Wir befinden uns in der Nähe des kleinen Dorfes Slussfors, mitten in Västerbotten, einer Region im schwedischen Teil Lapplands. Auf den ersten Blick ein winziges Örtchen im Nirgendwo: eine Tankstelle, ein kleines Bistro an der Straße und eine Bushaltestelle. Der nächste große Supermarkt ist 70 Kilometer entfernt. Die meisten Nachbarorte erreicht man nur über Schotterpisten. Im Moment ist das aber unbedeutend. Denn der wahre Wert dieser Gegend liegt für die versammelten Jäger in der Natur. Und die beginnt gleich hinter dem Dorf. Dort steigt das Gelände ein wenig an, und riesige Moorflächen, gesäumt von Birken, wechseln sich mit unwegsamen Nadelwäldern ab. Die Bäume wachsen hier deutlich langsamer als im Süden, die Fichten haben schmale Kronen, so dass die Schneelast des langen Winters ihnen nicht viel anhaben kann. Für mitteleuropäische Verhältnisse ist die Ausdehnung des Jagdgebiets mit mehreren tausend Hektar nahezu gigantisch. Wenn man sich verläuft, würde es mit ein wenig Pech Tage dauern, bis man an das nächste Gehöft oder eine Siedlung kommt. Jagdleiter Greger Einersson erklärt anhand einer Karte, wo heute gejagt wird. Und dann wird es spannend. Jeder Schütze zieht sein Standlos. In den Gesichtern der Schweden sieht man deutlich Neugier und Anspannung, gemischt mit einem Schuss Vorfreude: Welchen Stand bekomme ich heute? Vielleicht an dem Pass, an dem Bertil vor ein paar Jahren seinen großen Schaufler geschossen hat? Oder am Rande des großen Moores, wo ein Schütze im letzten Jahr erst ein Kalb und später dann ein Schmaltier erlegte? Die versammelten Jäger haben diesem Termin die letzten Monate geradezu entgegengefiebert. Alles ist perfekt vorbereitet, die Schießprüfungen sind überstanden, der Urlaub schon lange im voraus beantragt. Elchjagd in Lappland erfordert viel Ausdauer und Geduld, besonders unter den schwierigen Wetterverhältnissen, die der Norden manchmal mit sich bringt. Die Wilddichte ist um ein Vielfaches geringer als in Deutschland, das Gelände meist wenig oder gar nicht erschlossen. Nicht selten vergehen mehrere Tage ohne Anblick. Um dennoch zu Waidmannsheil zu kommen, müssen alle Teilnehmer als Team arbeiten. Die Hundeführer legen den Elchhunden die Halsbänder mit Peilsender um, und dann geht es los. Ich fahre mit Roland über weite Schotterpisten zum vereinbarten Startpunkt. Sein Jämthund sitzt auf dem Rücksitz. Beiden ist eine gewisse Nervosität anzumerken. „Ich weiß noch nicht, wie gut mein Hund dieses Jahr ist“, gesteht Roland ein wenig zögerlich.
Hunde spielen eine zentrale Rolle bei dieser Form der Jagd. Sie werden geschnallt und stöbern auf den riesigen Flächen langsam gegen den Wind, um über frische Fährten oder durch Direktwittrung Elchwild auszumachen. Trifft der Hund auf einen Elch, stellt er diesen und verbellt ihn. Der Hund beschäftigt das Stück, bis der Schütze nah genug herankommt. Schafft es der Hund, den Elch ausreichend lange zu stellen, kommt der Jäger vielleicht zum Schuss.