ANZEIGE

Es gibt sie … noch

3745

GROSSTRAPPEN IN DEUTSCHLAND

Raubwild und intensive Landwirtschaft setzen dem imposanten Flugwild stark zu. Um die Letzten ihrer Art zu retten, ziehen Jäger und andere Naturschützer an einem Strang.

Dorothée März

Foto: Jaroslav Vogeltanz

Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts zogen ab Ende März die Jäger Brandenburgs zur Pirsch auf den balzenden Großtrappenhahn. Heute wäre das undenkbar, denn das bis zu 16 Kilogramm schwere Flugwild zählt zu den am stärksten gefährdeten Arten Deutschlands. Während es in ganz Europa, einschließlich Russland, noch schätzungsweise 40 000 Stück gibt, ist die mit den Kranichen verwandte Großtrappe hierzulande akut vom Aussterben bedroht. Sie genießt aus diesem Grund eine ganzjährige Schonzeit. Von etwa 4 000 Trappen, die 1940 noch in Mitteldeutschland gezählt wurden, ist ihre Zahl bis Mitte der 1990er Jahre bundesweit auf etwa 57 Vögel gesunken.

„Die Großtrappe gehört zu den derzeit am schwierigsten zu schützenden Vögeln in Deutschland“, so die besorgten Worte des Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburgs, Dr. Torsten Langgemach. Als Bewohner der Agrarlandschaft war dieses Flugwild von der Intensivierung der Landwirtschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts besonders stark betroffen. Immer häufiger auftretende Störungen sowie der zunehmende Einsatz von Maschinen und Chemikalien veränderten grundlegend die ökologischen
Bedingungen. Zahlreiche brütende Trappenhennen, Gelege und Küken fielen dem zum Opfer. Ehemals artenreiches Grünland wich intensiver Saatgraswirtschaft. Bunt blühende Wiesen, Ackerbrachen und Feldränder verschwanden und damit auch das reichhaltige Angebot an Insekten, das für Trappenküken zur gesunden Entwicklung notwendig ist. Vor allem in den ersten Lebenswochen nehmen die Jungvögel ausschließlich Insekten zu sich, ehe sie sich später zum Großteil vegetarisch ernähren.

Großtrappen benötigen viel Platz, eine offene und gut einsehbare Landschaft; je weniger Infrastruktur desto besser. Doch wo gibt es das hierzulande noch? Überlebt hat die Art nur dort, wo es intensive Bemühungen um den Schutz der Vögel und ihrer Lebensräume gibt. Mit den regelmäßig genutzten Überwinterungsgebieten können heute noch circa 50 000 Hektar als Lebensraum der Großtrappe gelten – das entspricht knapp einem Prozent des ehemaligen Lebensraumes in Deutschland. Die Kernlebensräume mit den wichtigsten Brutflächen sind jeweils als Europäische Vogelschutzgebiete in den drei Einstandsgebieten Havelländisches Luch, Belziger Landschaftswiesen (Brandenburg) sowie Fiener Bruch (Sachsen-Anhalt) gesichert. Die Umweltministerien der Länder Brandenburg und Sachsen Anhalt, mit den Staatlichen Vogelschutzwarten als Koordinierungsstellen, sowie der Förderverein Großtrappenschutz e.V. setzen sich intensiv für den Erhalt des imposanten Wildes ein. Gezielte Schutzmaßnahmen ließen den Großtrappenbestand bis heute wieder auf über 140 Stück ansteigen.

Auch in mehreren internationalen Artenschutzabkommen und Netzwerken zum Erhalt der Tier- und Pflanzenwelt ist der Großtrappenschutz verankert. Neben der Europäischen Vogelrichtlinie über die Erhaltung wildlebender Vogelarten und ihrer Lebensräume sowie dem europaweiten Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ sorgt ein eigens für die Großtrappe entstandenes „Memorandum of Unterstanding“ für eine grenzübergreifende Erforschung und Koordination der Schutzmaßnahmen in Mitteleuropa. Und diese Bemühungen lohnen
sich – nicht nur für den Erhalt der Großtrappe als heimische Wildart, sondern auch im Hinblick auf die Bedeutung der Trappe für den Erhalt der Biodiversität in ihrem Lebensraum. Eine ganze Reihe von Arten der Agrarlandschaft, wie zum Beispiel der Feldhase, der Große Brachvogel oder das Rebhuhn profitieren ebenfalls von üppig blühenden Feldkanten und strukturreichen Ackerbrachen sowie von Mahd-Einschränkungen, die den Verlust der Jungtiere deutlich herabsetzen.

Seit September 2011 wird im Fiener Bruch intensive Fangjagd betrieben, um den Trappenbestand zu schützen. Bisher wurden über 250 Stück Haarraubwild erbeutet. Den größten Streckenanteil haben Waschbären. Foto: Eike Mross

Zum Erhalt der Großtrappe im Fiener Bruch stellt das Land Sachsen-Anhalt für den Zeitraum von 2009 bis 2013 etwa 500 000 Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfond zur Verfügung. Im Rahmen eines Schutzprojektes vor Ort koordiniert der Förderverein Großtrappen schutz e.V. mit diesen Mitteln zielgerichtete Maßnahmen, um Lebensräume zu gestalten und die Bestände zu stützen.

Grundlegende Schutzarbeiten wurden bereits zuvor im Rahmen eines Life- Projektes der EU durch die anhaltinische Naturschutzbehörde durchgeführt. Der Summe dieser Maßnahmen ist es zu verdanken, dass sich in einigen Bereichen des Fiener Bruchs die Lebensraumbedingungen
für die Großtrappen deutlich verbessert haben. Durch Koordination von Flächenbewirtschaftung und Mahd- Terminen im Brutgebiet sind Verluste von brütenden Hennen oder Großtrappen -Gelegen durch menschliche Störung oder Landwirtschaftsarbeiten äußerst selten geworden. Umso wichtiger ist deshalb eine gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Agrarbetrieben.

Viele Insektizide, wenig Insekten: Das erschwert den Küken das Überleben. Foto: Förderverein Großtrappenschutz e.V.
Die Trappenhenne legt bis zu drei Eier und brütet etwa 25 Tage. Foto: Jörg Fischer

REISETIPP

„Trappen-Jagd“ mit dem Glas

Streichende Trappen: Ihre Schwingenspannweite kann bis zu 2,5 Meter betragen. Foto: Hinrich Bäsemann

Besonders gut beobachten lassen sich die Großtrappen zur Balzzeit, vor allem in den Morgen- und Abendstunden während der Monate April und Mai. Hierzulande bietet der Förderverein Großtrappenschutz e.V. während der Balzzeit im Havelländischen Luch einen Besucherservice sowie geführte Exkursionen an. Wer noch mehr über das Schutzprojekt im Fiener Bruch erfahren möchte, sollte am 12. Mai 2013 den „Tag der Großtrappe“ auf dem Königsroder Hof im Zentrum des Schutzgebietes nicht verpassen! Weiterführende Informationen erhalten Sie auf der Homepage des Fördervereines www.grosstrappe.de, per Email unter info@grosstrappe.de oder telefonisch unter 033878-60194.

Im Einstandsgebiet Fiener Bruch hat sich der Bestand von einem absoluten Tiefpunkt mit fünf Tieren um den Jahrtausendwechsel bis heute auf 46 Trappen erhöht. Der gegenwärtige Zuwachs der Population entsteht dort bisher überwiegend durch die jährliche Auswilderung von Jungvögeln, die in der Vogelschutzwarte Brandenburgs per Hand aufgezogenen und dann in den Wildbestand des Fiener Bruchs integriert werden. Kurzfristig erweist sich diese Methode als sehr erfolgreich. Langfristig zielt der Trappenschutz im Fiener Bruch jedoch auf die Sicherung des Bestands durch einen ausreichend hohen Bruterfolg ab.

Für die Nachwuchsprobleme bei der Großtrappe sorgt seit Anfang der 1990er Jahre vor allem ein stark angestiegener Prädationsdruck. Dieses Schicksal teilen die Trappen mit zahlreichen anderen Bodenbrütern und Niederwildarten. Vor allem, wenn in Schutzgebieten erfolgreich eine hohe Biodiversität und reichlich Struktur geschaffen werden, können diese Areale leicht eine Magnetwirkung für Beutegreifer entwickeln. Denn dort ist der Tisch für sie reich gedeckt.

Untersuchungen mit Thermologgern – elektronischen Thermometern, die Datum und Temperatur des einzelnen Vogels dokumentieren – haben beim Kiebitz und dem Großen Brachvogel in den brandenburgischen Trappengebieten gezeigt, dass es überwiegend nachts zu Verlusten von Gelegen kommt. Dieses Ergebnis lässt sich direkt auf die Situation der tagaktiven Großtrappen im Fiener Bruch übertragen. Als nächtliche Nesträuber sind hierbei keinesfalls nur die heimischen Raubsäugerarten wie Fuchs, Dachs und Marder zu nennen, sondern auch zugewanderte Arten, wie Waschbär, Marderhund und Mink. Zahlreiche Beobachtungen belegen, dass tagsüber zusätzlich Rabenvögel für Gelege- und Kükenverluste sorgen.

Es ist die Summe an generalistischen Prädatorenarten und deren zum Teil deutlich erhöhte Dichte, die es unmöglich machen, die Großtrappe alleine durch eine trappenfreundliche Landschaftspflege zu erhalten. Dass die Senkung des Prädationsdruck die Nachwuchszahlen steigen lässt, zeigen fuchssichere Einfriedungen in den Brutgebieten der Großtrappe. Im Fiener Bruch sorgen zwei Zaunanlagen auf etwas mehr als 30 Hektar dafür, dass ein Großteil der Prädatoren ausgeschlossen wird. Ein Bonus, der nicht nur von einigen Großtrappenhennen zur Brut und Kükenaufzucht angenommen wird, sondern
auch von anderen Bodenbrütern wie dem Kiebitz und der Sumpfohreule.

Um den Schlupferfolg der Großtrappengelege auch außerhalb der Schutzzäune zu verbessern, kommen seit 2011 auch Lebendfangeinrichtungen für Raubsäuger zum Einsatz. Gemeinsam mit der Koordinatorin des Projektes fangen die ortsansässigen Revierpächter
seit 1. September 2011 mit 24 Holzkastenfallen im Kerngebiet der Trappen. Die Dokumentation von Wildart, Geschlecht und Alter sowie Erlegungsdatum und Fallenstandort je Fang schafft eine wichtige Datengrundlage für wissenschaftliche Auswertungen und weitere Untersuchungen zur Erfolgskontrolle.

Die drei deutschen Großtrappen-Schutzgebiete (rot) im Überblick

Von September 2011 bis Ende 2012 wurden im Fiener Bruch insgesamt 250 Raubsäuger mithilfe der Kastenfallen erlegt. Auffällig bei der Streckenverteilung ist, dass der Anteil der Neozoen mit 73 Prozent sehr hoch ist. Mehr als die Hälfte aller Fänge waren Waschbären. Das überraschte vor allem auch die örtlichen Jäger. Der Streckenanteil der Füchse liegt derzeit bei etwa 15 Prozent. Die bisherigen Fangzahlen zeigen zwar auf, dass die Jagd mit der Falle zu einer deutlichen Erhöhung der Raubwildstrecke im Fiener Bruch beigetragen hat. Aus Erfahrungen mit der Fuchsbejagung zu Gunsten der Großtrappe im Havelländischen Luch steht jedoch fest, dass im Fiener Bruch eine weitere Intensivierung der Raubsäuger-Bejagung und deren Kontinuität notwendig sind, um eine Steigerung der Nachwuchsrate bei der Großtrappe und den anderen im Gebiet vorkommenden Bodenbrütern langfristig zu erreichen.

Aus diesem Grund wird momentan die Anzahl der Fallen im Kerngebiet der Großtrappen erhöht. Elf zusätzliche Wipp-Betonrohrfallen sollen die Zahl der Fänge zukünftig noch steigern. Die Hinzunahme eines zweiten Fallentyps zielt auf ein möglichst breites Artenspektrum der Fangstrecke ab. Seit kurzem helfen elektronische Fangmelder dabei, die Fallen möglichst waidgerecht und effizient zu betreiben.

Regelmäßige Treffen ermöglichen es den beteiligten Jägern, sich über aktuelle Entwicklungen im Schutzprojekt zu informieren und sich über ihre Erfahrungen im Einsatz der Fallen auszutauschen. Zudem werden Informationsveranstaltungen zur effektiven Raubwildbejagung abgehalten, zum Beispiel zur Planung von Baujagden oder zur Krähenjagd mit dem freundlichen Lockbild. Mit diesen Jagdarten können die örtlichen Jäger, neben der Ansitzjagd, zusätzlich dazu beitragen das Vorkommen von Beutegreifern zu senken. Auch das Verwerten des erlegten Wildes soll künftig noch stärker gefördert werden. Geplant sind etwa Kurse, in denen der Jägerschaft das Streifen des Haarraubwildes nochmals näher gebracht wird. Ziel ist es, die Symbiose zwischen Jagd und Trappenschutz weiter zu erhalten und auszubauen.

Die tagaktiven Großtrappen leben außerhalb der Balz in getrenntgeschlechtlichen Gruppen. Sie ernähren sich vorwiegend vegetarisch. Aber auch Mäuse und Insekten verschmähen sie nicht. Foto: Dorothée März
Quelle: Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg

DIE AUTORIN

Dorothée März

Seit Frühjahr 2011 arbeitet sie im Fiener Bruch als Koordinatorin des Schutzprojektes „Großtrappe“ für den Förderverein Großtrappenschutz e.V. Die Baden-Württembergerin studierte Forstwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Dorothée März ist selbst Jägerin und Hundeführerin.

Foto: Privat
ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot