Ob im Mais, im Hafer oder in der Buchen-Kultur Wildschäden sind für jeden Pächter ein zentrales Problem. Zahlen oder nicht? lautet die Kernfrage, Informationen sind entscheidend. Damit Sie sich nicht im Paragraphen-Dschungel verirren, stellt Mark G. v. Pückler dieses wichtige Thema für Sie dar.
3. Der Schadensumfang
3.1 Kein Ersatz von Folgeschäden
Zu ersetzen sind nur Schäden, die an Grundstücken, Pflanzen und Früchten entstehen; weitergehende Schäden, die aufgrund der Beschädigung von Grundstücken an anderen Rechtsgütern eintreten, sind anders als im allgemeinen Haftpflichtrecht nicht ersatzpflichtig.
$(kursiv:Beispiele:)
Kein ersatzpflichtiger Wildschaden liegt vor, wenn der Bauer mit seinem Traktor über eine Wiese fährt und die Achse bricht, weil er mit dem Vorderrad in einen unsichtbaren Kaninchenbau geraten ist. Das gleiche gilt, wenn er mit dem Fuß hineintritt und sich dadurch am Knöchel verletzt.
Ebenso ist es, wenn Schwarzwild trotz ordnungsgemäß errichteter und unterhaltener Schutzvorrichtungen (s. u.) in einen Golfplatz eindringt und den hochwertigen Rasen zerstört, so dass dem Betreiber der Anlage wegen Unbespielbarkeit des Platzes ein hoher Verdienstausfall entsteht.
Zu ersetzen ist hier nur der Schaden am Grundstück (Rasen), nicht auch der Schaden am Betrieb Golfplatz. Letzterer tritt nicht am beschädigten Rasen ein, sondern an einem weiteren Rechtsgut, nämlich an dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Golfplatz.
Das ergibt sich einerseits unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes; denn in § 29 Abs. 1 S. 1 BJG heißt es z. B., dass bei der Beschädigung eines Grundstücks (nur) der Wildschaden zu ersetzen ist, also nicht auch jeder weitergehende Schaden. Noch deutlicher geht das aus den §§ 29 Abs. 2, 32 Abs. 2 und 34 S. 2 BJG hervor, wo ausdrücklich von Schäden an Grundstücken die Rede ist.
Andererseits folgt das auch zwingend daraus, dass die Schäden im Streitfalle vom Wildschadensschätzer zu schätzen sind. Dieser hat nach den landesrechtlichen Vorschriften u. a. die beschädigte Kulturart, die den Schaden verursachende Wildart und die Höhe des eingetretenen Schadens zu schätzen. Für weitergehende Schäden würde ihm jegliche Sachkunde fehlen. Die Begrenzung der Ersatzpflicht auf unmittelbar am Grundstück eingetretene Schäden entspricht einschließlich auch dem Schutzzweck der §§ 29 bis 35 BJG. Dieser besteht darin, dem Geschädigten, unabhängig von einem Verschulden des Pächters, Ersatz dafür zu gewähren, dass er das Wild auf seinen Flächen tolerieren muss, was zwangsläufig mit Schäden am Grundstück verbunden ist.
Dem stehen die §§ 249 ff BGB nicht entgegen; denn diese allgemeinen Bestimmungen finden hinsichtlich des Schadensumfanges nur insoweit Anwendung, als sich aus den Vorschriften über das Wildschadensersatzrecht und deren Sinn und Zweck nichts Gegenteiliges ergibt.
Das ist hier aber hinsichtlich Folgeschäden an anderen Rechtsgütern der Fall. Auch die Feststellung von Schadensursache und Schadenshöhe in einem gesetzlich formalisierten Verfahren ist eine Besonderheit des Wildschadensersatzrechts, die es im allgemeinen Haftungsrecht nicht gibt.
Einzige Erweiterung gegenüber Schäden an Grundstücken ist aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ausdehnung der Ersatz von Schäden an Erzeugnissen, die bereits vom Grundstück getrennt, aber noch nicht eingeerntet sind (§ 31 Abs. 1 BJG); sie sind ebenfalls zu ersetzen, obwohl sie nicht mehr Bestandteil des Grundstücks sind, im Gegensatz zu bereits geernteten Erzeugnissen.
Deshalb sind Schäden an Früchten, die auf dem Grundstück zum Abtransport lagern, zu erstatten, während Schäden an Erzeugnissen, die bereits in einer Scheune oder Miete eingelagert sind, von der Ersatzpflicht ausgeschlossen sind.
3.2 Kein Ersatz von Zweitschäden im selben Wirtschaftsjahr
Tritt ein Totalschaden so frühzeitig ein, dass der Landwirt noch eine andere Frucht ausbringen kann, die noch im selben Zeitraum anstelle der zerstörten zur Reife gelangt, so ist der Wert der Zweitfrucht nach Abzug der mit ihr verbundenen Aufwendungen vom Wildschaden an der Erstfrucht abzuziehen. Denn die Zweitfrucht darf nicht dazu führen, dass der Landwirt letztlich den Wert von zwei Ernten für denselben Zeitraum erlangt, einmal als Wildschadensersatz und einmal als die Ernte der Zweitfrucht.
$(kursiv:Beispiel:)
Bauer B bestellt sein Feld mit der Frucht X. Kurz darauf entsteht durch Schwarzwild Totalschaden. Jetzt bringt B wegen der fortgeschrittenen Zeit die Frucht Y aus (hierzu ist er aus Gründen der Schadensminderung verpflichtet, siehe unten), die noch im selben Zeitraum zur Ernte gelangt. Zu ersetzen sind: Totalschaden an der Frucht X abzüglich aller ersparter Pflege- und Ernteaufwendungen sowie abzüglich des Wertes der Frucht Y nach Abzug der damit verbundenen Kosten, da er die Ernte Y ohne den Totalschaden nicht erlangt hätte. Nicht zu ersetzen sind Wildschäden an der Frucht Y, da es sich hierbei um die Zweitfrucht handelt, diese Schäden vermindern lediglich die Höhe der Anrechnung.
4. Die Schadenshöhe
4.1 Ersatz in Natur oder Geldersatz
Die Höhe des zu ersetzenden Schadens bestimmt sich nach den §§ 249 ff BGB, soweit sich aus den speziellen Vorschriften des Wildschadensersatzrechts nichts anderes ergibt.
Deshalb ist grundsätzlich derjenige Zustand herzustellen, der ohne die Beeinträchtigung durch das Wild bestehen würde.
Geteilt sind die Meinungen zu der Frage, ob der Ersatzpflichtige den Schaden nur durch Geld oder auch durch Lieferung gleicher Früchte ersetzen kann (Mais gegen Mais, in gleicher Sorte und Güte). Für letzteres spricht, dass es sich bei Maisschäden u. ä. nicht um die Beschädigung einer individuellen Sache handelt, sondern um Schäden an einer vertretbaren (= ersetzbaren) Sache, so dass ein vollständiger Ausgleich durch die Ersatzlieferung bewirkt werden kann.
Maßgebend sollte daher sein, dass der Geschädigte so gestellt wird, wie er ohne die Beschädigung stehen würde, dann aber hätte er mehr Mais geerntet. Das entspricht auch am meisten dem im Schadenersatzrecht geltenden Grundsatz der Naturalrestitution (= Wiederherstellung in Natur). In erster Linie wäre hiernach also der Sachverlust auszugleichen, nur wenn das nicht möglich ist, wäre Geldersatz zu leisten.
Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass es in diesen Fällen nicht um die Zerstörung einer Sache (hier: Mais u. ä.) geht, sondern um eine Beschädigung des Grundstücks, weil Samen mit dem Aussäen und Pflanzen mit dem Einpflanzen wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden. Wird aber eine Sache (Grundstück) beschädigt, so kann der Geschädigte statt Naturalrestition Ersatz in Geld wählen.
4.2 Wildschadensschätzer
Im Streitfalle wird die Höhe des Schadens vom Wildschadensschätzer geschätzt; dieser hat in seinem Gutachten Angaben zu machen über (Landesrecht beachten)
- die beschädigte Kulturart (Mais, Hafer, Buchenkultur u.a.),
- die Wildart, die den Schaden verursacht hat (Schwarzwild, Rotwild, Wildkaninchen u. a.),
- die Größe der beschädigten Fläche (z. B. 0,3 ha),
- das Ausmaß der Beschädigung (z. B. 30%),
- ein etwaiges Mitverschulden des Geschädigten (z. B. fehlende Schutzvorrichtungen, Untersagung der Errichtung eines Elektrozaunes, verspätetes Ernten u. a.).
Schwierig zu bestimmen sind die Schäden im Wald, weil sich diese erst sehr viel später im Zeitpunkt der Hiebreife auswirken. Der Schaden besteht hier grundsätzlich in der geschätzten Differenz zwischen dem Wert eines gesunden und dem des geschädigten Bestands im Jahr der Endnutzung.
Diese Differenz wird anhand spezieller Berechnungsmethoden auf den Zeitpunkt der Schädigung zurückgerechnet. Bei einem Totalschaden an der Pflanze sind die Kosten der Nachpflanzung sowie der Zeitverlust im Wachstum u. ä. auszugleichen.
4.3 Erzeuger- oder Vermarktungspreis
In der Regel ist bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen der Erzeugerpreis zu ersetzen. Das ergibt sich aus § 31 BJG, wonach bei Bodenerzeugnissen derjenige Wert zu ersetzen ist, den diese im Zeitpunkt der Ernte haben. Von diesem Wert sind alle ersparten Aufwendungen abzuziehen (z. B. Ernte-, Transport-, Lager-, Sortierkosten u. a.), da sie wegen der Beschädigung entfallen sind.
Vermarktet der Landwirt seine Produkte selbst, so ist streitig, ob er statt des bloßen Erzeugerpreises auch den höheren Vermarktungspreis verlangen kann. Überwiegend wird diese Frage bejaht, weil in solchen Fällen der Wert der Früchte höher anzusetzen ist als der Erzeugerpreis. Durch einen Verkauf zugekaufter Fremdfrüchte an Stelle der eigenen kann dieser Schaden nicht ausgeglichen werden, weil die Käufer die Früchte gerade dieses Landwirts aus seiner Eigenproduktion erwerben wollen.
Die Mehrwertsteuer ist zum Schaden hinzuzurechnen, da ein Landwirt in der Regel nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (Landgericht Trier, Urteil vom 29. 09. 1988 3 S 320/87-). Eine etwaige Vorsteuerabzugsberechtigung muss sich der Geschädigte als Vorteilsausgleich anrechnen lassen.
5. Mitverschulden des Geschädigten
5.1 Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist (§ 254 Abs. 1 BGB).
Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, den Ersatzpflichtigen auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Ersatzpflichtige weder kannte noch kennen musste, oder dass er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 BGB).
Nach dieser allgemeinen Vorschrift muss sich der Geschädigte ein eigenes Mitverschulden am Eintritt des Schadens grundsätzlich schadensmindernd anrechnen lassen. Denn er ist verpflichtet, alle ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um einen bevorstehenden drohenden Schaden abzuwenden oder die Vergrößerung eines bereits eingetretenen Schadens zu verhindern (Pflicht zur Geringhaltung des Schadens).
Insbesondere ist es dem Geschädigten verwehrt, dem Eintritt oder der Ausdehnung eines Schadens untätig zuzusehen und anschließend vollen Ersatz zu verlangen. Vielmehr muss er seinerseits in zumutbarer Weise aktiv dazu beitragen, dass ein drohender Schaden abgewendet und ein bereits eingetretener Schaden nicht vergrößert wird. Er muss sich also im Prinzip so verhalten, wie er sich vernünftigerweise in eigener Sache verhalten würde, z. B. wenn der Schaden nicht durch Wild, sondern durch ein Gewitter, Frost, Schädlinge u. ä. eingetreten wäre.
Eine unterlassene Zäunung bei Feldfrüchten und Kulturen mit ausschließlich Hauptholzarten stellt allerdings kein Mitverschulden dar, weil der Geschädigte nur Sonderanbau und Kulturen mit Nichthauptholzarten durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen schützen muss (s. u.).
Die Höhe des anzurechnenden Mitverschuldens hängt davon ab, in welchem Umfang der Geschädigte den Eintritt des Schadens verursacht hat; je mehr sein Verhalten zum Schadenseintritt beigetragen hat, desto höher ist sein Mitverschulden zu bewerten mit der Folge, dass sich sein Ersatzanspruch entsprechend vermindert (z. B. um 20 Prozent, 50 Prozent, 70 Prozent u. a.).
Schwierigkeiten bereitet immer wieder die Frage, ob ein Mitverschulden vorliegt, wenn ein Landwirt sein unmittelbar am Wald gelegenes Feld mit besonders gefährdeten Früchten (z. B. Mais) bebaut. Grundsätzlich ist hierzu zu sagen, dass ein Landwirt sein Feld nach freier Entscheidung bestellen kann, solange dies ordnungsgemäßer Landwirtschaft entspricht. Niemand kann ihn also daran hindern, auch am Waldrand Mais anzubauen, selbst wenn er an anderer Stelle ebenso geeignete, aber weniger gefährdete Flächen besitzt.
Die Grenze wird erst erreicht, wenn er die besonders gefährdeten Früchte gerade deshalb am Waldrand anbaut, um den Jagdausübungsberechtigten zu schädigen (§ 226 BGB, Schikaneverbot). Allerdings ergeben sich aus einem Anbau auf besonders gefährdeten Flächen erhöhte Pflichten, um ein Mitverschulden zu verhindern, z. B. die rechtzeitige Mitteilung von der Aussaat oder vom Eintritt der Milchreife, damit der Jagdausübungsberechtigte sobald wie möglich durch verstärkte Bejagung u. a. den Eintritt von Schäden verhindern kann, ferner die Freilassung einer Schussschneise gegen Ersatz des dadurch entstehenden Ernteausfalls u. ä. (s. u.).
5.2 Mitverschulden nach § 31 Abs. 2 S. 2 BJG
Einen speziellen, wildschadenstypischen Fall des Mitverschuldens regelt § 31 Abs. 2 Satz 2 BJG. Danach ist bei der Feststellung der Schadenshöhe zu berücksichtigen, ob der Schaden nach den Grundsätzen einer ordentlichen Wirtschaft durch Wiederanbau im gleichen Wirtschaftsjahr ausgeglichen werden konnte.
Ist das der Fall, so hat der Ersatzpflichtige nur die Kosten der Nachbestellung und einen evtl. Minderertrag zu ersetzen; hat der Geschädigte eine Nachbestellung unterlassen, obwohl sie noch möglich gewesen wäre, so vermindert sich sein Ersatzanspruch um den Betrag, den er bei einer rechtzeitigen Nachbestellung erzielt hätte, abzüglich der Kosten der Nachbestellung (s.o. 3.2).
5.3 Beispiele von Mitverschulden des Geschädigten
Ein Mitverschulden des Geschädigten liegt vor,
- wenn die Ernte schuldhaft verspätet geerntet wurde, so dass die Frucht länger als notwendig der Gefahr von Wildschäden ausgesetzt war (Amtsgericht Stromberg, Urt. vom 30. 06. 1966 – 2 C 274/64 -);
- wenn Aussaat und Milchreife bei Mais dem kenntnislosen Jagdausübungsberechtigten nicht mitgeteilt werden, obwohl es sich um ein durch seine Lage besonders gefährdetes Feld handelt, an dem in den vergangenen Jahren wiederholt Wildschäden eingetreten waren (Amtsgericht Betzdorf, Urt. v. 14. 01. 1998 – 11 C 378/96 -; WuH 16/1999, S. 54);
- wenn der Schaden durch rechtzeitiges Nachsäen/Nachpflanzen hätte vermindert werden können (Landgericht Verden/Aller, Urt. v. 16.05.1984 – 2 S 424/83 ; WuH 12/1988, S. 30 und 13/1988, S. 26);
- wenn der Landwirt selbst die Rotte Sauen im Feld gesehen oder gehört hat, er also weiß, dass gegenwärtig ein Schaden entsteht, und gleichwohl den Jagdausübungsberechtigten nicht unverzüglich davon in Kenntnis setzt, sondern untätig bleibt.
$(kursiv:(folgt „Klarheit bei Wildschäden (3)))