Er ist eine wahrlich aristokratische Erscheinung und erfreut sich auch in Deutschland einer zunehmenden Zahl von Hundeführern. Denn Leistung bringen die italienischen Vorstehhunde nicht nur zwischen Zypressen und Olivenhainen. Von Stephan Wunderlich.
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Bild: Stephanie Turion |
„Was schleppst du denn da an? Kannst du nicht wie jeder andere auch einen normalen Hund führen?“ Soweit der O-Ton beim Welpenkurs. „Nein. Kann ich nicht und werde ich auch nie mehr.“ Zwischenzeitlich ist es zwölf Jahre, neun Welpen und aktuell die zweite Hündin her, dass ich mein Herz an Italien verloren habe. Nicht nur an „Cinghiale in agrodolce“, dem allgegenwärtigen Wildschweinragout mit Pflaumen aus der Toskana, einen herrlichen Chianti oder den Blick auf die Altstadt von Siena. Nein, mein Herz schlägt auch für eine Hunderasse aus dem südeuropäischen Land.
„Bracco Italiano“ – schon der Name strahlt aus, wonach ich vor der Anschaffung meiner ersten Hündin gesucht hatte: Ruhe, Gelassenheit und eine Riesenportion südländischer Charme. Bei der Suche nach einer Alternative zu Vorstehhunden, wie Drahthaar, Kurzhaar, Kleinem Münsterländer oder Pointer, für die Jagd „unter dem Beizvogel“ stolperte ich mehr aus Zufall über alte Stiche und Abbildungen auf Wandteppichen aus dem 14. Jahrhundert. Diese zeigten einen Hund, der eine wilde Mischung aus Hubertushund, Pointer und Deutsch-Kurzhaar zu sein schien. Von allen kontinentalen Vorstehhundrassen hat sein Äußeres den Typus des alten Leithundes bewahrt.
Die Bezeichnung „Bracco“, also Bracke, unterstreicht diese Einschätzung. Denn unter diesem Begriff wurden ursprünglich alle Spür- und Leithunde zusammengefasst. Im ausgehenden Mittelalter wurde diese Bezeichnung in Italien, aber auch in Frankreich, auf alle Vorstehhunde erweitert. Der Begriff findet sich heute noch im Namen Braque Français oder Braque du Bourbonnais.
Weitere Recherchen ergaben, dass die Bilder auf den Wandteppichen eine der ältesten Jagdhunderassen Europas zeigten. Schließlich reichen die Wurzeln des Bracco Italiano bis in das fünfte Jahrhundert v. Chr. zurück. Schon Xenophon beschrieb zu dieser Zeit die Rasse. Jagdlich wurden diese Hunde hauptsächlich zur Vogeljagd mit Netzen und als vierläufige Helfer bei der Beizjagd mit dem Falken eingesetzt.
1591 beschrieb der italienische Adlige Erasmo da Valvasone in „La Caccia“, einem Gedicht über die Jagd, einen Hund als Vorsteher und selbstständig jagenden Gebrauchshund für jedes Gelände, der dem Bracco Italiano ähnelte. Robust und äußerst ausdauernd im Verfolgen allen Wildes – was er in den weiten Ebenen des Pos und den steinigen Höhen Apuliens bei extrem hohen Temperaturen auch sein musste.
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Bild links: Auch wenn er nicht aussieht wie ein typischer Schwimmer, bei der Wasserarbeit fühlt sich der Bracco Italiano wohl.Bild rechts: Der weiche Griff des großen Italieners macht ihn zum guten und sicheren Apportierer.Foto: Stephanie Turion |
Die Geschichte der heutigen Form der Bracci Italiani geht zurück bis weit ins 18. Jahrhundert. Zu dieser Zeit gab es noch zwei verschiedene Typen: den kastanienbraunen Bracco Lombardo und den Bracco Piemontese mit orangenen Abzeichen.
Nicht nur in den Farben, sondern auch im Bewegungsablauf unterschieden sich diese Schläge. Während der Lombardo einen eher trabenden, raumgreifenden und sehr eleganten Laufstil zeigte, war der Piemontese für die Jagd im hügeligen und bergigen Gelände des Piemonts gezüchtet worden. Trittsicherheit und Robustheit waren die Aspekte, auf die bei diesem Schlag mehr Wert gelegt wurde. Später wurden beide Typen gekreuzt. Aus dieser Zucht resultiert die heutige Form des Bracco Italiano. In den 1930er-Jahren schlossen sich Züchter und Liebhaber des Bracco Italiano zum Zuchtverband Società Amatori Bracco Italiano, kurz S.A.B.I., zusammen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Rasse beinahe ausgestorben. Durch die Definition der noch heute beim Welthundeverband FCI gültigen Rassestandards vom 19. Februar 1949 durch den ENCI, dem italienischen Rassehunde-Verband, blieb die Vorstehhundrasse erhalten. Auch heute existiert noch ein leichter, hochläufiger sowie ein schwerer Schlag. Beide Varianten sind in der Zucht zulässig.
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Schon der Welpe zeigt den gleichen markanten und aristokratisch anmutenden Ausdruck wie die Mutterhündin.Foto: Ala D’Oro Kennel. |
Großer Wert wird auf den Ansatz der langen Behänge, die „ohne Ziehen den vorderen Rand des Nasenschwammes“ erreichen sollen, den fast tonnenförmigen Brustkorb, die Modellierung des Kopfes und die leichte Wamme am Hals gelegt.
Soll er seiner Bestimmung gemäß zu einem vollwertigen Jagdgebrauchshund abgeführt werden, ist in der Ausbildung des jungen Bracco eines unbedingt zu beachten: Die Bracci sind wahrhafte Spätentwickler und wirken zeitweise fast phlegmatisch. Erst mit zweieinhalb Jahren sind sie wirklich voll ausgereift. Bracci sind sehr lernwillig – wer aber glaubt, bei ihnen mit Druck weiterzukommen, wird schnell vor schier unlösbare Aufgaben gestellt. Bracci merken sich ausnahmslos alles. Negative Erfahrungen werden meist nicht verziehen.
Der Bracco Italiano braucht eine weiche, stets liebevolle Hand und eine Stimme, die sich nur in Ausnahmen über Zimmerlautstärke erheben sollte. Ein lauter als üblich gehaltenes „Nein“ reicht meist vollkommen aus, um den sensiblen Vorstehhund zu sanktionieren.
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Foto: Ala D´Oro Kennel |
Unter diesen Voraussetzungen schafft man sich einen extrem führerbezogenen und leichtführigen Jagdbegleiter, der sich für keine Aufgabe zu schade ist. Egal ob im dichten Dornenteppich gestöbert wird, wobei die Maske des Hundes zum Schutz über die Augen fällt wie bei einem Bloodhound, Enten aus dem Wasser apportiert werden sollen oder eine Nachsuche ansteht – die Italiener gehen mit stoischer Ruhe, aber ausdauernder Passion an ihr Werk. Nie unüberlegt und immer mit „Köpfchen“. Sinnloses Drauflosstürmen kennen sie nicht. Immer wieder suchen sie Kontakt zum Führer und halten diesen während der Suchengänge.
Ihre wahre Herkunft, das Herrschaftliche, zeigen sie aber beim Vorstehen. Dann traben sie flott in der ihnen ganz eigenen Gangart, dem „trotta“. Sobald sie Wildwittrung in die Nase bekommen, frieren sie ein zu Statuen, wie sie schöner nicht in den Uffizien in Florenz zu finden sind. Die Wittrung förmlich kauend ziehen sie nach, um in der Folge in perfekter Vorstehpose mit waagrecht gehaltener Rute zum Point zu kommen. Dann hat der Führer alle Zeit der Welt, sich und eventuell den Vogel, den er trägt, fertigzumachen und das Aufstehen der Hühner, Wachteln oder des Fasans abzuwarten.
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Ruhig zieht dieser Bracco nach, um seinem Führer das Wild anzuzeigen.Foto: Ala D’Oro Kennel. |
Wenn der Bracco vorsteht, dann steht er bis zum jüngsten Gericht. Diese Anlage ist schon beim jungen Welpen in den ersten Lebenswochen zu erkennen, wenn zuerst alles Unbekannte, später dann das Apportel an der Reizangel entsprechend quittiert wird. Dies gilt es nur noch herauszuarbeiten – mühsam beibringen muss man es ihm jedoch nicht.
Wo viel Licht ist, fällt auch viel Schatten. Und so können die Bracci Italiani einen häufig zum Verzweifeln bringen. Gerade dann, wenn man von den kleinen „Prinzessinnen“ in der ersten Phase der Ausbildung zu viel verlangt und sich nicht in Geduld übt. Glücklicherweise geht die Liebe der Bracci sprichwörtlich durch den Magen. Mit Futter und einem ab und zu als Belohnung eingesetzten Leckerli lassen sich die manchmal etwas stur und phlegmatisch wirkenden Italiener sehr gut steuern.
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Seine innere Gelassenheit macht den Bracco zum angenehmen Jagdbegleiter.Foto: Stephanie Turion |
Wer eine mehrköpfige Familie mit der Jagd unter einen Hut bringen will, hat in einem Bracco den perfekten Begleiter. Ihren fast aristokratisch wirkenden Feinmut legen sie nämlich auch im Umgang mit Kindern an den Tag. Sie sind einfühlsam, Fremden gegenüber distanziert, aber nicht ablehnend. Zu Hause nimmt man sie nur dann wahr, wenn sie wahrgenommen werden wollen. Ein Freund charakterisierte meine erste Hündin einmal scherzhaft als „Valium auf vier Läufen“. Auf der Jagd ändert sich dieses Verhalten wie auf Knopfdruck. Im Nu haben die Bracci ihr Gemüt von „Fiat“ auf „Ferrari“ umgeschaltet.
Die junge Hündin, die sich nun an meiner Seite befindet, bekommt ein klassisches Betätigungsfeld: Kanin, Fasan und Hühner. Das alles nicht nur unter der Flinte, sondern auch unter dem Beizvogel.