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Wanderer stürzte vom Hochsitz

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Wer zahlt, wenn ein Unbefugter vom Hochsitz fällt und sich verletzt?

Die Sprosse bricht, der Wanderer stürzt ab – so kann es zu schweren Unfällen kommen. Doch der Verunglückte hat nun in der Regel keinen Anspruch auf Schadensersatz vom Jagdausübungsberechtigten. Schließlich hat der den Hochsitz nicht als Kletterturm gebaut.

I. Die Rechtsgrundlage

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ § 823 Abs. 1 BGB

II. Der Sachverhalt

Vatertag 1999. Die Mitglieder des Gesangvereins „Concordia“ unternehmen eine Wanderung durch Wald und Feld. Gegen 11 Uhr machen sie Rast am Waldrand und frühstücken.

Nach der Stärkung bestieg der Geschädigte den rund 30 Meter entfernten Hochsitz. Als er die siebte Sprosse betrat, gab diese plötzlich unter ihm nach, so dass er aus etwa 2,40 Meter Höhe zu Boden stürzte und sich verletzte. Die Sprossen der Leiter waren an jeder Seite nur mit einem Nagel befestigt.

Der Geschädigte verlangte vom Pächter ein Schmerzensgeld in Höhe von 8000 Mark. Zur Begründung machte er geltend, dass der Pächter schuldhaft die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, weil die Sprosse nicht ordnungsgemäß befestigt gewesen sei.

Der Pächter erwiderte, dass er den Hochsitz im vorangegangenen März kontrolliert und ein Jäger ihn etwa eine Woche vorher benutzt habe, ohne dass ihnen etwas aufgefallen sei.

III. Das Urteil

Das Gericht gab dem Pächter Recht; es wies die Klage in vollem Umfang ab, weil der Eigentümer eines Hochsitzes gegenüber Unbefugten nicht verkehrssicherungspflichtig ist.
Der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht liege der Gedanke zugrunde, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe, auch dafür sorgen müsse, dass die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, damit Dritte nicht verletzt beziehungsweise geschädigt würden.

Diese Verpflichtung bestehe aber nicht gegenüber Personen, die sich unbefugt in die Gefahr begeben. Deshalb hafte der Eigentümer eines Hochsitzes nicht für Schäden, die einem Erwachsenen durch unbefugtes Besteigen der Anlage entstehen.

Ein Hochsitz diene allein den zur Jagdausübung berechtigten Personen, nicht aber der Benutzung durch Spaziergänger und Wanderer. Daran ändere auch nichts, dass an dem Hochsitz kein Verbotsschild angebracht gewesen sei; denn die Benutzung fremden Eigentums sei immer unbefugt, solange nicht der Eigentümer die Sache Dritten zum Gebrauch überlasse.

Ferner habe der Geschädigte mit dem Besteigen des Hochsitzes bewusst die jedermann erkennbare Gefahr auf sich genommen, die mit dem Besteigen solcher Anlagen verbunden sei. Der Jagdpächter habe nicht damit rechnen müssen, dass ein Wanderer den von hohem Gras umstandenen und erkennbar allein für Jagdzwecke errichteten Hochsitz unbefugt besteigen würde.

Selbst wenn man eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejahe, so würde diese jedenfalls vollständig hinter dem Handeln auf eigene Gefahr zurücktreten. Denn der Geschädigte habe selbst angegeben, dass sich der Hochsitz in einem sehr schlechten Zustand befunden habe. Wenn er gleichwohl hinaufgestiegen sei, so habe er das in dem Bewusstsein des damit verbundenen Risikos, mithin auf eigene Gefahr, getan. Für die damit verbundenen Folgen habe allein er einzustehen. Landgericht Gießen, Urteil vom 28.02.2001 – 1 S 497/00 –

IV. Weitere Urteile

1. Ein junges Paar bestieg einen Hochsitz, um die Aussicht zu genießen. Beim Abstieg kippte der Sitz zur Seite um, die Frau wurde verletzt und verlangte Schadensersatz.

Das Gericht wies ihre Klage ab. Bei einer unbefugten Benutzung von Hochsitzen durch erwachsene Personen hafte der Eigentümer nicht. Auch ein Hausbesitzer sei nicht verpflichtet, seine Treppen zum Schutze eines Einbrechers zu sichern.

Das Besteigen eines Hochsitzes durch Waldbesucher sei widerrechtlich, weil diese Anlagen im Eigentum des Jagdausübungsberechtigten stünden und nicht der Allgemeinheit gewidmet seien. Sie dienten nur der Jagdausübung und seien keine „Klettertürme“ für die Allgemeinheit.

Die Anbringung eines Verbotsschildes sei nicht notwendig, da die Benutzung fremden Eigentums stets unbefugt sei. Ein Erwachsener müsse wissen, dass Hochsitze allein der Jagdausübung dienten und ihr Besteigen mit Gefahren verbunden sei. Daher komme es auch nicht darauf an, in welchem Zustand sich der Hochsitz befunden habe, ob er an einem Wanderweg gelegen sei und ob an ihm ein Warnschild angebracht gewesen sei. Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 12.11.1976 – 5 O 86/76 – (WuH 17/1993, S. 33)

Zwei Waldarbeiter verlegten ihre Frühstückspause auf eine Kanzel, weil es stark regnete. Die Kanzel brach zusammen, wodurch einer von ihnen schwer verletzt wurde. Seine Unfallversicherung verlangte Ersatz für ihre Leistungen, die sie dem Verletzten erbrachte.
Zwar sei der Besitzer eines Hochsitzes, so das Gericht, gegenüber Unbefugten grundsätzlich nicht verpflichtet, den Hochsitz so zu unterhalten, dass er von diesen gefahrlos bestiegen werden könne; jedoch treffe ihn dann die Verkehrssicherungspflicht, zumutbare Maßnahmen gegen ein Besteigen durch Unbefugte zu ergreifen, wenn nach den gegebenen Verhältnissen damit zu rechnen sei, dass der Hochsitz ohne solche Maßnahmen von Unbefugten bestiegen werde. Unterlasse der Besitzer des Hochsitzes solche Maßnahmen, so bestehe die Verkehrssicherungspflicht auch gegenüber Unbefugten.

Im gegebenen Falle hätte das Land (Staatsjagd) durch Anbringung eines Verbotsschildes unmissverständlich kenntlich machen müssen, dass eine Benutzung durch Unbefugte untersagt sei, zumal der Hochsitz an einer Kreuzung zweier Schneisen gestanden habe und dadurch gut sichtbar und leicht erreichbar gewesen sei. Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 25.09.1991 – 3 U 106/90 – (WuH 23/1993, S. 43)

V. Ergebnis

  • Der Eigentümer eines Hochsitzes haftet grundsätzlich nicht für Schäden, die Erwachsene durch unbefugtes Besteigen erleiden.
  • Die Rechtsprechung ist jedoch uneinheitlich; zum Teil verlangt sie ein Verbotsschild, wenn der Hochsitz in der Nähe eines Weges oder ähnlichem steht, obwohl doch jedem Erwachsenen klar ist, dass die Benutzung fremden Eigentums widerrechtlich ist.
  • Gegenüber Kindern gelten strengere Grundsätze: Ist aufgrund des Standortes verstärkt mit einer Benutzung durch Kinder zu rechnen (Nähe zu Spielplatz, Parkplatz, Ortsrand), so ist der Eigentümer verpflichtet, das Besteigen durch besondere Sicherungsmaßnahmen zu verhindern (zum Beispiel durch Entfernen der Leiter).



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