlossen wurde. Bei einer
Überlassung aus Gefälligkeit, ohne rechtliche Verbindlichkeit, bleibt die Versicherung in
der Pflicht. Bei der Abgrenzung zwischen Vertrag und Gefälligkeit kommt es entscheidend darauf an, ob die Beteiligten die Übereinkunft mit rechtlichem Bindungs- und Verpflichtungswillen getroffen haben (dann Vertrag) oder ob sie lediglich aus
freundschaftlicher Verbundenheit ohne rechtliche Verbindlichkeit handelten (dann
Gefälligkeit). Diese Unterscheidung ist im Jagdbetrieb auch an anderer Stelle von erheblicher Bedeutung. Führt zum Beispiel ein Jäger eine Nachsuche für den Pächter durch und erleidet er hierbei einen Sachschaden, so haftet der Jagdausübungsberechtigte,
wenn die Nachsuche auf Grund eines verbindlichen Auftrags und nicht aus bloßer
Gefälligkeit ausgeführt wurde. Eine Gefälligkeit ist hier im Zweifel anzunehmen, wenn die
Nachsuche aus Freundschaft oder Dankbarkeit für eine Jagdmöglichkeit durchgeführt wird;
erfolgt sie dagegen nicht auf Grund einer persönlichen Beziehung, so ist regelmäßig von
einem Auftrag und damit von einer Haftung des Jagdausübungsberechtigten auszugehen,
sofern nach Landesrecht keine Sonderbestimmungen für anerkannte Schweißhundeführer
bestehen (siehe hierzu WuH Nr. 9/ 2001, S. 92). Auch bei einer Jagderlaubnis spielt die Unterscheidung zwischen Vertrag und Gefälligkeit eine wichtige Rolle. Unentgeltliche
Jagderlaubnisse/ Begehungsscheine beruhen in der Regel auf einer freundschaftlichen
Beziehung und damit auf einer Gefälligkeit, so dass sie beliebig beschränkbar und jederzeit ohne Grund widerruflich sind. Ganz anders liegt es bei entgeltlichen Jagderlaubnissen/
Begehungsscheinen. Sie beruhen auf einem Vertrag („Geld gegen Jagdausübung“) und
sind daher nachträglich nur noch einvernehmlich änderbar, eine vorzeitige Beendigung
ist nur durch Kündigung möglich (siehe hierzu WuH Nr. 11/2003, S. 70).

260 JVG
Die Schlinge des Gewehrriemens öffnete sich, und die überlassene Waffe fiel vom Hochsitz. Da es sich um ein Gefälligkeitsverhältnis handelte, musste die Haftpflichtversicherung den Schaden tragen. FOTO: BURKHARD FISCHER

V. Ergebnis
Wird einem Jagdkameraden eine Waffe für kurze Zeit zur Ansicht und Erprobung überlassen, so erfolgt dies in der Regel aus Gefälligkeit, ohne rechtlichen Bindungswillen.
Folglich muss eine Haftpflichtversicherung den Schaden ersetzen, den der Empfänger
an der Waffe durch Fahrlässigkeit verursacht. Der Haftungsausschluss bei geliehenen
Sachen kommt nicht zur Anwendung.

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