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Mehr als nur „Damzicken“

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Begründung und Hege eines Damwildvorkommens

Für Rotwildjäger ist Damwild oft nur eine Hirschart zweiter Klasse, was in verächtlichen Bezeichnungen wie „Damzicken“ zum Ausdruck kommt. Wie unrecht man damit dieser reizvollen Wildart tut, wissen zumindestens alle, in deren Revieren Damwild seine Fährte zieht und die es nicht missen möchten – wie beispielsweise die Jäger in der Damwildhegegemeinschaft Schleswig.

 

Von Hans-Jürgen Malende

Seit Jahrhunderten gilt Schleswig-Holstein zu recht als das Land des Damwildes. Das liegt an der Waldarmut des Landes zwischen den Meeren, die zur Folge hat, dass Rotwild seinen Bedürfnissen entsprechend hier nur in wenigen Bereichen geeignete Lebensräume findet. Der Wunsch der Jäger, ihre Reviere jagdlich attraktiver zu gestalten, ist verständlich. Damwild ist in der Tat eine Hirschart, mit der dieses Ziel bei vertretbarem Aufwand in vielen heimischen Revieren erreicht werden kann.

Damwildstrecke hat sich verdreifacht

Noch vor fünfzig Jahren beschränkten sich die Damwildvorkommen in Schleswig-Holstein auf den Bereich des östlichen Hügellandes von Lübeck bis Eckernförde, wo das Wild in der Obhut großer Güter schon über Jahrhunderte in freier Wildbahn gehegt wurde. Darüber hinaus gab es nur kleine, inselartige Damwild-Vorkommen. Insbesondere nach 1950 hat diese reizvolle Schalenwildart in Schleswig-Holstein seinen Lebensraum deutlich erweitert. Das wird dadurch dokumentiert, dass sich allein in den letzten 40 Jahren die Damwildstrecke in diesem Bundesland mehr als verdreifacht hat – eine Entwicklung, die durch die Statistik auch für das Bundesgebiet belegt ist.

Hier soll über die vor 50 Jahren gegründete Damwildhegegemeinschaft Schleswig berichtet werden. An ihrem Beispiel wird klar, dass sinnvolle Bejagung von Hochwild – und ganz speziell Damwild – nur über den möglichst einvernehmlichen Zusammenschluss aller Reviere eines Vorkommens möglich ist.

Fair und Verantwortungsvoll

Zum barocken Fürstengarten des Schlosses Gottorf in Schleswig gehörte früher auch ein so genannter Tiergarten, in dem in beträchtlicher Zahl auch Damwild, gehalten wurde. Als dieser unter dänischer Herrschaft 1748 aufgegeben wurde, erlosch dieses Damwildvorkommen fast gänzlich. Erst mehr als ein Jahrhundert später wurde etwa 30 Kilometer entfernt in der Landschaft Angeln ein kleines Rudel Damwild aus einem Gatter freigelassen, das sich bald zu einem namhaften Bestand entwickelte. Im Raum um Schleswig kam Damwild jedoch zunächst nur als äußerst seltenes Wechselwild vor.

1934 wurde dem Förster Hans Schütze die Leitung der Försterei Idstedwege im Forstamt Schleswig übertragen. 1937 besetzte er nahe des Forsthauses ein kleines Gatter mit einem beschlagenen Alttier, einem Schmaltier und einem Spießer. 1939 entließ er dieses Wild mit seinen Nachkommen in die Freiheit. In der relativ waldarmen von Knicks geprägten schleswiger Landschaft fand das Wild einen idealen Lebensraum, vermehrte sich rasch und besiedelte alsbald geeignete benachbarte Einstände.

Bis 1945 war Schütze Kreisjägermeister und konnte kraft Amtes seine Hand schützend über sein Damwild halten. Nach der Kapitulation 1945 war es ein glücklicher Umstand, dass die verantwortlichen Offiziere der britischen Besatzungsmacht dem Wild und der Jagd fair und verantwortungsvoll begegneten. So konnte das Damwild seine positive Entwicklung hier ungestört fortsetzen, zumal die Strecke weit unter dem Zuwachs blieb. Diesem Umstand ist es zu danken, dass das Damwild heute die Reviere von Kappeln bis vor die Tore Husums besetzt.

Seit 1976 ist die Hegegemeinschaft ein fester Begriff

Als mit Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes 1952 das Jagdausübungsrecht wieder auf die deutschen Jäger überging, ordnete Forstamtsleiter Gerhard als amtierender Kreisjägermeister für die drei fiskalischen und sieben privaten Jagdbezirke, in denen Damwild vorkam, den Zusammenschluss zum „Damwildhegering Schleswig“ an und bestimmte Schütze als Vorsitzenden.

Begriffe wie Hegegemeinschaft oder Hegering finden wir weder im Bundesjagdgesetz von 1952 noch im Landesjagdgesetz von 1953. Erst das Bundesjagdgesetz von 1976 macht die Hegegemeinschaft zum festen Begriff im Jagdrecht. Der Damwildhegering Schleswig hatte – wie die meisten anderen Gegenden auch – zunächst weder einen Vorstand im Sinne des Vereinsrechts noch eine Satzung. Seine Aufgabe bestand im wesentlichem in der Beratung der Jagdbehörde bei der Festsetzung der Abschuss-pläne und der Beratung der Jäger über Auswahlkriterien bei der Bejagung. Erst 1968 wurden schriftliche Bejagungsrichtlinien an die Jäger verteilt.

Unterschiedliche Ansichten

Mit Zunahme des Wildbestandes und der Besiedelung zusätzlicher Einstandsgebiete erweiterte sich die Hegegemeinschaft Schleswig auf 113 Jagdbezirke mit 303 Jagdausübungsberechtigten und einer Jagdfläche von rund 63 000 Hektar bei einer Waldfläche von nur 4600 Hektar. Lediglich 25 der Jagdbezirke sind Einstandsreviere mit ständigem Damwildvorkommen. Alleine hieraus ist zu ersehen, dass eine faire Bewirtschaftung und Freigabe in den Stand- und Wechselrevieren nur über eine Hegegemeinschaft möglich ist. Entsprechend der Haupteinstände des Damwildes im Raum Schleswig gibt es hier acht Hegebezirke mit je einem Bezirksleiter. Durch Flurbereinigungsmaßnahmen wurde auch im Bereich dieser Hegegemeinschaft das einst enge Knicknetz erheblich reduziert. Der waldarme, zu fast 80 Prozent landwirtschaftlich genutzte Wildtierlebensraum ist aber immer noch durch verbliebene Knicks geprägt. Die Intensität der Landwirtschaft und das enge Verkehrswegenetz haben stabile, aber meist mäßige Niederwildbesätze zur Folge, einzig Rehwild kommt zahlreich vor. Schwarzwild spielt hier als seltenes Wechselwild noch keine Rolle.

Sowohl im öffentlichen als auch im privaten Eigentum wird eine Hebung des Waldanteils durch Neuwaldbildung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten verfolgt. Auf weniger als zwei Prozent der Fläche steht das Jagdausübungsrecht der Landesforstverwaltung zu. Die Jagd wird also im wesentlichen in gemeinschaftlichen Jagdbezirken auf etwa zwanzig Prozent der Fläche in Eigenjagdbezirken ausgeübt. Von Ausnahmen abgesehen liegt das Jagdausübungsrecht in den Händen der örtlichen Jäger.

Über die Höhe des Wildbestandes, seine Beziehung zum vorhandenen Lebensraum und seine Lenkung durch die Jagd gibt es wohl überall unterschiedliche Ansichten. Da macht auch die Hegegemeinschaft Schleswig keine Ausnahme. Bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung, als der Damwildbestand im Frühjahr noch bei etwa 100 Stück lag, verzeichnen die Protokolle kontroverse Aussagen, die von der Sorge über eine zu hohe Abschuss-Quote bis hin zu Klagen über Wildschäden wegen zu hoher Wilddichte reichen. Das lag damals wie heute an den unterschiedlichen Sichtweisen.

Besonders im Winter und vor allem im Frühjahr schließt sich Damwild bekanntlich zu größeren Rudeln zusammen. Wenn Knicks und Wälder unbelaubt sind, fallen Massierungen dieser auffälligen tagaktiven Wildart natürlich besonders ins Auge und vermitteln oft einen unzutreffenden Eindruck von der tatsächlichen Höhe des Gesamt-Bestandes. Ähnliche Eindrücke entstehen, wenn sich das Wild vornehmlich zur Brunft und im Winter auf die wenigen Waldeinstände konzentriert.

Es kräuseln sich den Landwirten oft die Nackenhaare, wenn sie vielköpfige Damwildrudel auf ihrem Grünland oder der Saat äsen sehen. Gleichzeitig klagen aber die Jäger in den Revieren im Randbereich des Damwildvorkommens darüber, dass das Wild wohl nun fast ausgerottet sei, weil in ihren Revieren derzeit nichts steht. Regelmäßig finden sich in den Protokollen – sicher nicht nur der Hegegemeinschaft Schleswig – diese scheinbaren Widersprüche.

Standorttreues Dam-Kahlwild

Das Dam-Kahlwild erweist sich als sehr standorttreu, das konnte im großen Umfang an sichtmarkiertem Wild bestätigt werden. Auch die Hirsche des schleswiger Bestands haben einen Aktionsradius, der etwa fünfzehn Kilometer selten überschreitet, was in anderen Vorkommen anders ist. Das männliche Wild verlässt jedoch mehrheitlich im November oder Dezember die Brunftreviere und steht dann in kleinen Hirschrudeln wieder in den Feisthirschrevieren. Das sind häufig kleins-te Wälder oder Feldgehölze in der Landschaft, in denen sie dann bis zur Ernte in den umgebenden Getreidefeldern Ruhe, Deckung und Äsung finden. Die Verbreitung des Damwildes war von den Jägern gewollt und wurde vom Forstamt Schleswig, das die wesentlichen, größeren Waldeinstände stellt, mit getragen.

Fehlender Mut

In drei Phasen lässt sich die Entwicklung des Wildbestandes unterteilen. Die Aufbauphase war geprägt von Hege und größter Zurückhaltung bei der Bejagung. Sie mündete in die Phase zwei mit örtlich deutlich überhöhten Wildbeständen. Dieser Zustand dauerte eine Reihe von Jahren an, da den meisten Jägern zunächst der Mut fehlte, einen erheblich über den Zuwachs hinausgehenden Abschuss, insbesondere beim Kahlwild, und hier bei den Zuwachsträgern, durchzuführen. Nun befinden wir uns in der dritten Phase, in der unser Bestreben darauf ausgerichtet ist, den Wildbestand auf einer bejagbaren, jedoch für Land- und Forstwirtschaft und die Belange des Naturschutzes vertretbaren Höhe zu halten.

Realitätsnahe Ergebnisse

Freilebende Wildbestände sind schwer zu erfassen. Wenn wir von Wildzählung sprechen, dann müssen wir einräumen, dass es sich bestenfalls nur um eine sorgfältige Schätzung handeln kann. Der Frühjahrsbestand wird in Schleswig unter Verantwortung der Obleute in den acht Hegebezirken erhoben. Dazu ist zu bedenken, dass die Bedingungen, unter denen sich die Wildbestände zahlenmäßig erfassen lassen, außerordentlich unterschiedlich sind. Da ist ein rund zweihundert Hektar großer Wald, umgeben von Grünland mit wenigen Knicks, den man innerhalb von fünfzehn Minuten mit dem Auto vollständig umrunden kann. Ende April ergeben diese Zählungen in der Morgendämmerung unserer Meinung nach realitätsnahe Ergebnisse. Und trotz aller Bemühungen gelingt es uns nicht, die Bestandeshöhe konstant zu halten, obwohl Wechselbeziehungen mit benachbarten Vorkommen eine untergeordnete Rolle spielen.

So gilt es, jährlich den Abschuss den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Es ist verständlich, dass der Wildbestand nicht unerheblichen Schwankungen unterworfen sein kann. So ergab beispielsweise die Frühjahrszählung 1983 mit 543 Stück den höchsten Wildbestand und mit 271 Stück 1994 den geringsten. Entsprechend betrug die Jahresstrecke zwischen 215 und 99 Stücken Damwild.

Nach Alters-

Obwohl bis 1999 im Landesjagdgesetz für Schleswig-Holstein die Zwangsmitgliedschaft in den Hegegemeinschaften vorgesehen wurde, traten alle Mitgliedsreviere freiwillig bei. Das war sicher eine gute Voraussetzung für eine konstruktive Zusammenarbeit. An den wichtigsten Zielen wurde auch nie gerüttelt, wenn man einmal davon absieht, dass die Anpassung örtlich überhöhter Wildbestände an den Lebensraum bei den weiter entfernten Wechselwildrevieren keine Begeisterung auslös-te. Wenn in den Versammlungen einmal gestritten wird, dann geht es meistens um die Verteilung des vorgesehenen Abschusses auf die Reviere oder um unerfüllbare Forderungen nach der Freigabe von Hirschen.

Das übergeordnete Ziel ist eine sachgerechte, revierübergreifende Bewirtschaftung des Wildbestandes. So kann sich aus Vernunftsgründen die Frage nach der Mitgliedschaft in einer Hegegemeinschaft gar nicht stellen, sie ist für eine sachgerechte Wildbestandsbewirtschaftung einfach unverzichtbar. Dem Vorstand der Hegegemeinschaft obliegt die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern und der Jagdbehörde über den Abschussplan den Wildbestand lebensraumangepasst und nach wildbiologischen Gesichtspunkten zu lenken.

Jeder Versuch, diese Ziele auf der Ebene einzelner Jagdbezirke zu verwirklichen, wäre zum Scheitern verurteilt. Der reine Beutejäger würde mit dem Heger konkurrieren, und im Ergebnis würde das zu örtlich überhöhten Beständen und andernorts zu damwildfreien Revieren führen, ganz zu schweigen von Mängeln beim Altersaufbau und beim Geschlechterverhältnis.

In Schleswig wird das Damwild erfolgreich nach Alters-, nicht nach Güteklassen bejagt. Das angestrebte Geschlechterverhältnis von 1:1 wurde annähernd erreicht. Nach der Reduzierungsphase kommen zwar nicht mehr so viele starke Ernte-Schaufler zur Strecke wie zuvor, aber jedes Jahr liegen einige Vertreter dieses Hegeziels auf der Decke.
Wir von der Damwild-Hegegemeinschaft Schleswig blicken recht optimistisch in die Zukunft! Jagd und Jäger wird es immer geben, Damwild allemal und seine verantwortungsvolle Bejagung wird auch in Zukunft unverzichtbar sein. Daran werden auch wechselnde jagdpolitische Vorgaben nicht viel ändern können. Und an der Notwendigkeit, Hochwild lebensraumbezogen zu hegen und zu bejagen, eben in einer Hegegemeinschaft, kann sich unserer Meinung nach auch in Zukunft nichts ändern.

Hundertjähriges Jubiläum

Die sichersten Garanten dafür sind disziplinierte Jäger, die sowohl Bestätigung ihres Tuns bei der Beobachtung und Entwicklung eines gesunden, gut strukturierten Wildbestandes in ihren Revieren erleben, als auch Freude an seiner Bejagung und der Erbeutung einer Trophäe empfinden.

So wird die Damwildhegegemeinschaft Schleswig sicher auch ihr hundertjähriges Jubiläum feiern und wieder zahlreiche Kapitalschaufler mit mehr als 190 Internationalen Punkten in einer großen Jubiläumsschau präsentieren können. Schauflern, die Zeugnis von Gemeinsamkeiten und Disziplin der Jäger ablegt in der Gewissheit: Wir haben unser Klassenziel erreicht, weil wir das uns anvertraute Wild mit Sachverstand zu bewirtschaften verstehen.

Dam-Kahlwild ist außerordentlich standort-treu. Nur durch Eingriff in die Zuwachsträger ist eine effektive Bestands-Regulierung – ob nach unten oder nach oben – zu erreichen

 


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