Aus dem WILD UND HUND-Testrevier
Beim diesjährigen Rehwildzählen kam im letzten Licht ein Jährling in Anblick, der auffällig zog. Markus Deutsch stellte ihm am 1. Mai nach.
„Mit dem stimmt was nicht“, ist der erste Eindruck am Abend des 6. April, als sich im letzten Dämmern auch ein Jährling in dem kleinen Sprung Rehe von der Einhornleiter in Richtung Himmelspforte hochäst. Der von Schlehdorn vollkommen eingehüllte ehemalige
Drückjagdbock ist für mich als Posten beim Rehwildzählen im östlichen Teil des Reviers vorgesehen. Dass sich die fünfköpfige Truppe über die Kuppe vorarbeitet und dadurch langsam mehr als die Häupter erkennen lässt, ist der krönende, wenn auch recht späte
Abschluss dieses Ansitzabends. Eröffnet wurde er von einem hochinteressanten älteren Bock, der schon kurz nach dem Aufbaumen direkt vor der Himmelspforte äste. Die Gesamterscheinung, die starken Rosen und die an der Basis massigen Stangen mit nur geringen Sprossen ließen ein vorgerücktes Alter erahnen. Links vom Sitz trat dann ein mittelalter Bock aus, gefolgt von einer Ricke. Auch bei der Fünfergruppe ist ein mittelalter
Sechser dabei, der einen Gabler aus dem Sprung auf die Läufe gebracht hat. Bis auch die Wildkörper über der Horizontlinie der uhrglasgleichen Fläche zu sehen sind, kann man in der Dunkelheit gerade noch erkennen, dass der Jährling mit den ungleich langen Stangen links schont. Wo ich zum Aufgang der Bockjagd sitzen werde, steht fest. Den will ich mir noch mal im Hellen besehen.
Allerdings vereitelt am Morgen des 1. Mai der Ostwind mein Vorhaben. Auf der Himmelspforte hätte ich den Wind im Nacken. Deshalb richte ich mich auf dem Einhorn ein. Ein Marder und zwei Damspießer kommen in Anblick, aber Rehwild zeigt sich nicht. Bei der Rückfahrt nehme ich den Weg über den Spriestersbacher Hof. Von dort kann ich auf die Fläche zwischen Himmelspforte und Einhorn schauen und sehe eine Ricke mit dem schonenden Jährling. Zügig fahre ich Richtung Dorf, halte unweit der Himmelspforte und pirsche mich bei halbem Wind mit meinem Dreibein an. Bis auf 30 Meter komme ich heran, aber die Wölbung der Wiese und der hohe Bewuchs machen mir einen Strich durch die
Rechnung. Unbemerkt ziehe ich mich zurück und hoffe auf den Abend. Zwar hat der Wind gedreht, aber am Nachmittag auch abgenommen. Dadurch küselt er, wie ich in dem Schlehennest erwartungsdämpfend feststellen muss. Entsprechend verläuft der Ansitz. Da die Bühne absolut leer bleibt, trage ich mich mit dem Gedanken, früher abzubaumen. Da höre ich aus dem Wald vor mir zweimal kurzes Schrecken. Unmittelbar darauf, es dämmert bereits, taucht ein Stück Rehwild am Bestandsrand auf. Mit langem Träger sichert es in den
Forst. Mehrfach setzt es zum Abspringen an. Dann macht es
doch einen Satz auf die Wiese.
Das Fernglas ist bereits gegen die Büchse getauscht, denn es ist der Lahme. Allerdings zieht er, so zügig wie er kann, spitz von mir weg. Ich bin im Anschlag, fahre mit. Um ihn zum Stehen zu bringen, will ich gerade pfeifen, bevor ihn die Geländewölbung schützt. Da verhofft er, sichert zurück und zeigt ein wenig Blatt. Im Knall reißt es den Jährling von
den Läufen. Ein kurzes Schlegeln, dann ist Ruhe. Als ich an meine Beute trete, fällt mir eine Verdickung am linken Vorderlauf des Gestreckten auf: ein alter Bruch. Die Deformation
ließ den Spießer auf dem Fesselbein ziehen – für mich ein gelungener Auftakt der Bockjagd.