Gabriele Fährmann
Der Bretonische Vorstehhund ist in Deutschland noch ein Exot auf den Niederwildjagden. In Frankreich oder auch in den Vereinigten Staaten hat sich der kleinste Vorstehhund längst einen festen Platz im Jagdhundelager erarbeitet.
Die Haltung eines Jagdhundes ist für viele Jäger nicht mehr selbstverständlich. Nicht jedem steht überhaupt ein Revier zur Verfügung, in dem er seinen Vierläufer angemessene Arbeit bieten kann. Und längst vorbei sind die Zeiten, als der Jäger über Haus und Hof mit allerlei Gelaß und Gewese gebot zur Unterbringung von Pferd und Jagdwagen und guten Möglichkeiten für Haltung und Einsatz von Hühnerhund, Saupacker und Teckelmeute.
Immer mehr zwingen in der heutigen Zeit Jagd-, Haus- und Wohnungsverhältnisse zur Beschränkung auf einen, den Vollgebrauchshund, der noch dazu nicht allzu groß sein sollte. Jedenfalls nimmt das Interesse am „handlichen“ Jagdgebrauchshund ständig weiter zu, und der Bretonische Vorstehhund (Epagneul Breton) – der mit seinen maximal 51 Zentimetern Schulterhöhe kleinste Vorstehhund überhaupt – „bedient“ somit diese Wünsche. Ein Behelf also? Ein vermeintlich „halber Hund“, der wenig Raum, Futter und Arbeit bedeutet, aber auch nur halbe Leistung? Weit gefehlt! Der Bretone, wie er kurz genannt wird, ist ein
Vollgebrauchshund par excellence und überrascht auch in unseren Revieren auf Prüfungen sowie im praktischen Jagdgebrauch immer wieder. Nicht zuletzt durch die Allroundqualitäten, die man einem Hund dieser Größe auf den ersten Blick nicht so leicht zutraut.
Nicht umsonst lautet der Leitspruch des Muttervereins in Frankreich, dem Herkunftsland des kleinen Jagdgefährten: „Höchste Leistung bei geringster Größe“. Der Bretone nahm seit seiner Einführung in Deutschland vor nunmehr über 25 Jahren den Wettbewerb mit den deutschen Jagdgebrauchshunden erfolgreich auf. In seinem Ursprungsland scheut er bei den großen Field Trials ebenfalls nicht die Konkurrenz mit den berühmten Engländern, den Griffons und der Braque Allemande, unserem Deutsch-Kurzhaar, der im Nachbarland seit dem letzten Kriege zunehmend Freunde gefunden hat.
Die Geschichte des Bretonen als Jagdhund geht weit zurück. So schreibt der griechische Dichter Oppianus in seinem Buch „Kynogetika“ über die Jagd in der wilden Bretagne, Urheimat der kleinen Rasse: „Dieser Hund ist schlank und gut behaart. Sein Geruchssinn
übertrifft den aller Hunde“. Wie die Spaniels in England und die Ahnen unseres Wachtelhundes in Deutschland wurde der Bretone schon im Mittelalter in seiner Heimat als Vogelhund eingesetzt. Die Bezeichnung Epagneul rührt im übrigen vermutlich daher, dass vor Erfindung der Schusswaffen mit dem Tyras, dem Wurfnetz, gearbeitet wurde. Dabei
sank der Jagdhund vor dem Wild nieder und verharrte in Down-Lage, lag also vor, bis der Jäger Wild und Hund mit dem Wurfnetz gebunden hatte. Dieses Vorliegen heißt im Altfranzösischen „s´épagnir“. Die spätere Entwicklungsgeschichte zeigt Parallelen zu anderen vergleichbaren Jagdgebrauchshunden, wie auch zum Kleinen Münsterländer Vorstehhund, den die Franzosen bezeichnenderweise Epagneul de Munsterland nennen, und dessen direkte Vorfahren, wie Spion, Magisterhündchen, Wachtelhund. Dies waren alles kleine ausdauernde Helfer, die sowohl auf Haar- wie auf Federwild jagten.
In der Bretagne konnte sich nur vererben, was die Robustheit besaß, um auf hartem, granitenem Fels mit dichtem, dornigen Bewuchs und im rauen Atlantikklima zu bestehen und dabei noch Schwerstarbeit als Jagdgehilfe leistete. Bis zur Jahrhundertwende war die Urform des Bretonen ein derber, gedrungener Arbeitstyp mit kraftvollen Bewegungen ohne Anspruch auf Eleganz. Seinerzeit ergab sich die Einkreuzung von Englischen Settern aus den
Zuchtlinien von Edvard Laverack. Aber diese Entwicklungsphase der Rasse wird überlagert von Legenden und Widersprüchen. So gibt es eine Version, nach der britische Jäger im Herbst zu den weitbekannten Schnepfenjagden in die Bretagne kamen und das Jahr über ihre eingejagten Setter dort beließen, um den strengen englischen uarantänebestimmungen zu entgehen. Jean Servier andererseits berichtet in seinem Buch „Meilleurs Chiens de Chasse“ von einem Jagdaufseher des Vicomte G. de Pontavice,
der seinem Epagneul-Rüden die Setterhündin des Dienstherrn zuführte. Aus dieser Verbindung fiel unter anderem eine weiß-rote Hündin mit natürlicher Stummelrute, die sich jagdlich als hervorragend erwies. Sie wurde abermals von einem Epagneul-Rüden gedeckt, und der daraus resultierende Wurf übertraf jagdlich alle Erwartungen. Deshalb kam der Vicomte de Pontavice, der ursprünglich überzeugter Settermann war, von seinen Engländern ab. Er wandte sich den neuen „Wunderhunden“ zu, in denen sich die Qualitäten beider Rassen potenzierten – Robustheit und Jagdpassion des Bretonen einerseits und Suchenstil, Vorstehmanieren sowie die Eleganz des Setters andererseits. Die Entstehung des heutigen Typs eines Bretonen hat im übrigen in der deutschen Jagdkynologie eine recht ähnliche und vergleichbare Parallele im Pudelpointer. Wobei die Verbindung Pudel und Pointer einen weit mutigeren Entschluss der Schöpfer dieser Rasse erforderte. Der offizielle Rassestandard des Welthundeverbandes (FCI) vom 18. Februar 1960 legt fest, dass das Haar des Bretonen halblang zu sein hat, die Färbung weiß-rot bis weiß-kastanie. Die Farbschläge weiß-schwarz und trikolor (dreifarbig) sind inzwischen ebenfalls stark verbreitet, der Farbschlag weiß-braun eher seltener. Der weiß-rote Hund, auch als Schimmel, galt jedenfalls als der „eigentliche Bretone“, ein für den deutschen Jäger zwar ungewohntes, aber sehr hübsches Farbspiel, das den kleinen Burschen im Übrigen auch
bei hohem Bewuchs etwas leichter ausmachen lässt. Die Länge der Rute beträgt laut
heute international gültigem Rassestandard maximal zehn Zentimeter. Teilweise werden Bretonen auch mit Stummelrute gewölft, was allerdings in den französischen Zuchten früher weitaus häufiger vorkam als heute. Die Maximalgröße des Rüden beträgt 51 Zentimeter Schulterhöhe, plus einen Zentimeter Toleranz; alles darüber Hinausgehende bedeutet den Zuchtausschluss. Diese strenge Maßnahme ist züchterisch sehr wichtig.
Als klassischer Feld-, Vorsteh- und Vollgebrauchshund, wie er vom Jäger zumeist
gefordert wird, erweist sich der Bretone heute. So ähnlich diese Rasse in Erscheinungsbild
dem Springerspaniel ist, darf sie nicht als Stöberhund angesehen werden. Der ständige Einsatz im Wald beim Stöbern aber auch Buschieren kann auf Kosten sauberer Vorstehmanieren gehen. Auch der Laut ist im Vergleich mit reinen Stöberrassen nicht vorrangig ausgeprägt. Die Suche ist weit und schnell. Sie muss auf das rechte Maß zurückgeschraubt werden nach der alten Regel „Kurzmachen kannst du ihn – aber wehe wenn du ihn schieben musst …“. Bei der Suche mit hoher Nase ist die Nasenleistung erfahrungsgemäß unübertroffen. Da darf bei der Gesellschaftsjagd der „Kollege“ ruhig
mal Wild überlaufen haben, der Bretone findet’s noch, steht bombenfest durch, gibt seinem Führer Gelegenheit zu gelassenem Schuss und apportiert. Nicht selten gibt es Hunde, die
in vollendeter Zusammenarbeit mit dem Führer das Wild umschlagen, um es zwischen
sich und den Jäger zu bringen. Da beweist sich die Jagdklugheit, die sich mit wünschenswerter Führigkeit paart. Die Erzählung des Altmeisters Diezel, der von zwei Pointern berichtet, die so lange vorstanden, dass ein Maler sie auf die Leinwand bannen konnte, kann bei Bretonen dutzendfach nacherlebt werden. Zuweilen ist das sogar lästig, weil sich der sonst gehorsame Hund nicht abpfeifen lässt. Er steht dann unbeirrt und gebannt durch, fest auf die Wittrung des Wildes konzentriert, wobei er im hohen Bewuchs
nicht immer sofort auszumachen ist. Höchste Leistung entfaltet der kleine Geselle bei der Wasserarbeit, etwa beim Stöbern im Schilf und zähen Morast. Hier hilft ihm sein geringes Gewicht. Wo manchem großen, gewichtigen „Kollegen“ zuweilen das Selbstbewusstsein und die Passion ausgehen, gibt der Bretone noch lange nicht auf. Eindrucksvolle Arbeit auf der
Schwimmspur, zuverlässiges Finden und Apportieren und auch das Fassen der vielleicht
noch wegtauchenden Ente unter der Wasseroberfläche – dies schätzt inzwischen mancher Jäger am Bretonen. Schweißarbeit sollte nicht eigentlicher Schwerpunkt des Einsatzes eines Epagneul Breton sein. Natürlich wird sie von ihm leicht erlernt und dann gut erledigt. Auch
die Wildschäfe ist beim kleinen Franzosen vorhanden als Resultat der Jagdpassion und Wesensfestigkeit. Aber mit der speziellen Raubwildschärfe hat es seine Grenzen– obwohl es auch hier einige erstaunliche Ausnahmen gibt. Für das Gros der Rasse ist die Raubwildschärfe aber nicht mit kontinentalen Vorstehhunde hierzulande vergleichbar.
Schließlich taucht bei einem solchen Leichtgewicht die Frage nach dem Apportieren von Hase oder Fuchs auf. In normalem Gelände und über nicht sehr große Entfernung ist das meist kein Problem, gute Ausbildung natürlich immer vorausgesetzt. Der kleine Hund hat eine geradezu „sportliche Freude“ am Springen mit Gewicht – er ist auch hier von schier unbegrenzter Arbeitslust, wenn der Führer motivierend einwirkt und entsprechend Zuspruch gibt.
Konsequenz und Fingerspitzengefühl braucht ein Bretonen- Führer. Denn der Franzose begreift schnell und bringt in aller Regel seinem Herrn ein hohes Maß an Führigkeit entgegen. Allerdings sollte der Jäger hierfür immer die rechte Antenne haben, um das Kontaktverlangen seines Bretonen nicht zu übersehen. Denn auch höchste Führigkeit erlahmt, wenn der Rüdemann weder durch Befehl, Pfiff, noch Handzeichen agiert oder reagiert. Diese Führigkeit gilt es für die Erziehung und Ausbildung des Hundes zu nutzen. Dabei gibt es eigentlich keine besonderen Grundsätze. Wie sagte ein französischer Berufsabrichter: „Oberster Grundsatz ist die Ausgewogenheit von Härte und Liebkosung
oder anders, eine eiserne Hand mit einem Samthandschuh“. Damit ist entschiedene Konsequenz gemeint, die zur Durchsetzundes Gehorsams unerlässlich ist. Ganz wichtig für einen Bretonen ist der Zuspruch, nachdem er gehorsam war beziehungsweise die Übung gelungen ist. Wobei die Handverbindung zu Kopf und Behang des Hundes, das betonte Abliebeln des Schülers, von diesen Hunden gerne angenommen wird. Bei der Ausbildung ist die überdurchschnittliche Klugheit des Bretonen förderlich und hinderlich zugleich. Wer schnell lernt, vergisst schnell – ein alter Grundsatz. Das erstaunliche Beobachtungsvermögen erlaubt dem kleinen Waidgesellen, jede Ablenkung des Führers, jede Unaufmerksamkeit oder Konzentrationsschwäche für sich selbst auszunutzen.
Dabei kann der Gehorsam auf der Strecke bleiben, wenn der Jäger nicht konsequent aufpasst. Die Stunden und Tage des gemeinsamen Waidwerkens von Hund und Führer sind häufig begrenzt. Wir haben den Hund jedoch auch die übrige Zeit um uns, und deshalb ist sein Wesen von besonderer Bedeutung. Das gilt im Umgang mit seinesgleichen im Zusammenleben mit anderen Haustieren und den Menschen in seinem direkten Umfeld. Hier sind die Bretonen durch ihre unvergleichliche „Liebenswürdigkeit“ höchst angenehme Gefährten. Nahezu alle zeichnen sich durch sehr gute Wesensfestigkeit aus. In dieser
Rasse sind Angstbeißer, Kläffer, schussscheue und geräusch- oder milieuempflindliche Hunde äußerst selten. Sowohl die französischen Jäger als auch die deutschen Bretonenbesitzer legen darauf den größten Wert. So haben wir anlässlich einer Zuchtschau in Frankreich bei einem französischen Experten erlebt, dass ein namhafter Züchter aus dem Ring gewiesen wurde, weil sein Hund wiederholt aggressives Verhalten gegenüber den anderen Bretonen zeigte. Hervorragend in Form, Haar und Bewegung – aber der Führer verließ wortlos den Ring, weil er um die Schwäche seines Hundes wusste. In dem deutschen Zuchtverein wird dies ebenfalls sehr streng geahndet. Der Bretone ist weltweit bekannt und wird in vielen Ländern des Erdballs als Jagdhund geführt und geschätzt. Eine kynologische Enzyklopädie bezeichnet ihn als die meistverbreitete Jagdhundrasse der
Welt. Das kann zutreffen, obwohl Setter und Pointer möglicherweise einen Vorsprung
haben. In Frankreich ist der Bretone jedenfalls mit weitem Abstand die häufigste
Gebrauchshundrasse mit jährlich weit über 5 000 Neueintragungen in das Stammregister. Und durch die Franzosen ist der Bretone auch seit Jahrzehnten in all den Ländern im Einsatz, die ehedem zum Kolonialreich gehörten. Aber wir finden ihn ebenso in nennenswerter und zunehmender Anzahl im ganzen westlichen Europa, in Skandinavien
und Südosteuropa. Im benachbarten Dänemark beispielsweise hat er in den letzten
Jahrzehnten einen Siegeszug ohnegleichen angetreten. Die weite Verbreitung in den USA und Kanada hebt ihn ebenfalls von anderen Rassen ab. In Nordamerika ist der Bretone
unter der Bezeichnung Brittany-Spaniel bekannt. Man führt die „Britts“, wie sie kurz genannt werden, auf vielen „Field-Trials“, in den großen Prärien und Weizenschlägen
– teils sogar zu Pferde. Bei den „Field Trials“, wie sie auch im Ursprungsland des Bretonen veranstaltet werden, handelt es sich um jagdliche Prüfungen nach der Ordnung der Fédération Cynologique Internationale (FCI). Sie unterscheiden sich erheblich von den Prüfungen des Jagdgebrauchshundeverbandes. Sicherlich, sie tragen stark sportliche Akzente, während unsere Prüfungen mehr der jagdlichen Praxis nahekommen. Unwiderlegbar aber bedeuten diese Wettbewerbe nach den Regeln der FCI eine bei uns ganz ungewohnte Zuchtauslese, vor allem hinsichtlich der „großen“ Deckrüden, die vielfach
im Laufe ihres Lebens Dutzende von „Field-Trials“ absolvieren. Da schälen sich dann unbarmherzig Deckrüden aber auch Zuchthündinen heraus, die absolute Spitze sind, die das immer wieder unter Beweis gestellt haben, und deren Nachkommen die gleiche Prozedur über sich ergehen lassen müssen. Dann stehen sie eines Tages fest – die großen Vererber, die in die kynologische Geschichte eingehen. In Deutschland arbeitet der Club für
Bretonische Vorstehhunde an der Förderung dieser Rasse für Jagdgebrauchszwecke.
Er ist Mitglied im JGHV und unterwirft sich dessen Prüfungsordnungen. Der verhältnismäßig kleine Verein existiert nunmehr seit über 25 Jahren. Die Mitglieder sind über das ganze Bundesgebiet verstreut und kennen einander meist persönlich, sei es durch Prüfungs- oder andere Veranstaltungen. Es fallen im Jahr zirka fünf bis sechs Würfe, und sollte die eigene
Zuchtbasis in Deutschland nicht ausreichen, werden Welpen aus französischen Leistungszuchten importiert. Die Bretonen zeigen sehr gute Ergebnisse auf den Herbstzuchtprüfungen, wo sie in scharfem Wettbewerb mit den deutschen Rassen viele Rüdemänner mit ihren Leistungen verblüffen. Immer wieder beeindruckt der Bretone
dabei mit seiner jagdlichen Passion, seiner feinen Nase, seinem unermüdlichen Arbeitswillen, seiner soliden Wesensfestigkeit und seinem ansonsten umgänglichen
Wesen. Jeder, der sich davon überzeugen möchte, sollte eine Prüfung besuchen.
Bei den Falknern erfreut sich der Franzose großer Beliebtheit. Denn der Falkner wird nicht nur an seinem Vogel, sondern auch an seinem Hund gemessen. Der wäre ein schlechter Falkner, der seinem stolzen Vogel Liebe, Fleiß, Einfühlungsvermögen und Geduld zollt und nicht zugleich mit Geschick und feinem Sinn den guten Vogelhund zum Dreiergespann gesellt. Immer ist der Falkner doch auch gerechter Waidmann, der ohne den trefflich abgeführten Jagdhund schwer denkbar ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass für die
Jagd mit dem Beizvogel nur sicher vor- und durchstehende Hunde in Betracht kommen.
Der Epagneul Breton bietet sich dabei mit französichem Charme und Eleganz an.