ANZEIGE
schwarzes Rehwild

Schwarzes Rehwild fasziniert immer, wenn es in Anblick kommt. Zwei der stärksten Böcke dieser Farbvariante wurden in Poppau und Rossau (Sachsen-Anhalt) erlegt. Dr. WOLFGANG SCHULTE berichtet vom „Schwarzen von der Nachtweide“ und dem „Achter aus Rossau“.

Die ersten Hinweise auf die Existenz des schwarzen Bockes aus Poppau ergaben sich im April
des Jahres 2000 am Rand des „Apenburger Weges“, rund 1 000 Meter von seinem späteren Erlegungsort entfernt. Dort hatte Förster Sebastian Lipphold an einer Schlehenhecke mit ABM-Kräften sieben junge Rosskastanien gepflanzt. Am 28. April fand Jagdpächter und Landwirt Harald Könnig im Gelände zwei dieser Bäumchen als blankgefegte „Totalschäden“ vor. Könnig (Jahrgang 1954) bewirtschaftet mit drei weiteren Mitpächtern das 572 Hektar große Revier Poppau im Altmarkkreis Salzwedel, Sachsen-Anhalt, jagdlich. Wenn sich hier
ab dem 1. Mai ein Bock zeigen würde, beschloss der Mitpächter damals, würde es kein Pardon geben. Aber dann kam alles ganz anders: Zum Aufgang der Bockjagd saß Könnig in der Nähe des „Tatortes“ an, doch statt des „Übeltäters“ trat aus der nahe gelegenen Schlehenhecke ein zierlicher schwarzer Jährling aus. Natürlich blieb die Kugel im Lauf. Und man beschloss innerhalb der Pächtergemeinschaft, den jungen schwarzen Bock – sollte er im Revier bleiben – von nun an genauer zu beobachten. Harald Könnig erinnert sich: „Es handelte sich zunächst um einen eher bescheidenen Jährling. Doch bereits im dritten Jahr zeigte er sich als durchschnittlicher Sechser.“ Der Bock hatte zu diesem Zeitpunkt ziemlich genau in der Reviermitte seinen Einstand in der Feldflur bezogen. Der Waldanteil des Revieres liegt bei rund 230 Hektar (hauptsächlich Kiefernforst, ferner Fichte, Robinie und Birke; weitere Laubholzarten als Unterbau). Der Rest entfällt auf landwirtschaftliche Flächen, die vor allem mit Getreide, Zuckerrüben, Mais, Raps, Felderbsen und wenig Kartoffeln bestellt werden. Als Zwischenfrucht wird unter anderen Ackersenf eingesät. Vorherrschend sind sandige Lehmböden (Bodenzahl 47). Das durchschnittliche Wildbretgewicht bei den mehrjährigen Böcken liegt bei 16 bis 18,5 Kilogramm. Die Ricken wiegen im Schnitt zwei bis drei Kilogramm weniger. Mittelmäßige Sechser bringen mit kleinem Schädel rund 200 bis 230 Gramm auf die
Waage. Die Gehörne besserer Böcke wiegen etwa 300 Gramm. Im vierten Jahr war der Schwarze mit einem Mal deutlich stärker, und er entwickelte sich nochmals weiter. Während der Bock im Winter 2004/2005 sein Gehörn schob, war als Äsung reichlich Wintergerstensaat vorhanden. Im Frühjahr 2005 prahlte er im Bast und präsentierte nach dem Fegen ein für die Region ungewöhnlich starkes Sechsergehörn. Die Pächter hatten den Bock bei Revierfahrten oder beim Ansitz immer wieder in Anblick. Dabei fiel zum Beispiel auf, dass er ständig nur mit jungen Ricken unterwegs war. Mit einer starken alten Ricke sah man ihn dagegen nie. Fuhr Harald Könnig ins Revier, so fragte er sich stets: „Steht er heute noch da?“ Mittlerweile hatte der Schwarze auch das Reifealter erreicht, und daher wurde die Frage, wer den Bock strecken darf, in gemeinsamer Runde besprochen. Die Wahl fiel auf Könnig, der den schwarzen Kämpen fünf Jahre zuvor im Revier als Erster bestätigt hatte.
Am 2. Oktober 2005 baumte der Jäger gegen 16 Uhr auf einem offenen Hochsitz auf, der rund acht Wochen vorher am Rand eines großen Senfschlages für die Bock- und Saujagd aufgestellt worden war. Es war trocken, bewölkt und windstill. Nach kurzer Zeit schon tauchte auf ungefähr 140 Meter im Ackersenf der Schwarze zusammen mit einer roten Ricke auf. Inmitten der hochstehenden Zwischenfrucht kamen von den beiden langsam ziehenden Rehen zunächst nur Teile des Hauptes und des Trägers in Anblick. Außerdem wurde das Licht immer schlechter. Von heftigem Jagdfieber geschüttelt, legte Harald Könnig gegen 17 Uhr seinen Antonio-Zoli-Repetierer auf der Hochsitzbrüstung auf (Kaliber .30-06, Docter 3–12×56, Absehen 1). Er atmete ein paarmal tief durch und machte sich dann schussfertig. Als der Schwarze auf rund 70 Meter durch eine Lücke im Ackersenf zog, verließ das Geco-Teilmantel-Geschoss (11,0 Gramm) mit Donnerhall den Lauf der Büchse. Die Aufregung des
Schützen hielt unvermindert an. Die Ricke sprang ab, doch vom Bock war nichts mehr zu sehen. Ungefähr zehn Minuten blieb Könnig sitzen. Dann baumte er ab und fand nach kurzer Suche den starken Schwarzen am Anschuss verendet vor. Erst jetzt konnte man die wahre Stärke des Gehörns und vor allem die gewaltigen Rosen richtig erkennen. Immer wieder entfuhr dem überglücklichen Erleger nur dieser eine Satz: „Das gibt‘s doch gar nicht!“
Der Kammerschuss saß ziemlich weit hochblatt nahe der Wirbelsäule und hatte den Bock im Knall verenden lassen. Der Erlegungsort bei „Adolf-Fehses-Birken“ (damals ein Brachlandstreifen mit zwei Eichen, Wildbirnen, Birken, Schwarzem Holunder, Brombeeren und Brennnesseln) wird von den Ortsansässigen auch „Nachtweide“ genannt. Diese Geländestelle liegt rund 800 Meter südlich des Ortsrandes von Poppau. Nach dem Aufbrechen bekam der
schwarze Kämpe als letzten Bissen einen Bruch in den Äser. Dann fuhr der Erleger nach Hause und holte seine jagdinteressierte Tochter, die ihm ein herzliches Waidmannsheil wünschte und sich kräftig mitfreute. In der Dunkelheit wurde der starke Schwarze gemeinsam geborgen, zu den Mitpächtern gefahren und dort vorgezeigt. Aufgebrochen mit Haupt wog der fünfeinhalbjährige Bock genau 20,7 Kilogramm. Bedenkt man die oben genannten (revierbezogenen) Durchschnittswerte, so ist dieser überaus stattliche Schwarze (Gehörngewicht ca. 430 g; Stangenlänge: links 23,5, rechts 22,9 Zentimeter; Auslage: 7,9 Zentimeter; Gesamtumfang der Rosen: 23,4 Zentimeter) in jeglicher Hinsicht ein echter „Ausreißer“. Es handelt sich um einen der trophäenstärksten schwarzen Böcke, die in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland zur Strecke kamen. Im Winter 2005/2006 präparierte Thomas Bauer aus Sallenthin den Sechser. Ende April 2006 wurde dieser Ausnahmebock als Trägerpräparat auf der Landestrophäenausstellung in Langenweddingen beim Landesjagdverband Sachen-Anhalt präsentiert.
Angeregt hatte dies Förster Sebastian Lipphold, der mit dem Erleger befreundet ist und der zu Recht der Meinung war, dass man einen derart starken schwarzen Bock auf Landesebene unbedingt zeigen müsse. Die Trophäe konnte aber nicht bewertet werden, da das Gehörngewicht und das Volumen des Gehörns vor der Präparation leider nicht ermittelt worden waren. Horst Burde aus Magdeburg, Mitglied der Trophäenbewertungskomission Sachsen-Anhalt und Leiter der Gruppe Rehwild, der in seinem Archiv zum Glück noch einige Fotos der Trophäe aufbewahrt hatte, machte mich auf den Bock aufmerksam. Das Gehörngewicht schätzte er auf 400 bis 450 Gramm. Aus Sicht der Jäger hinterlässt der Schwarze von der Nachtweide im Revier Poppau eine spürbare Lücke. Der Erleger betrachtet recht häufig das gut gelungene Trägerpräparat und lässt dabei die Jahre der Hege und die Erlebnisse dieser Jagd noch einmal Revue passieren. Ein weiterer schwarzer Ausnahmebock kommt ebenfalls aus Sachsen-Anhalt. Er wurde am 2. August 2004 im Revier Rossau (778 Hektar) nahe der gleichnamigen Gemeinde im Landkreis Stendal (Sachsen-Anhalt) vom Beständer Friedhelm Brun (Jahrgang 1952) erlegt.
Der starke Achter war dem Pächter zuvor nicht bekannt. In der Blattzeit tauchte der Bock zusammen mit einer Ricke abends gegen 21.30 Uhr plötzlich auf einer Feldbrache auf. Als das Stück zwischen den Melde- und Beifußstauden auf rund 80 Meter vor der offenen Leiter frei und breit stand, hatte Friedhelm Brun seinen Krieghoff-Plus-Drilling (.30-06, Schmidt & Bender 2,5–10×56) bereits angebackt. Der Abnorme erhielt einen Kammertreffer und lag nach einer Fluchtstrecke von rund 150 Gängen. Das Wildbretgewicht des Schwarzen betrug rund 20 Kilogramm. Die linke Gehörnstange weist vier Enden auf. Die rechte Stange ist als kräftige Gabel ausgebildet, mit einem zusätzlichen (endenartigen) kleinen Auswuchs sowie einer fingerdicken „Krallenbildung“ etwas oberhalb der Rose, die – von hinten kommend – seitlich nach vorn zeigt. Auf Grund des Zahnabschliffes wurde der spektakuläre Bock auf circa fünf bis sechs Jahre taxiert. Leider wurde auch die Krone dieses Schwarzen vor dem Präparieren nicht mehr gewogen. Experten gehen von rund 450 Gramm Gehörngewicht aus (Stangenlänge: links 22,5 und rechts 19,0 Zentimeter; Auslage: 9,5 Zentimeter, Gesamtumfang der Rosen: 26,2 Zentimeter).
Sowohl beim „Schwarzen von der Nachtweide“, als auch beim „Achter von Rossau“ haben wir es in Hinblick auf die schwarze Färbung, die Wildbret- und Trophäenstärke mit absoluten Ausnahmeböcken zu tun. Sie zählen zu den trophäenstärksten schwarzen Rehböcken, die bislang in heimischen Revieren zur Strecke kamen.

Wo kommt schwarzes Rehwild vor?

Die Norddeutsche Tiefebene bildet das Hauptverbreitungsgebiet des schwarzen Rehwildes. Die östliche Verbreitungsgrenze überschreitet die Elbe. Im Westen reichen die Vorkommen über den Niederrhein bis in östliche Regionen der Niederlande hinein. Im Süden verläuft die Grenze von Münster über Detmold und Braunschweig bis nach Stendal. Die Kernvorkommen liegen in Niedersachsen, aber auch in umliegenden Bundesländern (wie zum Beispiel in Teilen Sachsen-Anhalts und Mecklenburg-Vorpommerns). Auch auf der Nordseeinsel Borkum hatte Dr. Wolfgang Schulte schon schwarzes Rehwild in Anblick. Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft des Herzogtums-Lauenburg (Schleswig-Holstein), Hubertus Meyer-Loos, hatte im Zeitraum 2001/02 mehrfach im Raum Ratzeburg/Mölln ein schwarzes Schmalreh in Anblick, dass aber wahrscheinlich einem Verkehrsunfall zum Opfer fiel.

MEYER-BRENKEN gibt in seiner Verbreitungskarte von 1970 zwei sporadische Vorkommen schwarzen Rehwildes in Süddeutschland an. Eines sollte sich demnach im hessischen Taunus, ein anderes in der Nähe von Bad Kissingen (Bayern) befinden. Dr. Peter Gleissner, Vorsitzender des Jägervereins Bad Kissingen, bestätigt dieses Vorkommen: „In unserem Revier Wittershausen befinden sich zur Zeit nachweislich noch vier schwarze Stücke, darunter auch ein Bock. Normalerweise schonen wir diese seltenen Rehe in unserem Revier, doch im August 2007 mussten wir einen schwarzen Bock erlegen, der zahlreiche Rivalen forkelte und nachweislich acht Jahre alt war. Wir kannten ihn bereits als Kitz. Er wurde zusammen mit einem roten Zwillingskit von einer roten Geiß gesetzt.“ Dem Vorsitzenden des Jagdvereins Untertaunus, Bernd van Zanten, ist die Erlegung eines Jährlingssechsers 1965 im Revier Diethardt-Münchenroth in Erinnerung. „Seither habe ich allerdings nie wieder etwas von einer Beobachtung oder Erlegung eines schwarzen Stückes im Taunus gehört“, sagt van Zanten. In feuchtem Gelände mit Mooren und Brüchen sind die Schwärzlinge anscheinend besonders zahlreich, weshalb sie örtlich auch als „Moor-“ oder „Sumpfrehe“ bezeichnet werden. Die genauen Ursachen für die (wie auch bei Weißlingen, Albinos, Teilalbinos/Schecken) sich rezessiv vererbenden Farb-Mutationen sind unbekannt. Sicher ist aber, dass die Veränderung des Erbgutes eine starke Vermehrung des schwarzen Pigments bewirkt, das die normale Färbung unterdrückt. In Sachsen-Anhalt konzentrieren sich die Vorkommen der schwarzen Rehe hauptsächlich auf den Raum Salzwedel, Stendal, Gardelegen und Klötze. In einigen Gebieten, wie in den Kreisen Salzwedel, Stendal, Seehausen und Osterburg, treten auch Stücke auf, bei denen zum Beispiel nur die Rückenpartie und öfters auch die Maske dunkel gefärbt ist.

Immer wieder wird auf die große Seltenheit von trophäenstarken schwarzen Böcken hingewiesen. Die Erklärung liegt jedoch auf der Hand: Kapitale Böcke sind bereits unter den normal gefärbten (rötlichbraunen) Stücken eine Ausnahme und unter den zahlenmäßig ohnehin geringer
vertretenen schwarzen erst recht.
ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot