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Das Reviersystem bleibt

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Reviersystem bleibt

I. Die Rechtsgrundlage

1. Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums.
Artikel 1 Satz 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1

2. Alle Grundflächen einer Gemeinde, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, bilden einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk. § 8 Abs. 1 BJagdG

3. Die Eigentümer der Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, bilden eine Jagdgenossenschaft. § 9 Abs. 1 S. 1 BJagdG

II. Der Sachverhalt

Ermutigt durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen Frankreich aus dem Jahre 1999 (WuH 6/2000, S. 8) beantragte ein Grundeigentümer aus Rheinland-Pfalz seinen Austritt aus der Jagdgenossenschaft und die Nichtbejagung seiner Flächen, weil er die Jagd aus ethischen Gründen ablehne. Vor den deutschen Gerichten hatte er damit keinen Erfolg. Zuletzt lehnte das Bundesverfassungsgericht seine Anträge ab, da die Jagd dem Allgemeinwohl diene (WuH 4/2007, S. 110). Anschließend ging der Rechtsstreit vor dem EGMR in Straßburg weiter.
III. Das Urteil
Zunächst war die Kleine Kammer des EGMR mit der Sache befasst. Sie verneinte ebenfalls einen Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit und das Eigentumsrecht und wies die Anträge ab. Die anschließend angerufene Große Kammer stellte jedoch einen Verstoß gegen das Eigentumsrecht fest. Beide Entscheidungen sind endgültig.

1. Vereinigungsfreiheit (Art. 11 der Konvention) Urteil der Kleinen Kammer vom 20.1.2011– Nr. 9300/07 -, rechtskräftig Die zwangsweise Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft stelle schon deshalb keinen Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit dar, weil dieses Menschenrecht nicht für Mitglieder in Körperschaften des öffentlichen Rechts gelte. Die deutschen Jagdgenossenschaften seien Körperschaften des öffentlichen Rechts, weil sie in staatliche Strukturen eingebettet und verpflichtet seien, eine Satzung zu erlassen, Umlagen durch Verwaltungsakt zu erheben und durch staatliche Behörden einzutreiben. Des Weiteren verfolgten sie im Allgemeininteresse liegende Ziele, indem sie das Jagdrecht verwalteten und die Hege und den Schutz des Wildes gewährleisteten.

2. Eigentumsverletzung
(Art. 1 Zusatzprotokoll Nr.1) Urteil der Großen Kammer vom 26.6.2012 – Nr. 9300/07-, rechtskräftig Die Pflicht des Eigentümers, die Jagd und damit die „Anwesenheit von bewaffneten Männern und Jagdhunden“ auf seinem Grundstück zu dulden, stelle „eine Beschränkung der freien Ausübung“ des Eigentumsrechts dar (Nr. 72 des Urteils). Diese sei nicht gerechtfertigt, weil es an einem „gerechten Ausgleich“ zwischen den Belangen des Gemeinwohls und dem Schutz der Grundrechte Einzelner fehle. Zwischen dem angewandten Mittel und dem verfolgten Ziel müsse „ein vernünftiges Verhältnis“ bestehen, was hier nicht gegeben sei. In seinen früheren Urteilen gegen Frankreich und Luxemburg habe der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Verpflichtung der Eigentümer von „Kleingrundstücken“, die Jagd auf ihren Grundstücken zu dulden, bei ethisch begründeter Ablehnung der Jagd eine „unverhältnismäßige Last“ darstelle (Nrn. 76, 80 des Urteils). Es bestehe kein Grund, hiervon abzuweichen, da die Lage in Deutschland nicht wesentlich anders sei (Nrn. 85, 93 des Urteils). Dem stehe nicht entgegen, dass die Grundstücke an einen Bauern verpachtet gewesen seien, der auf ihnen Schlachtvieh gehalten habe, denn die Ablehnung  der Jagd sei nicht mit der Ablehnung der Schlachtung von Tieren für den menschlichen Verzehr gleichzusetzen (Nr. 92 des Urteils).
IV. Anmerkungen
1. Folgen des Urteils
Ausgangspunkt ist, dass der EGMR eine Eigentumsverletzung allein deshalb festgestellt hat, weil ein Grundeigentümer in Deutschland trotz ethisch begründeter Ablehnung der Jagd die Jagdausübung auf seinen Flächen dulden muss, da das BJagdG für diese Fälle keine  Ausnahme vorsieht. Daraus ergibt sich, dass das Reviersystem als solches nicht gegen die Menschenrechtskonvention verstößt und daher weiterhin bestehen bleibt; P dass die zwangsweise Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, rechtmäßig ist; P dass nur bei ethisch begründeter Ablehnung der Jagd für  Eigentümer von Kleingrundstücken ein Ausstieg aus der Bejagung ermöglicht werden muss, alle anderen Gründe scheiden aus (zum Beispiel Zerstrittenheit, Ablehnung von Waffen usw.); P dass es teilweise einen „Flickenteppich“ geben wird, der die flächendeckende Hege und Jagdausübung durchlöchern wird; P dass bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung alles beim Alten bleibt, sowohl was die Bejagung aller Flächen als auch die Mitgliedschaft der Grundeigentümer in der Jagdgenossenschaft angeht.
2. Wie eine Gesetzesänderung aussehen könnte Nach Art. 46 der  Menschenrechtskonvention ist Deutschland verpflichtet, das Urteil des EGMR „zu befolgen“. Das BJagdG muss daher eine Vorschrift erhalten, die es ethisch begründeten Jagdgegnern ermöglicht, ihre Flächen von der Bejagung auszunehmen. Auf welche Weise das geschieht,liegt im (weiten) Ermessen des Gesetzgebers.Möglich wäre es zum Beispiel, dass das Grundstück zu einem befriedeten Bezirk erklärt oder als jagdbezirksfreie Fläche ausgegliedert wird. In beiden Fällen wird der Eigentümer nicht Mitglied der Jagdgenossenschaft und sein Grundstück einer Bejagung entzogen, sodass den Forderungen des EGMR voll entsprochen wäre. Von diesen beiden Möglichkeiten gebührt der Erklärung des Grundstücks zum befriedeten Bezirk eindeutig der Vorzug. Der damit verbundene Eingriff wäre geringer, da dem Reviersystem jagdbezirksfreie Flächen grundsätzlich fremd sind (unddaher in der Regel einem Jagdbezirk angegliedert werden sollen). Befriedete Bezirke sind hingegen in das Reviersystem integriert, sie gehören zum Jagdbezirk und können sich auf eine jahrzehntelange Rechtsprechung stützen.

Ferner spricht für befriedete Bezirke, dass die Wildfolge auf die Grundstücke sowie das dortige Erlösen von krankgeschossenem und schwerkrankem Wild durch die bestehenden landesrechtlichen Vorschriften sichergestellt geregelt wäre. Ein weiterer Vorteil bestünde darin, dass die Grundfläche des befriedeten Bezirks bei einem Wechsel des Eigentümers, zum Beispiel durch Veräußerung oder Erbfolge, sofort kraft Gesetzes wieder zur bejagbaren Revierfläche und der neue Eigentümer zum Mitglied in der Jagdgenossenschaft werden würde mit den damit verbundenen Rechten (Wildschadensersatz, Mitbestimmungsrechte, Auskehrungsanspruch). Auch eine aufwändige Wiedereingliederung in den Jagdbezirk von Amts wegen würde entfallen. Von besonderer Bedeutung ist schließlich, dass die Flächen der befriedeten Bezirke weiterhin zur Erreichung der Mindestgröße der Jagdbezirke  mitzählen (außer in Bayern und Sachsen) und die Verbindung zu weiteren Flächen aufrecht erhalten würden, sodass vorhandene Jagdbezirke in ihren bestehenden Grenzen erhalten blieben. Dadurch würden eventuelle Entschädigungsfragen gar nicht erst entstehen.

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