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399 JVG – Fehlende Gesetzestreue – Unzuverlässige „Reichsbürger“

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399 JVG
Wer wie die sogenannten „Reichsbürger“ die deutschen Gesetze nicht anerkennt, gilt nach dem Waffengesetz als unzuverlässig. Eine erteilte waffenrechtliche Erlaubnis wurde widerrufen. Foto: Christian Ohde/picturealliance

I. Der Fall
Der Inhaber eines Kleinen Waffenscheines wehrte sich gegen einen Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen das Sonn- und Feiertagsgesetz. Zur Begründung machte er in mehreren Schreiben geltend, dass das Ordnungswidrigkeitsgesetz am 11. Oktober 2007 rückwirkend aufgehoben worden sei. Seitdem gebe es keine rechtliche Grundlage mehr für sämtliche Ordnungswidrigkeiten. Auch andere Gesetze, wie zum Beispiel die Zivilprozessordnung und die Strafprozessordnung, hätten ihre Wirksamkeit verloren. Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern befinde sich noch im Status eines besetzten Gebietes der Aliierten. Eine Vollstreckung des Bußgeldes sei daher ein bewusster Akt illegaler Plünderung. Die Bundesrepublik habe aufgehört zu existieren, Richter, Staatsanwälte und Polizei handelten daher ohne staatliche Befugnisse und damit rechtlich unwirksam.
Wegen dieser Äußerungen widerrief die Waffenbehörde den erteilten Kleinen Waffenschein. Zur Begründung führte sie an, dass der Waffenbesitzer aufgrund seiner ernsthaften Negierung der Rechtsordnung unzuverlässig sei. Daher sei nicht gewährleistet, dass er die Vorschriften des Waffengesetzes künftig stets einhalten werde. Vor Gericht beantragte der Betroffene, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid anzuordnen.

II. Die Gerichtsentscheidung
Der Antrag hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Nach § 5 Abs. 1 Ziff. 2 WaffG sind Personen unzuverlässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie:
. Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden.
. mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
. Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
Im vorliegenden Fall seien solche Tatsachen gegeben. Aus den Angaben des Antragstellers sei zu entnehmen, dass er sich das Gedankengut und die Überzeugungen der „Reichsbürger“ zu Eigen gemacht und auch danach gehandelt hat. Typisch für diese Personengruppe sei die fundamentale Negierung des Staates Bundesrepublik Deutschland und seiner Organe. Als Folge daraus werde die bestehende Rechtsordnung mangels verfassungsrechtlicher Grundlage als rechtlich unwirksam abgelehnt. Stattdessen bestehe das Deutsche Reich fort.
Wer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet, so das Gericht, und daraus folgend die geltenden Gesetze als für sich nicht verbindlich erklärt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die strengen Vorschriften des Waffengesetzes nicht strikt einhalten wird. Hierbei sei entscheidend, dass die innere Überzeugung und der Wille des Betroffenen in seinen Schreiben „klar, eindeutig und unmissverständlich“ zum Ausdruck gekommen sind.
Für diese Prognose ist nicht erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition gesetzwidrig umgehen wird. Vielmehr genügt – wie hier – eine auf Tatsachen beruhende „hinreichende“ Wahrscheinlichkeit, weil angesichts der hohen Gefahren für Leib und Leben ein Restrisiko nicht hingenommen werden kann.
Bayerischer VGH, Beschluss v. 19.6.2017 – AN 16 S 17.386 –; ebenso Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 18.7.2017 – 11 ME 181/17 –

III. Anmerkungen
Je moderner die Gesellschaft, desto bunter ihre Mitglieder. Wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht, dass wir einmal „Reichsbürger“ haben werden, die die Existenz unseres Staates leugnen und unsere Gesetze für ungültig erklären. Sie weigern sich, Steuern zu zahlen, geben ihre bundesdeutschen Ausweise zurück und verwenden einen eigens hergestellten Pass mit der Aufschrift „Deutsches Reich“. Das Problem der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Ziff. 2 WaffG ist häufig die Prognoseentscheidung über die künftige Einhaltung des Waffengesetzes durch den Waffenbesitzer. Anknüpfungspunkt ist hierbei zunächst das Vorliegen einer oder mehrerer Tatsachen, die den Schluss rechtfertigen, dass künftig mit Verstößen gegen das WaffG zu rechnen ist. Für diese Einschätzung ist keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, was dem präventiven Charakter des Waffengesetzes entspricht. Vorbeugen lautet die Devise.
Im vorliegenden Verfahren war der Ausgangspunkt die Tatsache, dass der Waffenbesitzer seine fehlende Gesetzestreue klar und deutlich in seinen Schreiben erklärt hat. Für das Gericht war das entscheidend. Denn damit hat er entsprechend der Ideologie der „Reichsbürger“ gehandelt, sodass zu befürchten ist, dass er auch künftig nicht
willens sein wird, die geltenden Gesetze und somit auch die strengen
Vorschriften des WaffG einzuhalten.
Die bloße Gesinnung, die noch keine erkennbare Außenwirkung entfaltet hat, dürfte wohl nicht ausreichen („Die Gedanken sind frei …“).
Das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz) wird dadurch nicht verletzt. Zwar sind auch Meinungen geschützt, die eine Änderung der politischen Verhältnisse befürworten. Jedoch wird die Meinungsfreiheit durch die allgemeinen Gesetze begrenzt. Zu diesen Gesetzen gehört auch das Waffengesetz, das zwar keine Meinung verbietet, das aber den Umgang mit Waffen und Munition unter Beachtung der öffentlichen Sicherheit regelt. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zur Versagung hätten führen müssen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss v. 15.1.2018 – 21 Cs 17.1519

IV. Ergebnis
1. Wer durch eigenes Handeln zu erkennen gibt, dass er die deutschen Gesetze allgemein oder das Waffengesetz im Besonderen als für ihn unverbindlich erklärt, ist nach § 5 WaffG unzuverlässig. Er muss seine Waffen an einen Berechtigten abgeben oder dauerhaft unbrauchbar machen.
2. Eine bloße Sympathie für das Verhalten der „Reichsbürger“ ohne Außenwirkung genügt nicht.

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