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290 JVG – Auf Wald- und Feldwegen

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290 JVG – Auf Wald- und Feldwegen Zufahrt durch fremdes Revier erlaubt

290 JVG
FOTOS: WERNER NAGEL

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.“ § 1004 Abs. 1 und Abs. 2 Bürgerliches  Gesetzbuch 2. „Der Eigentümer eines Grundstücks kann Einwirkungen auf sein Grundstück insoweit nicht verbieten, als sie die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird.“ § 906 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (gekürzt)

II. Der Sachverhalt
Der Pächter eines Jagdbezirks verlangte von seinem Jagdnachbarn, die Durchfahrt durch sein Revier zu unterlassen, weil er dadurch bei der Ausübung der Jagd erheblich gestört werde. Der Nachbar erwiderte, dass es sich um einen öffentlichen Feldweg handle. Der Weg sei zwar durch das Verkehrszeichen Nr. 250 der Straßenverkehrsordnung für Fahrzeuge aller Art gesperrt, jedoch durch das Zusatzschild „Frei für Land- und Forstwirtschaft“ auch für Jäger befahrbar. Die sonstige Zufahrt zu seinem Revier sei erheblich länger und von Zeit zu Zeit gesperrt.

III. Das Urteil
Das Amtsgericht wies die Klage ab, weil der Reviernachbar zum Befahren des Weges berechtigt sei. Auch das Landgericht kam in seinem Hinweisbeschluss über die Erfolgsaussichten der Berufung des Pächters zu diesem Ergebnis. Zur Begründung führten die Gerichte aus, dass zwar nicht jede Kollision mit dem Jagdausübungsrecht rechtswidrig sei. Es gebe keinen Anspruch auf völlig störungsfreie Jagdausübung oder auf einen bestimmten Wildbestand. Der Jagdausübungsberechtigte müsse zum Beispiel das Betreten des Jagdbezirks durch Spaziergänger hinnehmen und Störungen durch die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft dulden. Aus dem  Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungsarten folge, dass das Jagdausübungsrecht nur gegen erhebliche Störungen geschützt sei. Daher könne nur eine nach Stärke und Ausmaß wesentliche Beeinträchtigung abgewehrt werden, etwa wenn das Wild in erheblichem Umfang und für längere Zeit vergrämt werde. Eine solche wesentliche Beeinträchtigung des Jagdausübungsrechts habe der Pächter weder dargelegt noch bewiesen. Aus der Abschussplan-Erfüllung kann vielmehr geschlossen werden, dass eine  Behinderung der Jagd durch wesentliche Störungen nicht vorgelegen hat. Hiervon abgesehen sei das Befahren zu Jagdzwecken durch den angrenzenden Revierinhaber auch nicht rechtswidrig, da der Weg für land- und forstwirtschaftliche Zwecke frei sei. Zu den forstwirtschaftlichen Zwecken gehöre auch die Zuwegbenutzung zur Ausübung der Jagd im eigenen Revier, wobei die so zur eingeschränkten Nutzung freigegebene Wegstrecke auch zur bloßen Durchfahrt benutzt werden dürfe (vergleiche Oberlandesgericht Celle, NZV 1990, S. 441). Das Schikaneverbot des § 226 Bürgerliches Gesetzbuch stehe dem Durchfahren nicht entgegen, weil die Benutzung des Weges nicht den alleinigen Zweck verfolge, den Jagdausübungsberechtigten zu schädigen.  Der Weg diene vielmehr als Zufahrt zum Revier, weil die andere Zufahrt „ab und an“ durch ein Gatter gesperrt sei. Amtsgericht Wolfhagen, Urteil vom 27. 9 2004 – 2 C 329/04 –; Landgericht Kassel, Hinweisbeschluss vom 24. 1. 2005 – 1 S 374/04 –

IV. Anmerkungen
Der für die Abwehr von Störungen und Beeinträchtigungen der Jagdausübung besonders wichtige § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch enthält bei genauem Hinsehen zwei selbstständige Ansprüche:
Den Beseitigungsanspruch, gerichtet auf die Beseitigung bestehender rechtswidriger Beeinträchtigungen (Abs. 1 Satz 1) und
den Unterlassungsanspruch, gerichtet auf die Unterlassung künftiger rechtswidriger Beeinträchtigungen (Abs. 1 Satz 2). 1. Der Beseitigungsanspruch Dieser Anspruch setzt voraus, dass eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Jagdausübungsrechts schon gegeben ist und fortbesteht. Rechtswidrig ist eine Beeinträchtigung, wenn der Störer mit seinem Eingriff dem Jagdausübungsberechtigten gegenüber nicht befugt ist, dieser also die Beeinträchtigung nicht hinnehmen muss. Rechtmäßig sind zum Beispiel:
Beeinträchtigungen durch die ordnungsgemäße Land und Forstwirtschaft  (Bewirtschaftung der Felder und Wälder, abendliche Erntearbeiten, Wechsel im Anbau, Übergang von Weidewirtschaft zu Feldwirtschaft und umgekehrt, Beseitigung von Brachflächen und ähnliche Tätigkeiten).
Beeinträchtigungen durch das allgemeine Betretungsrecht zu Erholungszwecken (Spaziergänger, Jogger, Walker, Schi- und Schlittenfahrer; Radfahrer und Reiter auf Straßen und Wegen). Rechtswidrig sind zum Beispiel:
Beeinträchtigungen durch land- und forstwirtschafts- Grundstücksnutzungen, wenn sie (1.) wesentlich und (2.) nicht ortsüblich sind (störender Fremdkörper in der Umgebung, etwa ein Modellflugplatz in ansonsten ruhiger, waldnaher Lage, WuH 11/1994, S. 42). Das ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 906 Abs. 1, S. 1 und Abs. 2, S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch, wonach der Eigentümer eines Grundstücks wesentliche Beeinträchtigungen dann nicht hinnehmen muss, wenn sie nicht ortsüblich sind, wenn sie also in der näheren Umgebung sonst nicht vorkommen.
Beeinträchtigungen durch Überschreitung oder Missbrauch des allgemeinen Betretungsrechts, zum Beispiel durch Betreten von Forstkulturen und Dickungen, von Feldern von der Aussaat bis zur Ernte, von Wiesen während des Aufwuchses und der Beweidung. Ferner durch Radfahren außerhalb der Wege und Betreten zu anderen Zwecken als zur Erholung, etwa zur Störung der Jagd oder zu  Sportveranstaltungen.
2. Der Unterlassungsanspruch Dieser Anspruch setzt voraus, dass eine rechtswidrige Beeinträchtigung (siehe vorstehend) des Jagdausübungsrechts erst künftig droht. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie erstmals konkret bevorsteht (Theaterfestival im Wald, WuH 17/2004, S. 104), oder wenn es in der Vergangenheit bereits zu rechtswidrigen Beeinträchtigungen gekommen ist und in Zukunft mit weiteren dieser Art zu rechnen ist (Wiederholungsgefahr, zum Beispiel bei unbeaufsichtigtem Laufenlassen des Hundes, WuH 23/2005, S. 124; Radfahren außerhalb der Wege, absichtliches Stören der Jagdausübung, WuH 18/2001, S. 88). 3. Vier Rechtskreise betroffen Beim Durchfahren eines fremden Jagdbezirks auf einem Feld- oder Waldweg zur Erreichung des eigenen sind vier Rechtskreise zu beachten:
Zivilrecht: Durch die Benutzung des Weges darf das fremde Jagdausübungsrecht nicht wesentlich und ortsunüblich beeinträchtigt werden (siehe obiges Urteil).
Wegerecht: Der Weg muss ein öffentlicher sein, das heißt er muss allgemein und damit für jedermann für land und/oder forstwirtschaftliche Fahrzeuge oder Anlieger bestimmt (gewidmet) sein. Das bedeutet, dass er von jedem zur Bewirtschaftung und damit auch zur Bejagung der durch ihn angebundenen Flächen benutzt (befahren) werden darf. Den Gegensatz hierzu bilden Privatwege, bei denen sich der Eigentümer die Benutzung ausdrücklich vorbehalten hat (zum Beispiel durch das Schild: „Nur für Besucher. Der Eigentümer“).  Im übrigen sind auch Privatwege dann öffentliche Wege, wenn sie für eine bestimmte Benutzung allgemein freigegeben sind. Befindet sich am Weg ein Verkehrszeichen (zum Beispiel Sperrschild mit Zusatz „Frei für Land- und Forstwirtschaft“ oder „Frei für Anlieger“), handelt es sich regelmäßig um einen öffentlichen Weg, selbst wenn er in Privateigentum steht. Denn nur an öffentlichen Wegen dürfen Verkehrszeichen angebracht werden. Feld- und Waldwege sind dazu bestimmt, die durch sie erschlossenen Grundstücke land- und forstwirtschaftlich zu bewirtschaften, Spaziergänger dürfen sie aufgrund des allgemeinen Betretungsrechts zu Erholungszwecken begehen. Diese Wege dürfen also von jedermann zu (nur) diesen Zwecken benutzt werden. Der Jagdpächter hat die Ausübung der Jagdrechte an den durch den Weg erschlossenen Grundstücken seines Revieres gepachtet. Zur Ausübung dieses Rechtes auf den Grundstücken darf er daher – ebenso wie der Landwirt zu seinem Feld und der Forstmann zu seinem Wald – grundsätzlich Feld- und Waldwege zu und in seinem Jagdbezirk benutzen. Aus dem Widmungszweck der Anbindung an das Straßennetz folgt allerdings, dass nur eine direkte Zufahrt zum hinterliegenden Revier erlaubt ist, ein beliebiges Durchfahren des Nachbarrevieres  aber nicht (vergleiche auch  Mitzschke/Schäfer, BJG, § 33 Randnummer 4). Gleiches gilt für Helfer und Jagdgäste. Voraussetzung ist lediglich, dass es sich um einen öffentlichen Weg handelt, der für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge oder für Anlieger freigegeben ist.
Jagdrecht: Solange der fremde Jäger auf dem zum allgemeinen Gebrauch bestimmten  Weg in Jagdausrüstung bleibt, kann er nicht vom Jagdschutzberechtigten angehalten und zur Abgabe seiner Waffen aufgefordert werden.  Erst wenn er den Weg verlässt, ist das möglich. Zum „allgemeinen Gebrauch bestimmt“ bedeutet soviel wie „öffentlich“ (siehe vorstehend).
Waffenrecht: Auf der Fahrt beziehungsweise auf dem Zugang zum Revier und zurück darf die Waffe (vollständig) entladen mitgeführt werden. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob der Zugang oder die Zufahrt auf einer Straße oder einem öffentlichen Weg erfolgt, zu Fuß oder mit dem Fahrzeug.
Einschränkung: Aus dem Widmungszweck, dem allgemeinen Schikaneverbot des § 226 Bürgerliches Gesetzbuch sowie aus den Grundsätzen deutscher Waidgerechtigkeit des § 1 Abs. 3 Bundesjagdgesetz (Pflicht zu rücksichtsvollem und den Nachbarfrieden nicht störenden Verhalten) ergibt sich aber, dass von der Befugnis zum Durchfahren eines fremden Jagdbezirks zwecks Zufahrt zum eigenen Revier nur bei Notwendigkeit oder erheblichen Abkürzungen und so schonend wie möglich Gebrauch zu machen ist. Ein beliebiger „Spähtrupp“ durch das Nachbarrevier ist daher nach meiner Auffassung ebenso unzulässig wie eine unnötig lange oder unnötig störende Durchquerung.

V. Ergebnis
1. Die Benutzung eines Feld oder Waldweges durch einen fremden Jagdbezirk als Zufahrt zum eigenen Revier ist erlaubt, wenn der Weg für land- und/oder  forstwirtschaftliche Zwecke oder für Anlieger freigegeben ist und keine wesentlichen Beeinträchtigungen (Störungen) des fremden Jagdausübungsrechts verursacht werden.
2. Aus dem Widmungszweck, dem Schikaneverbot und den Grundsätzen deutscher Waidgerechtigkeit ergeben sich aber Beschränkungen auf das Notwendige.
3. Die Regeln über den Jägernotweg finden keine Anwendung, da es mit dem Wald oder Feldweg einen zum allgemeinen Gebrauch bestimmten Weg zum Revier gibt.

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